Oberhausen. Wo sacken die Parteien besonders ab? Wer konnte viele Briefwähler überzeugen? Acht wichtige Erkenntnisse zum Oberhausener Bundestagswahlergebnis.

Auf die Wahlnacht folgt die genaue Analyse: Welche Entwicklungen zeigen sich in den Oberhausener Wahlbezirken? Welche möglichen Erklärungen gibt es für das Wahlverhalten? Und welche Unterschiede gibt es bei Brief- und Urnenwählern? Acht Beobachtungen zum Ergebnis in Oberhausen.

1. Wer insgesamt gewinnt oder verliert, tut dies auch in den einzelnen Bezirken

Mit Ausnahme von Lirich-Nord, wo sie einen Prozentpunkt verliert, gewinnt die SPD in allen Wahlbezirken hinzu. Die gleiche Entwicklung zeigt sich bei den Grünen, die überall deutlich zulegen. In ausnahmslos jedem Wahlbezirk Stimmen verloren haben dagegen die CDU, die Linke und die AfD. Nur bei der FDP ist die Entwicklungen etwas durchmischter: Die Liberalen büßen in 22 Wahlbezirken an Stimmen ein, in den restlichen sieben Bezirken gewinnen sie leicht hinzu.

2. Anhänger der großen Parteien wählen per Brief - AfD-Sympathisanten kaum

Die Statistiker im Rathaus haben Urnenwahl und Briefwahl verglichen und die Ergebnisse in der offiziellen Wahlanalyse der Stadt aufgeführt. Dabei zeigt sich, dass die Zustimmung für SPD, CDU und Grüne unter den Briefwählern größer war als bei den Urnenwählern. Zum Beispiel stimmten 34,7 Prozent der Urnengänger für die SPD, während es 39,1 Prozent der Vorabwähler taten. FDP, Linke und AfD konnten dagegen an der Urne noch einmal punkten. Besonders bei der AfD ist die Differenz auffällig: 12,5 Prozent der Urnenwähler gaben der AfD ihre Stimme, aber nur 6,3 Prozent der Briefwähler. Wohl kein Zufall: Die AfD hatte während des Wahlkampfes Stimmung gegen die Briefwahl gemacht und schürte Ängste vor Wahlbetrug. [Lesen Sie auch: Oberhausen: Viel Rabatz um gering besuchte AfD-Wahltour]

3. CDU und Linke haben keine wirkliche Hochburg mehr

Die CDU kommt in keinem Wahlbezirk mehr über 30 Prozent. Aber nicht nur das: Dort, wo die Schwarzen 2017 noch die 30-Prozent-Marke knackten, müssen sie dieses Mal besonders einstecken: 33,5 Prozent holten sie vor vier Jahren in Königshardt, 34,2 Prozent in Sterkrade-Nord. In beiden Wahlbezirken verlieren sie nun deutlich: in Königshardt 6,3, in Sterkrade-Nord sogar acht Prozent. Auf der Gegenseite stehen die Linken, die in keinem einzigen Wahlbezirk mehr zweistellig sind. 2017 hatte die Partei das noch in Brücktor (12 Prozent), Lirich-Süd (11,1), Stadtmitte-Nord (12,7) und Stadtmitte-Süd (10,8) geschafft.

4. Die sozialen Strukturen beeinflussen das Wahlergebnis

Die AfD kann wieder einmal in den Stadtteilen punkten, in denen viele unterstützungsbedürftige Oberhausener auf engerem Raum leben. In Lirich-Nord etwa erreicht die AfD bereits bei der Bundestagswahl 2017 mit 18,4 Prozent ihr bestes Ergebnis. Nun verliert sie auch hier etwa 1,7 Prozentpunkte, kann den Bezirk aber als ihre Hochburg halten. Die FDP wiederum, die auch Top-Verdienern mit ihrem Programm Entlastung verspricht, kann im gut situierten Königshardt, trotz eines leichten Verlusts (minus 0,7) ihr bestes Ergebnis in Oberhausen einfahren. [Lesen Sie auch: Lirich-Nord: Zu Besuch in Oberhausens AfD-Hochburg]

5. Die Grünen siegen dort, wo die Linken absacken und die CDU schwächelt

Gewinne für die Grünen ergeben sich insbesondere in jenen Wahlbezirken, in denen die Linke die größten Verluste hinnehmen muss. Beispielhaft dafür steht Stadtmitte-Nord: Die Grünen wachsen hier um 10,9 Prozentpunkte, die Linken schrumpfen um 7,1. Das ist ein Zeichen dafür, dass viele Linkswähler dieses Mal die Grünen stärken wollten. Auffällig ist auch, dass sich die Grünen dort besonders über Zugewinne freuen können, wo normalerweise viele Menschen CDU wählen – etwa in Königshardt oder Sterkrade-Nord. Hier gewinnen die Grünen deutlich an Zustimmung, während die CDU absackt. Übrigens: In Brücktor, wo die CDU ihr schlechtestes Ergebnis einfuhr (15,8 Prozent), ist sie fast gleichauf mit den Grünen (15,3 Prozent).

6. Die AfD ist dort stark, wo die Wahlbeteiligung niedrig ist

Die Wahlbeteiligung unterscheidet sich in den einzelnen Wahlbezirken in Oberhausen wieder sehr stark: In Sterkrade-Nord (84,5 Prozent) und Königshardt (83,8) liegt sie am höchsten, in Stadtmitte-Süd (58,1) und Lirich-Süd (59,3) ist sie am niedrigsten. Profiteur der geringen Wahlbeteiligung ist offenbar die AfD: Ihre stärksten Ergebnisse hat die Rechtsaußen-Partei dort, wo die Wahlbeteiligung unter dem Oberhausener Schnitt von 71,8 Prozent liegt. In Lirich-Süd kommt sie zum Beispiel auf ihr drittbestes Ergebnis (12 Prozent) – während sie in Sterkrade Nord, wo die meisten Oberhausener ihre Bürgerpflicht erfüllt haben, mit 4,9 ihr schlechtestes Ergebnis einfährt.

7. Stadtzentrum und Land: Grüne punkten bei den Gegensätzen

Die Grünen gelten sowohl als Partei einer bildungspolitischen Elite wie auch der urbanen Zentren. Beides schlägt sich auch in Oberhausen nieder: In Stadtmitte-Nord können sie ihr Ergebnis aus 2017 beinahe verdreifachen, landen bei 17,2 Prozent und kommen damit der CDU (19,2 Prozent) ziemlich nahe. Gleichzeitig konnten die Grünen auch viele Königshardter überzeugen und steigern sich im finanzkräftigeren Norden um 8,7 Prozentpunkte. In der strukturschwachen AfD-Hochburg Lirich schneiden die Grünen schwach ab: Mit 8,6 Prozent haben sie hier ihr schlechtestes Ergebnis verkraften müssen.

8. Der Persönlichkeitsfaktor spielt eine geringe Rolle

Selbst ein Stadtprominenter wie Hajo Sommers, der als Direktkandidat der Satirepartei „Die Partei“ 5,1 Prozent der Erststimmen ergatterte, konnte den Zweitstimmenanteil für die Satire-Partei nicht wesentlich über das bundesweite Ergebnis von rund 1,2 Prozent heben. Dennoch ist der Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme bei „der Partei“ noch am höchsten: Sie kommt in Oberhausen auf 1,6 Prozent, erreicht also 3,5 Prozentpunkte weniger als ihr Direktkandidat. Ansonsten ist der sogenannte Erststimmenüberschuss in Oberhausen überschaubar. Ein Beispiel: Für Marie-Luise Dött stimmten lediglich 997 mehr Oberhausener als für die Landesliste der CDU. Eine Deutung für diese Zahlen: Nicht die lokalen Köpfe bestimmen die Ergebnisse, sondern die Partei und der Bundestrend.

Briefwahlrekord in Oberhausen

45,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Oberhausen haben bei der Bundestagswahl 2021 von der Briefwahl Gebrauch gemacht: Absolut gab es 48.273 Briefwähler. Dies sind insgesamt 18.034 Briefwähler mehr als noch im Jahr 2017. Für Oberhausen ist das ein Rekord: Der höchste Briefwahl-Anteil seit es die Briefwahl-Möglichkeit gibt.

Zwischen ausgestellten Wahlscheinen und abgegebenen Briefwahlstimmen ergibt sich eine Differenz von 2264. Die Wahlbeteiligung bei den Briefwählern beträgt damit 95,5 Prozent.