Oberhausen. Wer lange geimpft ist, fragt in Oberhausen häufiger nach Antikörper-Tests. Warum Impfarzt Dr. Becker die Nachweise nicht für erforderlich hält.

Immer mehr Oberhausenerinnen und Oberhausener, die bereits vor Monaten gegen das Coronavirus geimpft worden sind, wollen wissen, wie stark sie noch geschützt sind – und ob eine Drittimpfung für sie sinnvoll wäre. Nach Angaben von Dr. Stephan Becker, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Oberhausen und Ansprechpartner in der koordinierenden Covid-Impfeinheit, fragen Bürger deshalb immer häufiger nach den rund 20 Euro teurenAntikörper-Tests.

Ein großer Freund der Tests ist der Arzt allerdings nicht: „Ich hielte es für Unsinn, wenn nun massenweise Antikörper-Tests gemacht werden würden.“ Man sei gut darin beraten, sich bei Drittimpfungen und Antikörpernachweisen an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) und des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu halten.

RKI: Antikörper-Test helfen, um Infektion nachzuweisen – nicht um Schutz zu prüfen

Das RKI weist darauf hin, dass ein Antikörper­-Test „keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder zum Immunstatus“ zulasse. Das heißt: Ein solcher Test gibt keine deutliche Antwort darauf, wie gut die getestete Person auch nach einer Impfung tatsächlich geschützt ist.

Ob eine Booster-Impfung notwendig ist, lässt sich nach Auffassung des RKI mit den Tests also nicht klären: Niedrige Konzentrationen von Antikörpern bedeuten demnach noch nicht, dass jemand wirklich gefährdet ist. Hilfreich seien die Tests jedoch dabei, eine überstandene Corona-Infektion festzustellen – sogar bei Personen, die asymptomatisch waren, also keine Krankheitssymptome gezeigt haben.

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Die Stiko empfiehlt die Drittimpfung deshalb auch nicht etwa denjenigen, bei denen das Antikörper-Testergebnis auffällig war, sondern pauschal für manche Gruppen. „Im höheren Alter fällt die Immunantwort nach der Impfung insgesamt geringer aus und Impfdurchbrüche können häufiger auch zu einem schweren Krankheitsverlauf führen“, heißt es in den jüngst aktualisierten Impf-Empfehlungen. Deshalb wird die Drittimpfung vor allem Personen im Alter von über 70 Jahren sowie Menschen nahegelegt, die mit ihnen in Kontakt stehen – also Pflegepersonal und Bewohner in Alteneinrichtungen, auch wenn diese jünger sind.

Bestimmte Risiko-Patienten können sich unabhängig von Antikörper-Test ein drittes Mal impfen lassen

Dr. Stephan Becker war ärztlicher Leiter des Oberhausener Impfzentrums. Jetzt ist er Ansprechpartner vor Ort der koordinierenden Covid-Impfeinheit (KoCi).
Dr. Stephan Becker war ärztlicher Leiter des Oberhausener Impfzentrums. Jetzt ist er Ansprechpartner vor Ort der koordinierenden Covid-Impfeinheit (KoCi). © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auch manche Risikopatienten sollten demnach eine dritte Impfung erhalten. Denn die Stiko empfiehlt sie auch Menschen mit Immun-Defekten oder Erkrankungen, bei denen das Immunsystem durch Medikamente beeinträchtigt wird.

Stephan Becker erlebt, dass viele vorerkrankte Patienten, die bei ihm einen Antikörper-Test verlangen, ohnehin eine Drittimpfung erhalten können. „Manche von ihnen – zum Beispiel der immungeschwächte Organempfänger – würde ohnehin immer eine geringe Zahl an Antikörper aufweisen, da würde auch eine vierte oder fünfte Impfung nicht viel ändern.“ Ein Antikörper-Test, glaubt Becker, könne dann nur verunsichern und irritieren.

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„Vielmehr als über Antikörper-Tests sollten wir deswegen wieder über Erstimpfungen nachdenken“, meint der Arzt. Hier gebe es weiterhin enorm viel zu tun: 144.311 Erstimpfungen und 133.871 Zweitimpfungen wurden in Oberhausen durch niedergelassene Ärzte, im inzwischen geschlossenen Impfzentrum oder durch das mobile Impfteam verabreicht. Geht man davon aus, dass es sich dabei vor allem auch um Oberhausener Bürgerinnen und Bürger handelt, sind lediglich 68,5 Prozent der Stadtbevölkerung mindestens einmal geimpft,63,5 Prozent haben den vollständigen Schutz. In NRW liegt die Impfquote bei 73,1 Prozent (mindestens einmal Geimpfte) bzw. 68,7 Prozent (vollständig Geimpfte). Mehr Dosen pro 100.000 Einwohner wurden bislang nur in Bremen, im Saarland und Schleswig-Holstein verimpft.

KV-Vorsitzender: Vor allem in muslimischen Communities Überzeugungsarbeit leisten

Becker ist der Ansicht, dass weiterhin vor allem im muslimisch-geprägten Teil der Bevölkerung Überzeugungsarbeit geleistet werden müsse. Er höre weiterhin häufig, zuletzt beispielsweise von einer Kurdin aus dem Irak, dass sie sich nicht habe impfen lassen wollen aus Angst, unfruchtbar zu werden. „Das ist weiterhin ein weit verbreiteter Irrglaube“, sagt Becker. „Im Gegensatz zum militanten Impfgegner bekommt man die unsicheren und verängstigten muslimischen Bürger aber sicher noch – wenn man Imame als Multiplikator nutzt oder sie mit einer anderen Vertrauensperson anspricht.“ Hier, glaubt Becker, müsse in den nächsten Wochen in der Impfkampagne der Fokus liegen.

Drittimpfungen in stationären Einrichtungen

Der Oberhausener Krisenstab hat nach Angaben von Dr. Stephan Becker bereits 83 stationäre Einrichtungen kontaktiert, von denen mittlerweile bereits 78 Einrichtungen Termine für die Drittimpfungen ihres Personals, ihrer Bewohner und Patienten vereinbart haben. „Unser Ziel ist es, dass bis Ende Oktober die Termine in allen Einrichtungen stehen.“

Bis dahin, so schätzt Dr. Stephan Becker, würden die meisten Häuser die Drittimpfungen gegen das Coronavirus aber schon abgeschlossen haben.