Oberhausen. Die Corona-Tests an Grundschulen sind eine Belastungsprobe für Familien und Lehrkräfte. Warum Schulleiter dennoch Präsenzunterricht wollen.

Seit wenigen Tagen erst haben die Schulen wieder geöffnet, doch verspätete Test-Ergebnisse, Quarantäne-Fälle und ständig neue Vorgaben sorgen für Dauerstress – besonders an den personell eher eng gestrickten Grundschulen. Hier liegen teilweise die Nerven blank. Schulleiterinnen und Schulleiter berichten von Lehrpersonal an der Belastungsgrenze, verzweifelten Eltern und Kindern, die plötzlich weinend am Schultor stehen.

Es ist – für Schulverhältnisse – schon spät am Tag, als Jan Blum, Schulleiter der Bismarckschule an der Mörikestraße, um 11.16 Uhr telefonisch übermittelt, dass für den heutigen Tag noch kein verlässliches Ergebnis vorläge. Will heißen: Er weiß noch nicht, wie viele Kinder heute noch in Quarantäne geschickt werden müssen. „Wir versuchen alle, ruhig zu bleiben“, sagt Blum und lobt eine verständnisvolle Elternschaft. Seine Stimme klingt, als ob er die allgemeine Aufregung nicht an sich heranlassen will. Und dennoch: Wer selbst Kinder hat, Eltern kennt oder mit Lehrern befreundet ist, der weiß, was hinter so nüchternen Aussagen steht – welches Chaos im Familienalltag, welche Aufregung beim Blick auf E-Mails und Whatsapp-Gruppen am frühen Morgen herrscht.

Zwei Jahre Virus und nur eine erkrankte Lehrerin

„Es sind alle dünnhäutiger geworden“, hat Peter Kovac festgestellt, Leiter der Astrid-Lindgren-Schule an der Stiftstraße. Die Belastungsgrenze sei auch im Kollegium fast erreicht. „Die Gesundheit hängt am seidenen Faden, das merke ich.“ Dabei seien sie bisher gut durchgekommen. Peinlich genau hätten sie auf alles geachtet: Masken, digitale Konferenzen, von Anfang an. Mit Erfolg: Nur eine Person aus dem 50-köpfigen Schulteam, davon 21 Lehrerinnen und Lehrer, hat sich bisher mit Corona infiziert. In den Klassen habe es kleinere Ausbrüche gegeben, „aber keine pandemischen Extremzustände“.

Präsenzunterricht soll gesichert werden

„Oberstes Ziel der Landesregierung ist es, den Präsenzunterricht weiterhin zu sichern“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion aus dem NRW-Schulministerium. Die Antigen-Schnelltests an den weiterführenden Schulen und PCR-Lolli-Pooltests an den Grund- und Förderschulen dienten dazu, Infektionen frühzeitig zu erkennen und Infektionsketten zu unterbrechen. Distanzunterricht könne auch für einzelne Schülerinnen und Schüler erteilt werden. „Über einen Antrag wegen Vorerkrankungen entscheidet die Schulleitung.“

Nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums muss in der Regel nur der infizierte Schüler in Quarantäne. Ohne Testung endet sie nach zehn vollen Tagen. Infizierte Schüler haben nach sieben Tagen, wenn zuvor zwei Tage Symptomfreiheit bestand, die Möglichkeit zur Freitestung mittels PCR-/Schnelltest. Schüler, die in Quarantäne, aber selbst nicht infiziert sind, können sich nach fünf Tagen mittels PCR-/Schnelltest freitesten.

Bisher seien alle sehr verantwortungsbewusst mit der Situation umgegangen, selbst als einzelne Klassen komplett zu Hause bleiben mussten. Es wurde alles erduldet, sagt Peter Kovac. Doch wenn jetzt teilweise zwei bis drei Tage auf Ergebnisse von Einzeltestungen gewartet werden muss, dann zehre das doch sehr an den Nerven der Eltern. Zur Erklärung: Im ersten Rutsch werden alle Proben einer jeden Klasse als Pool vom Labor ausgewertet. Findet sich dann eine positive Probe, wird Kind für Kind geschaut, wer denn betroffen ist. Ohne dieses Ergebnis darf niemand in die Schule kommen. Absurderweise sitzen Schülerinnen und Schüler derzeit aber längst schon wieder im Klassenraum, bevor die Nachricht über eine positive Probe im Pool ihre Eltern erreicht hat. So geschehen an der Steinbrinkschule in Sterkrade.

Labortest-Chaos führt zu emotionaler Unsicherheit

„Dann müssen wir die Eltern anrufen und die Kinder abholen lassen“, erklärt Schulleiterin Susanne Amrehn das Prozedere. „Verzweifelt und genervt“ seien die Väter und Mütter inzwischen ob der vielen Unwägbarkeiten. Und ihr Lehrteam sei ebenfalls stark belastet. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, Teströhrchen mit Namen zu beschriften, weil das Labor es mal wieder nicht geschafft hat, müssten sie sich mit „alle naselang wechselnden“ Vorschriften beschäftigen. „Das managen wir jeden Tag. Neben unserer eigentlichen Kernaufgabe, dem Unterrichten.“

Susanne Amrehn, Schulleiterin der Steinbrinkschule an der Steinbrinkstraße.
Susanne Amrehn, Schulleiterin der Steinbrinkschule an der Steinbrinkstraße. © Funke Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die größten Leidtragenden, da sind sich die befragten Schulmanager mit Psychologen einig, sind derzeit wieder die Kinder. Ängstliche Mädchen und Jungen, die sich an ihre Mama klammern, sieht Schulleiterin Susanne Amrehn immer häufiger – „und das nicht nur in der ersten Klasse“. Wer weinend am Schultor steht, dem fehlt die emotionale Sicherheit, ist Amrehn überzeugt. Schul- und Lernangst beobachtet auch Schulleiter Peter Kovac. „Auch die Kinder werden immer dünnhäutiger.“

Von Schulschließungen hält allerdings keiner der Befragten etwas. „Auf gar keinen Fall“, sagt Susanne Amrehn. Die Kinder bräuchten ein stabiles System, nicht das Hin und Her von Präsenz- und Online-Unterricht. „Wir müssen uns um die physische und psychische Gesundheit unserer Schüler kümmern“, sagt ihr Kollege Peter Kovac. Dafür benötige er nicht hunderte – gut gemeinte – Mails vom Ministerium, sondern eher mehr Personal für den Ernstfall. „Der Preis, den alle dafür zahlen, dass die Schulen geöffnet bleiben, ist hoch.“ Doch ist er überzeugt davon. Und wird deshalb auch weiterhin um fünf Uhr früh Laborergebnisse checken, obwohl er in der Nacht zuvor erst um halb zwölf den Rechner zugeklappt hat.

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