Oberhausen. Oberhausen hat zwar über 200 Arztpraxen, doch die wenigsten sind bisher an den Impfaktionen beteiligt. Dabei gibt es viel Geld zu verdienen.
Die Stadt Oberhausen und die Ärzteschaft beschleunigen in den nächsten Wochen die Impfaktionen für alle Bürger – doch schon jetzt ist der Andrang von Patienten, die eine dritte Impfung wünschen, riesengroß. Die obersten Ärztevertreter im Stadtgebiet bitten alle Bürger um Geduld und Solidarität – vor allem mit den älteren vulnerablen Gruppen, die aus gesundheitlichen Gründen als Erste die Booster-Impfung benötigen. Zum Glück hat der Oberhausener Krisenstab in den vergangenen Wochen erreicht, dass die Bewohner von Heimen nahezu vollständig bereits die dritte Impfung erhalten haben.
Nach Aussagen der Mediziner erleben die Praxen in diesen Tagen Bitteres. „Patienten treten richtig aggressiv auf, wollen sofort einen Termin. Die Politik hat Angst geschürt und die Menschen in Panik versetzt“, ärgert sich Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Oberhausener Ärztekammer. Allgemeinmediziner Dr. Stephan Becker bläst ins gleiche Horn: „Aussagen von Politikern haben die Leute verwirrt, einige haben jetzt Angst um ihr Leben, wollen die Booster-Impfung sofort.“ Beide sind überzeugt, dass die Politik im Sommer den größten Fehler der Pandemie gemacht hat: Sie hat zu schnell zu viel gelockert und den Menschen suggeriert, die Corona-Gefahr sei weitgehend vorbei.
Nach neuesten Studien lässt die Wirkung der Zweifach-Impfung bereits fünf Monate nach der zweiten Spritze nach, aber dieser Effekt sorgt zunächst nur dafür, dass Geimpfte sich ebenfalls vermehrt infizieren und das Virus verbreiten können. Der Schutz gegen eine schwere Erkrankung hält dagegen deutlich länger. Gleichwohl sind nach Schätzungen der Ärzteschaft bereits etwa ein Drittel der Corona-Krankenhaus-Patienten doppelt geimpft – es gibt aber auch viel mehr Geimpfte in der Bevölkerung als Ungeimpfte. Der Impfschutz bröckelt vor allem bei den Älteren schneller.
Angespannte Lage in den impfwilligen Praxen
Die Lage in den Praxen ist so angespannt, weil diese auch mit einer starken Zunahme ganz gewöhnlicher Infektionen zu kämpfen haben. Zudem gibt es in Oberhausen zu wenig Arztpraxen, die Impfaktionen überhaupt anbieten: Auf der Liste der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein stehen offiziell nur 33 Praxen, in Mülheim sind es 55. Nach Angaben von Kaup soll die Liste impfwilliger Ärzte in Oberhausen nicht vollständig sein.
Vier feste städtische Impfstellen
Die städtischen Impfstellen werden an folgenden Orten in vier Stadtbezirken eingerichtet: Osterfelder Markt, Montag bis Freitag von 11 bis 17 Uhr (Start: Dienstag, 23. November 2021), Centro-Parkhaus 8, Montag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr (Start: Mittwoch, 24. November 2021), Saporisha-Platz, Montag bis Freitag von 11 bis 17 Uhr (Start: Mittwoch, 1. Dezember 2021), Kleinstädter Bühne in Sterkrade, Finanzstraße 1, Montag bis Freitag von 11 bis 17 Uhr (Start: Montag, 22. November 2021).Oberhausener Bürger können nun bei der Stadt per Internetseite Termine ausmachen: https://termine.oberhausen.de. Die Terminverwaltung wird nach Angaben der Stadt allerdings am Sonntag, 21. November 2021, von 7 bis 14 Uhr aufgrund von Wartungsarbeiten nicht zur Verfügung stehen.
Oberhausen hat allerdings 116 Hausärzte und 110 Fachärzte. Zudem kommen noch die Zahnärzte, die bereits im Krisenstab angeboten haben, bei den Impfungen mitzuhelfen. Als Anreiz hat die Landesregierung sogar die Vergütung für die Impfung an die Ärzte deutlich erhöht: Statt einheitlich 20 Euro je Spritze gibt es nun 28 Euro pro Impfung, an Wochenenden sogar 36 Euro.
Rein rechnerisch müssten 150.000 Oberhausener in den nächsten Monaten, ein halbes Jahr nach ihrer zweiten Impfung, zum dritten Mal geimpft werden. „Vor Weihnachten schaffen wir das nicht“, räumt Dr. Becker ein. Deshalb sind die Ärzte froh, dass die Stadt nun auf fünf Plätzen im Stadtgebiet feste Impfstellen mit 1000 Impfterminen täglich anbietet. Hier kann man übrigens Termine machen: Terminverwaltung Stadt Oberhausen (krzn.de).
Dringender Appell an alle Arztpraxen: Bitte helft beim Impfen mit!
Zudem bittet Dr. Becker in Briefen alle Oberhausener Praxisinhaber darum, mitzuhelfen, die Impfzahlen nach oben zu bringen. „Es ist einfach notwendig, die Belastung auf mehr Praxen zu verteilen, nur so kommen wir schneller voran. Wir gehen auf dem Zahnfleisch, viele Praxen sind durch.“
Seine Empfehlung: Alle Praxen sollen zusätzlich an den kommenden Adventssamstagen impfen. „Wenn 30 Praxen pro Samstag je 50 Impfungen durchführen würden, wären das alleine 1500 Impfungen pro Woche mehr.“ Allerdings: Im Gegensatz zu anderen Impfungen ist der auszufüllende Berg an Corona-Formularen und -Dateneingaben so groß, dass viele Praxisinhaber vor dem Wust zurückschrecken. Und viele Ärzte haben mit ihrer Patientenschar auch ohne Impfung schon alle Hände voll zu tun.
Der Oberhausener Krisenstabsleiter Michael Jehn bedankt sich jedenfalls ausdrücklich bei den Impfärzten, schickt jedoch einen dringenden Appell an die Mediziner: „Die Praxen, die im Moment noch nicht impfen, bitte ich ganz herzlich zu überlegen, ob Impfen nicht doch für sie machbar ist. Je mehr Praxen mitmachen, desto besser, denn: Jede Impfung zählt!“
Ärztekammer-Kreisstellen-Chef Dr. Peter Kaup findet beruhigende Worte in der aufgewühlten Corona-Stimmung der Bevölkerung: „Wir impfen wie die Weltmeister! Wenn wir besonnen bleiben, wenn sich jüngere Menschen solidarisch verhalten, wie wir es im Ruhrgebiet gewohnt sind, dann wird alles gut, dann packen wir das.“