Oberhausen. Nur 34 von über 200 Arztpraxen in Oberhausen impfen derzeit gegen Corona. Ein Ärztesprecher regt an, zu einer ungewöhnlichen Maßnahme zu greifen,

Die sechs zusätzlichen Impfstellen, die die Stadt Oberhausen jetzt einrichtete, bedeuten für die Praxen vor Ort zwar eine deutliche Entlastung. Doch der Andrang bei den niedergelassenen Ärzten ist noch immer so groß, dass Patientinnen und Patienten oft sogar erst Corona-Auffrischungsimpfungen im April angeboten werden.

Dr. Stephan Becker, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, warnt: „Das ist zu spät, allein die Praxen müssen 1000 Impfungen pro Tag schaffen, sonst packen wir das nicht und die Lage hier wird übel.“ Der KV-Sprecher fordert seine Kollegen jetzt dazu auf, nur noch Notfälle zu behandeln und ansonsten ausschließlich zu impfen.

Umso mehr freute sich Becker über diese gute Nachricht: Von Mittwoch, 1. Dezember, bis einschließlich Mittwoch, 8. Dezember, steigt das Medizinische Versorgungszentrum RIO an der Mülheimer Straße 87 ebenfalls in die Auffrischungsimpfungen ein. Prof. Dr. Stefan Högerle und seine RIO-Partner beschlossen spontan, sofort auf den öffentlichen Hilferuf Beckers zu reagieren. Wie berichtet hatte der KV-Sprecher seine Kollegen in Oberhausen dringend gebeten, sich an den Corona-Impfungen zu beteiligen. „Denn wir saufen ab“, bringt Becker die Lage auf den Punkt. Bislang beteiligen sich von den insgesamt 226 Haus- und Fachärzten in der Stadt offiziell nur 34 – und nur 27 davon impfen auch praxisfremde Patientinnen und Patienten.

Högerle und seine Kollegen bestellten prompt 300 Dosen des mRNA-Impfstoffs von Moderna, mit dem auf Wunsch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun vorrangig geimpft werden soll. Die Dosen sollen zwischen dem 1. und dem 8. Dezember jeweils täglich (außer an den Wochenenden und am Freitag) von 12 bis 15.30 Uhr ausschließlich für Booster-Impfungen verwendet werden. Eine Terminvergabe ist nicht erforderlich. „Wir halten uns aber strikt an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission“, betont Högerle. Das bedeutet: „Alle unter 30 Jahren und Schwangere werden nicht mit Moderna geimpft.“

Seltene Nebenwirkungen bei Jüngeren und längere Wirksamkeit

Begründet wird dies von der Stiko mit den sehr seltenen Nebenwirkungen des Vakzins, bei dem es zu Entzündungen von Herzmuskel und Herzbeutel gekommen war. Betroffen waren vor allem junge Männer. In den meisten Fällen verliefen diese Erkrankungen mild. Doch vereinzelt war es auch zu Todesfällen gekommen. Wie der Südwestdeutsche Rundfunk berichtete, ist das Risiko einer Herzmuskelentzündung mit Moderna bei unter 30-jährigen vermutlich fünfmal höher als mit Biontech.

Impfaktion am RIO: Höchstens 50 Patienten pro Tag

Die Auffrischungsimpfungen am Medizinischen Versorgungszentrum RIO an der Mülheimer Straße 87 starten am Mittwoch, 1. Dezember, um 12 Uhr. Täglich können höchstens 50 Patienten geimpft werden. Ist die Schlange beim Eintreffen bereits länger, bitte am nächsten Tag einen Neuanlauf versuchen. Der Abstand zur Zweitimpfung muss mindestens fünf Monate betragen (bei Johnson & Johnson vier Wochen).Zur Impfung bitte unbedingt mitbringen: Impfausweis, Personalausweis und die bereits ausgefüllten Einwilligungs-, Anamnese- und Aufklärungsbögen. Die sind unter anderem auf der Seite des Robert-Koch-Instituts zu finden: www.rki.de

Bei über 30-Jährigen war dagegen weltweit keine auffällige Häufung dieser Nebenwirkungen aufgefallen. Generell trumpft der Impfstoff gerade bei Älteren und Vorerkrankten mit einer längeren Wirksamkeit. So zeigte eine schwedische Studie, die der Bayerische Rundfunk zuerst unter die Lupe genommen hatte: Der Moderna-Impfstoff schützte nach einem halben Jahr noch zu 59 Prozent vor einer Infektion mit Krankheitszeichen. Entsprechende Vergleichswerte von Biontech lagen bei 47 Prozent.

Auch Kreuzimpfungen sind problemlos möglich

„Auch eine Kreuzimpfung mit Moderna ist problemlos möglich“, betont Christopher Schneider. Der Sprecher der KV Nordrhein kennt die Bedenken vieler Tausender Impflinge, die etwa als Erstimpfung Astrazeneca, als Zweitimpfung Biontech erhalten hatten und nun mit Moderna geimpft werden sollen. Die Kombination verschiedener Impfstoffe sei in der Medizin ein gängiges Verfahren und erhöhe sogar die Wirksamkeit, hatte zuletzt auch Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe für Infektionsimmunologie und Impfstoff-Forschung der Charité in Berlin, bestätigt.

Insgesamt haben die niedergelassenen Ärzte in der dritten November-Woche 3870 Corona-Impfungen in Oberhausen durchgeführt. Stephan Becker: „Das ist viel zu wenig.“ 1000 pro Tag müssten allein die Praxen jetzt schaffen, damit sich die Stadt noch halbwegs gegen die vierte Corona-Welle stemmen und die drohende Überlastung der Krankenhäuser verhindern kann. Becker fordert seine Kollegen deshalb auf, sich in den Wochen bis Weihnachten – abgesehen von Notfällen – „nur auf die Impfungen zu konzentrieren“.