Oberhausen/Mülheim. In seinem Pilates-Kurs ist Mülheimer Thomas Schürmann der Hahn im Korb. Er und seine Oberhausener Trainerin finden: Das ist keine Frauensache.
Wenn Thomas Schürmann seine Freunde und Bekannten fragt, ob sie nicht mal zum Pilates-Kurs mitkommen wollen, lassen die Ausreden nicht lange auf sich warten. „Die sagen dann: Ich gehe lieber in die Muckibude!“ Klar, Hantelbänke passen ja auch viel besser zu Kerlen - oder?
Schürmann ist der einzige Mann in seinem Pilates-Kurs – und er kann diesen Klischees nichts abgewinnen. „Das interessiert mich überhaupt nicht.“ Schließlich habe der Erfinder des Ganzkörpertrainings, der Deutsche Joseph Hubertus Pilates (1883-1967), das Training sogar ursprünglich für Soldaten konzipiert. „Dann aber wanderte er in die USA aus und ist mit seinem Konzept am Broadway in der Tanz-Szene gelandet“, weiß Schürmanns Trainerin Anna-Maria Breil. „Dort ist Pilates dann sehr beliebt geworden, aber die Männer haben den Anschluss verloren“, sagt die Oberhausenerin. Die Folge: „Heute sind Männer sogar eher dazu zu bringen, Yoga zu machen als mal in eine Pilates-Stunde zu kommen.“
Mülheimer sagt: „Meine Beschwerden wurden durch Pilates geheilt“
Thomas Schürmann findet: Da verpassen sie eine Menge. Aber auch er leistete lange Widerstand, dachte jahrelang, dass die Wege mit dem Rad zu seiner Arztpraxis in Essen für die Fitness ausreichen würden. „Aber als ich pensioniert war, verdonnerte mich meine Frau dann, mitzukommen“, erzählt der 68-Jährige. Er habe immer mehr Probleme gehabt, seine Beine zu strecken, „die Sehnenverkürzungen haben angefangen“. Und dann bekam er ständig diesen Schwankschwindel, zum Beispiel beim Autofahren. „Durch Pilates ist das aber alles verschwunden“, sagt er.
Denn hier geht es um die Ganzkörperfitness. „Wir wollen die Beweglichkeit erhalten“, sagt Trainerin Breil. Dafür trainiert die 44-Jährige ihre Kursteilnehmer barfuß mit ruhiger Musik, zu 95 Prozent nur mit dem eigenen Körper. Das Training umfasst Kraftübungen, Balance und Stretching, geht in die Beckenboden-, Bauch- oder Rückenmuskeln. „Wir fangen mit der Halswirbelsäule an und arbeiten uns bis zu den Füßen vor“, sagt Breil. Das Ergebnis: nichts für Gepose vor dem Spiegel, vielmehr ein Wohlgefühl für den Alltag. „Wir stärken die Tiefenmuskulatur, nicht die großen Muskeln, die man sofort sieht.“
„Pilates gibt mir die Kraft, so viele Dinge zu tun“
Anna-Maria Breil spricht nicht schon ihr ganzes Erwachsenenleben so überzeugt von Pilates. Auch sie dachte bis in ihre Mittdreißiger: „Das ist doch kein richtiger Sport!“ Als angestellte Account-Managerin saß sie den ganzen Tag vor dem Schreibtisch oder für den Außendienst im Auto – und ging dann nach Feierabend 15 lange Kilometer laufen. Erst nur sitzen, dann völlig auspowern: „Mein Körper ist nur gefordert gewesen.“ Die Konsequenz: ein Bandscheibenvorfall.
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„Ich habe mich aus dem Bandscheibenvorfall dann mit Pilates rehabilitiert“, behauptet Breil. Aber nicht nur das: Der schonende Sport wurde zum Grundfundament ihres Unternehmertums. Die gebürtige Leipzigerin hat zwar weiterhin noch ihre Vollzeit-Stelle, gibt aber neben den Pilates-Kursen auch Ernährungscoaching oder schreibt Bücher über Selbstmarketing. „Auch wenn es abgedroschen klingt: Pilates gibt mir tatsächlich die Kraft, so viele Dinge zu tun.“
Pilates-Trainerin ist „im Klinsch“ mit vielen Orthopäden
Online-Kurs: Ohne Verspannung
Anna-Maria Breil hat noch Platz in ihren Pilates-Kursen, die sowohl online als auch in Präsenz durchgeführt werden.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer treffen sich einmal die Woche im Vereinsheim am Wenderfeld 81 in Mülheim.
Infos und Anmeldung unter www.annamariabreil.de.
Breil gibt auch Webinare zum Thema „Ohne Verspannungen durch den Alltag“. Der nächste Online-Kurs startet am 10. Oktober.
Allgemeinmediziner Thomas Schürmann kann an der Selbsttherapie durch den Sport schon mal nichts falsch finden. Er sieht die Ergebnisse bei sich selbst – und kann auch verstehen, dass sich seine Trainerin „gerne mal mit Orthopäden anlegt“, wie sie es selbst formuliert. „Ich bin im großen Klinsch mit vielen“, sagt sie. In den orthopädischen Praxen werde viel zu oft auf die Tablette oder Spritze zurückgegriffen. Breil findet, man müsse vielmehr an moderaten Sport und Bewegung denken. „Ich habe als Pilates-Coach natürlich weder das Recht oder die Macht einem Mediziner zu widersprechen – aber ich wünschte mir, die Menschen würden mehr auf ihren Körper hören und schauen, was ihnen wirklich guttut."