Oberhausen. Vergleicht man Impfleistungen der Praxen in den Revierstädten, impfen die Oberhausener Mediziner deutlich weniger. Nun beginnt die Aufholjagd.

Die Zahl der täglichen Impfungen steigt in Oberhausen stetig – die Impfkampagne nimmt Fahrt auf. Das liegt vor allem auch an den zusätzlichen fünf festen Impfstellen, die die Stadt mit Ärzten organisiert – und für die in den letzten Tagen bereits über 20.000 Impftermine vergeben worden sind. Im Süden Oberhausens, in Alstaden, will die Stadt schon bald eine sechste feste Impfstelle einrichten. So will man auf jeden Fall 1000 Impfungen täglich schaffen, die Arztpraxen visieren ebenfalls für sich diese Zahl an.

Bei den Arztpraxen, die seit Schließung des städtischen Impfzentrums in der Willy-Jürissen-Halle eigentlich für Corona-Impfungen allein zuständig waren, hat sich die Zahl der offiziell gemeldeten Impfärzte mittlerweile erhöht. Auf der Liste der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV) stehen nun 37 Arztpraxen (https://coronaimpfung.nrw/impfregister), die gegen Corona impfen; am 19. November waren es nur 33 Praxen. Gemeldet hatte sich neu auch das Medizinische Versorgungszentrum RIO am Josefshospital. Dabei gibt es in Oberhausen 116 Hausärzte und 110 Fachärzte. In Nachbarstädten wie Mülheim (171.000 Einwohner) ist das Impfengagement der Praxen insgesamt betrachtet größer – hier machen jetzt 58 Praxen mit.

Viele Praxen impfen, stehen aber nicht auf der offiziellen Liste

Allerdings sind die KV-Listen nach Angaben von Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Oberhausener Ärztekammer, nicht vollständig. „Viele Praxen impfen, aber sie wollen nicht unbedingt auf der Liste stehen, um nicht noch mehr Anrufe bewältigen zu müssen. Der Stress ist riesengroß.“

Dr. Peter Kaup impft in seiner Praxis intensiv.
Dr. Peter Kaup impft in seiner Praxis intensiv. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Gleichwohl haben die obersten Ärztevertreter in der Stadt, Dr. Kaup und KV-Vorsitzender Dr. Stephan Becker, ihre bisher noch nicht impfenden Kollegen aufgerufen, sich an den Impfaktionen zu beteiligen. „Es ist einfach notwendig, die Belastung auf mehr Praxen zu verteilen, nur so kommen wir schneller voran. Wir gehen auf dem Zahnfleisch“, formulierte Dr. Becker. Und machte sogar einen sehr ungewöhnlichen Vorschlag: Er forderte seine Kollegen auf, sich in den Wochen bis Weihnachten – abgesehen von Notfällen – „nur auf die Impfungen zu konzentrieren“. Immerhin gut zehn Arztpraxen impfen nun sogar in einer Adventsaktion an Samstagen.

Auch Oberbürgermeister Daniel Schranz schaltete sich ein, bat die Mediziner höflich: „In der Tat brauchen wir mehr Ärztinnen und Ärzte in Oberhausen, die impfen. Denn wir müssen alles dafür tun, eine höhere Impfquote zu erreichen. Das ist der einzige Weg, um aus der Pandemie herauszukommen.“ Krisenstabsleiter Michael Jehn flehte bereits im November eindringlich: „Die Praxen, die im Moment noch nicht impfen, bitte ich ganz herzlich zu überlegen, ob es nicht doch für Sie machbar ist.“

Tatsächliche Impfzahlen von Oberhausener Praxisärzten geringer

Die Stadtverantwortlichen sind auch deshalb alarmiert, weil sie auf die Impfdaten seit Schließung des Impfzentrums schauen. Blickt man auf die Zahl der offiziell gemeldeten Impfungen in Oberhausen seit dem Ende des Impfzentrums vom 4. Oktober bis Ende November 2021, stellt man fest: Tatsächlich impfen die hiesigen Praxen im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger als die Praxen in anderen rheinischen Großstädten.

Dr. med. Stephan Becker.
Dr. med. Stephan Becker. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

So meldeten die Oberhausener Impfärzte von der 40. Woche bis einschließlich 47. Woche absolut 31.128 Impfungen an Bürgern ab zwölf Jahren. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl macht dies eine Quote von 14,8 Prozent aus. Die Essener Arztpraxen erreichen allerdings in dieser Zeit eine Impfquote (Zahl der Impfungen der niedergelassenen Mediziner im Verhältnis zur Einwohnerzahl) von 16,3, die Duisburger von 17,5 Prozent, die Düsseldorfer von 18,5 Prozent – und die Mülheimer sogar ebenfalls 18,5 Prozent.

Hinter vorgehaltener Hand hört man aus dem Oberhausener Rathaus einigen Ärger darüber, dass sich ein relativ großer Teil der Ärzte noch nicht der Impfkampagne angeschlossen hat. Offiziell rüffeln will man die Ärzteschaft allerdings nicht – schließlich ist ganz Oberhausen auf die Einsatzkraft, das Organisationstalent und den Einsatzwillen der Ärzteschaft angewiesen. So loben die Verantwortlichen die impfenden Ärzte über den grünen Klee.

„Wir impfen wie die Weltmeister!“, versichert Dr. Peter Kaup. Stadtoberhaupt Schranz würdigt das Engagement: „In den Arztpraxen herrschen seit zwei Jahren Ausnahmezustände. Das sind große Belastungen für Ärzte und Mitarbeiter. Deshalb bedanke ich mich bei Ihnen sehr.“ Und Michael Jehn: „Ich bin ich sehr froh, dass viele Arztpraxen in unserer Stadt unermüdlich mit ihren Teams Impfungen durchführen. Dafür möchte ich mich bei den Praxisteams ganz herzlich bedanken. Ohne Ihre Arbeit würden mehr Menschen krank – und wohl auch sterben.“

Finanzieller Anreiz für Corona-Impfaktionen erhöht

Die Funktionäre der Arztpraxen in Deutschland, die obersten Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigungen, hatten in diesem Jahr immer wieder darauf gedrängt, dass eigentlich die niedergelassenen Ärzte zuständig für Impfaktionen sind. So richtig zufrieden waren die Mediziner nicht damit, dass die Kommunen mit Hilfe von Sozialorganisationen von Ende 2020 bis Ende September 2021 zentrale Impfzentren in NRW eingerichtet hatten.

Die Landesregierung hat erst vor einigen Wochen den finanziellen Anreiz für Kassenärzte erhöht, an Corona-Impfaktionen teilzunehmen. Statt einheitlich 20 Euro je Spritze gibt es nun 28 Euro pro Impfung, an Wochenenden sogar 36 Euro. Wie Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Oberhausener Ärztekammer, allerdings versichert, ist die Teilnahme an der Impfaktion für viele Ärzte keine Geld-, sondern eine Zeitfrage angesichts einer Vielzahl zu behandelnder Patienten in der Erkältungszeit. Zudem schrecke die überbordende Bürokratie mit viel Papier bei jeder gesetzten Impfspritze ab.