Der Arzt Peter Weih setzt auf orthopädische Vorsorge. Mit dem Zusammenspiel herkömmlicher und alternativer Medizin macht er gute Erfahrungen.

  • 40 Prozent der Patienten kommen wegen des Rückens, 40 Prozent wegen Arthrose
  • Bei Kindern sollte man auf einen geraden Rücken achten und auch auf die Füße schauen
  • Eine Operation sollte bei orthopädischen Problemen immer die letzte Option sein

Über die Vorzüge von Naturheilkunde und Früherkennung klärt der Orthopäde Dr. Peter Weih in seiner innerstädtischen Praxis wie auch in YouTube-Clips auf. Drei Viertel seiner neuen Patienten komme über das Netz, verrät der gebürtige Nordfriese. Ein Gespräch über die Sprechstunden der Zukunft und das Volksleiden Rückenschmerzen. Wie viel Prozent ihrer Patienten kommen inzwischen wegen Rückenproblemen?

40 Prozent der Patienten kommen wegen des Rückens, 40 Prozent wegen Arthrose - aber da geht es auch oft um den Rücken. Häufig tritt der Verschleiß an Wirbelgelenken des Rückens auf. Die restlichen 20 Prozent der Patienten kommen wegen Sehnenschmerzen, Muskelfaserrissen oder Sportverletzungen.
Entstehen viele der Probleme bereits im Kindesalter?

Auf alle Fälle. Heute wird bei den Kindern sehr auf gerade Zähne geachtet. Genauso sollte man auf einen geraden Rücken achten - und da lohnt es schon auf die Füße zu schauen. Kinder von heute haben häufig schwache Fußmuskeln, weil sie kaum barfuß laufen und wenig Sport treiben. Deswegen schreiben wir für sie oft aktive Einlagen auf, welche die Fußmuskeln fördern. Das Signal geht dann von den Füßen über den Rücken ins Gehirn und wieder zurück – ein Kreislauf.

Auch Probleme birgt das heute viel frühere und schnelle Wachstum. Die Mädchen bekommen ihre Menarche ja teilweise schon mit elf Jahren.

Vor dem Fitness-Studio zum Orthopäden

Der Fitnessstudio-Boom ist anhaltend. Machen sich viele junge Leute auch beim Krafttraining etwas kaputt?

Der Körperkult wird immer mehr, aber jeder sollte einmal zum Orthopäden gehen, bevor er mit dem Krafttraining beginnt. Vor allem sollte man nicht zu früh mit starken Gewichten arbeiten. Gerade im Wachstum gilt: weniger Freihanteln, lieber gezielt an Geräten trainieren. In viel zu vielen Fitnessstudios wird nicht gut genug kontrolliert. Sie haben RWE-Topmanager in der Behandlung. Bräuchte der normale Büroangestellte nicht die gleiche orthopädische Vorsorge wie ein Topmanager?
Es gibt bei Unternehmen wie RWE betriebliche Check-Ups. Da steht vom Hausmeister bis zum Manager jedem frei, ob er hingehen möchte. Nur darf ich beim normalen Kassenpatienten ausschließlich behandeln, was wirklich wehtut. Wenn ein Kassenpatient mit Schulterschmerzen kommt und fragt, ob ich auch einen Blick aufs Knie werfen könne, darf ich nur die Schulter behandeln. Wir haben deswegen einen sogenannten TÜV bei uns eingeführt. Die Kosten muss man selbst tragen, dafür kann man sich – wie wir im Norden sagen - von Hacke bis Nacke durchchecken lassen. Dr. Peter Weih setzt auf Früherkennung. Foto: Michael Dahlke Sollte die orthopädische Vorsorge von den Krankenkassen also mehr unterstützt werden?

Je früher Sie zum Beispiel eine Skoliose erkennen, desto mehr kann man die Wirbelsäule wieder geradebiegen. Nur leider ist die Vorsorge nicht von der Politik gewollt. Loben muss man die Krankenkassen dagegen bei chronischen Kniegelenks- und Rückenbeschwerden, die über ein halbes Jahr nicht erfolgreich behandelt werden konnten. Dann werden zehn bis 15 Einheiten Akupunktur übernommen. Dabei haben wir sehr gute Erfolge. Naturheilverfahren wie Akupunktur sind einer Ihrer Schwerpunkte. Wo sieht die Schulmedizin im Vergleich zu der Naturmedizin schwach aus?

Cortison etwa kann ich nicht ständig spritzen, weil dann Knorpelknochen kaputt gehen. Dann bieten sich natürliche Mittel wie Hyaluronsäure oder körpereigene Stoffe an. Im Blut gibt es Stoffe, die Entzündungen hemmen oder fördern. Man kann die guten Stoffe isolieren und wieder zurückgeben. Das wirkt wie Cortison - ohne die Nebenwirkungen. Letztendlich würde ich weder nur auf Schulmedizin oder allein auf Naturheilung setzen. Es geht um eine Synergie aus beidem. Allerdings: wenn ein Verschleiß zu groß ist, muss man auch über eine Operation nachdenken.

Die Zukunft bringt Videosprechstunden

In welchen Fällen warnen Sie besonders häufig vor Operationen?

Es wird nicht so viel operiert wie immer gesagt wird. Aber man darf schon erstaunt sein, was man mit Geduld und dem Zusammenspiel aus Schulmedizin und Naturheilkunde alles erreichen kann. Viele Patienten, bei denen eine Operation anstand, konnten den Eingriff so vermeiden.

Eine OP sollte immer die letzte Option sein. Falls sie nötig ist, sollte man jeden Schritt eng mit dem Operateur abklären. Zwischen den Kollegen in Mülheim gibt es da aber kein Kompetenzgerangel. Die Vernetzung läuft hier gut.

Arzt-Patient-Gespräch auf Augenhöhe

In Foren und Ratgebern im Internet wimmelt es von laienhaften Diagnosen. Sie klären auch in YouTube-Videos auf. Ein Versuch, dem gefährlichen Halbwissen im Netz etwas entgegenzusetzen?

Viele Patienten kommen informierter in die Sprechstunden als früher. Wenn ich als Arzt anderer Meinung bin als sie, muss ich gute Argumente liefern. Die Zeiten der Halbgötter in Weiß sind vorbei, die Gespräche müssen heute auf Augenhöhe ablaufen – auch wenn diese bald vornehmlich digital stattfinden dürften. Die Sprechstunden werden meiner Ansicht nach in zehn Jahren zu einem Drittel digitalisiert sein. Auch wir werden bald Videosprechstunden anbieten. Die ersetzen keine Untersuchung, aber man kann durch ein alleiniges Gespräch oft schon abschätzen, was der Patient zur Verbesserung seiner Situation tun kann.