Gelsenkirchen. Ein deftiger Spaß mit Tiefgang: Carsten Kirchmeier bringt für Gelsenkirchens Musiktheater im Revier das Musical „Avenue Q“ auf die Bühne.

Mit einem schrillen, frech-fröhlichen und lauten Spektakel startete Gelsenkirchen nach der leisen Spielzeiteröffnung im sakralen Raum nun im Großen Haus des Musiktheaters im Revier spritzig und witzig in die neue Spielzeit. Im Broadway-Musical „Avenue Q“ versammeln sich die bettelarmen Verlierer der Gesellschaft in einem abgerockten New Yorker Bezirk, der sich am Ende als kleines Paradies voller liebenswerter Typen entpuppt. Heile Welt in der Hölle: In der temporeichen Inszenierung von Carsten Kirchmeier gelingt ein charmanter, deftiger Spaß mit Tiefgang und Ironie, vom Publikum einhellig umjubelt.

Ein Werk der Komponisten Robert Lopez und Jeff Marx sowie des Texters Jeff Whitty

Im Gewand des scheinbar leichtfüßigen Unterhaltungsgenres kommen tiefgreifende gesellschaftliche Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit, Rassismus oder Homophobie auf die Bühne. Die Komponisten Robert Lopez und Jeff Marx sowie Texter Jeff Whitty konzipierten das 2003 uraufgeführte, mehrfach preisgekrönte Musical für Schauspieler und Handpuppen, ein Stück wie gemacht für das Musiktheater, das seit kurzem auch eine hochkarätige Puppenspielsparte etabliert hat.

In „Avenue Q“ treffen in überraschender Harmonie drei glänzend besetzte menschliche Charaktere auf jede Menge virtuos geführte Stofffiguren, die soeben der „Sesamstraße“ oder der „Muppet-Show“ entsprungen zu sein scheinen. Zum Leben erweckt werden sie von schwarz gekleideten Spielerinnen und Spielern, die immer sichtbar sind und dennoch den Puppenpersönlichkeiten aus der Werkstatt von Birger Laube eine frappierend eigenständige Präsenz verleihen.

Die Bühne von Beata Kornatowska zeigt eine altmodisch-triste, amerikanische Häuserzeile, die Einblicke in Fenster und Zimmer gewährt. In weiter Ferne die Skyline von New York, Stadt der Träume, die in der „Avenue Q“ längst wie Seifenblasen zerplatzt sind. Studienabgänger Princton (Nicolai Schwab) zum Beispiel sucht verzweifelt nach billiger Wohnung und wahrer Lebensbestimmung, Möchtergern-Comedian Brian (Sebastian Schiller) plagt die Arbeitslosigkeit, während sich seine zukünftige Gattin Christmas Eve (Lanie Sumalinog wunderbar ironisch als Klischee-Asiatin) als Pseudo-Therapeutin verdingt. Selbst der einstige „Kevin allein zu Haus“-Kinderstar Macaulay Culkin ist in der Straße der Loser angekommen und nur noch ein Dreck kehrender Hausmeister (herrlich frustriert Merten Schroedter).

Unter der musikalischen Leitung von Heribert Feckler zündet die Band ein Feuerwerk

Charlotte Katzner brilliert in der Doppelrolle der verruchten Schlampe Lucy und der braven, sich nach Liebe sehnenden Kate Monster, Daniel Jeroma gibt das zottelige Trekkie Monster, das nicht nach Keksen, sondern nach Pornos lechzt. An Ernie und Bert erinnern Nicky und Rod (Jeroma/Schwab), die sich nicht trauen, sich und ihre Liebe zu outen. Gloria Iberl-Thieme führt die Puppe der strengen Lavinia Semmelmöse.

Der Humor dieser schrägen Gesellschaft ist prall, ruppig und provokant. Vor allem die Puppen dürfen munter politisch unkorrekt sein, gar wilden Sex am offenen Fenster treiben.

Witz und Ironie spiegeln sich auch in der swingenden Musik mit ihren Ohrwurm-Qualitäten wider („Jeder ist ein bisschen rassistisch“). Unter der musikalischen Leitung von Heribert Feckler zündet die Band ein Feuerwerk aus rockigen und jazzigen Nummern, aus leichten Popballaden und schnulzigen Romanzen.

Auch wenn im zweiten Teil der Esprit durch Längen ein wenig verloren geht: Im versöhnlichen Finale kommen alle Figuren ihren Träumen endlich ein wenig näher.

Nach harten Pandemie-Einschränkungen der letzten Monate ein gelungen leichter, unterhaltsamer und vor allem optimistischer Neueinstieg auf der Musiktheaterbühne.

Das Musical „Avenue Q“ ist noch bis zum 10. März elf Mal im Musiktheater im Revier zu erleben. Karten: 0209 4097200. Weitere Infos: www.musiktheater-im-revier.de