Oberhausen. Prostituierte in Oberhausen verdienen pro Freier 15 bis 20 Euro. Nun sollen sie auch noch für Coronatests zahlen – die nicht mal anerkannt sind.

Auch wenn sich gerade die Lobby der Bordellbesitzer lautstark darüber beschwert, dass für sexuelle Dienstleistungen neuerdings ein PCR-Test für Freier vonnöten ist: Es sind die sich prostituierenden Frauen, in Oberhausen rund 100 an der Zahl, die seit Beginn der Corona-Pandemie zu den großen Verliererinnen gehören. Die Frauen, die zum allergrößten Teil aus Bulgarien und Rumänien stammen, leiden laut Informationen der Beratungsstelle Solwodi verstärkt an finanzieller Not und den Repressalien ihrer Freier. Die Hygienevorgaben und Schließungen der Bordelle drängten sie laut Solwodi-Leiterin Petra Jochheim noch weiter in Existenznot – und dazu, illegal ihre Dienste anzubieten. Nachdem sie ihre Zimmer an der Flaßhofstraße wieder bezogen hatten, setzten ihnen auch noch die Bordellbesitzer mit eigenmächtig erteilten Corona-Vorschriften zu, berichtet Petra Jochheim.

„Sie verlangen von den Frauen, dass sie kostenpflichtige Tests direkt bei ihnen im Haus machen.“ 15 Euro würden dafür kassiert, alle zwei Tage. „Das ist viel Geld für die Frauen“, sagt Juristin und Streetworkerin Jochheim. Etwa 180 Euro pro Tag mussten die Prostituierten vor der Pandemie an Miete und Verpflegung für ein Zimmer in der Flaßhofstraße zahlen – pro Freier erhalten sie gerade einmal 15 bis 20 Euro. Nun wurden die Mieten erhöht, wegen des Einsatzes von Desinfektionsmitteln, so heißt es, und kostenlose Tests, die in Bürgertestzentren und Apotheken angeboten werden, akzeptierten die Bordellbesitzer nicht. „Die Frauen werden richtig abgezockt“, sagt Petra Jochheim, die schon seit Jahren die Not der häufig unter Zwang prostituierten Frauen kennt. Noch dazu seien die Tests nicht offiziell anerkannt, im Falle einer Überprüfung würden die Prostituierten Probleme bekommen.

Markus H., Besitzer eines der Häuser an der Flaßhofstraße, weist den Vorwurf von sich. „In meinem Haus ist das nicht so“, sagt er auf Nachfrage unserer Redaktion. Ihm sei egal, wo die Frauen sich testen lassen – „Hauptsache sie machen es alle zwei Tage.“ Auch beim „Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD)“ schreibt eine Sprecherin auf Anfrage, dass eine solche Praxis nicht bekannt sei. Der Verein, zu dessen Zielen es laut Homepage gehört, „die Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter*innen zu verbessern und über die unterschiedlichen Aspekte von Prostitution zu informieren“, hat 600 Mitglieder, zehn Prozent davon sind Betreiber von Bordellen.

Neues Online-Portal bündelt Hilfsangebote

Anfang September ist ein neues Online-Portal an den Start gegangen: www.cara.nrw. Hier finden Prostituierte in neun Sprachen anonym Informationen über Themen wie Gesundheit, Finanzen, Wohnen, Recht und Arbeit. Auch eine neu geschaffene Landeskoordinierungsstelle ist über dieses Portal zu erreichen. Sie soll vor allem die persönliche Erstinformation und die Beratung für Prostituierte übernehmen und eine Brücke zu bereits vorhandenen Hilfsangeboten schlagen.

Die Oberhausener Beratungsstelle Solwodi („Solidariity with Women in Distress – Solidarität mit Frauen in Not“) ist nicht unter den verlinkten Hilfsangeboten des Online-Portals. Petra Jochheim vermutet, dass dies daran liegt, dass Solwodi kein Fördergeld vom Land erhält. Sie will sich jedoch beim zuständigen Ministerium darüber erkundigen, ob eine Aufnahme in die Liste möglich ist.

Gesellschaftliches Umdenkenist gefordert

Petra Jochheim arbeitet sowohl als Anwältin in Essen als auch als Streetworkerin für den Hilfsverein Solwodi in Oberhausen.
Petra Jochheim arbeitet sowohl als Anwältin in Essen als auch als Streetworkerin für den Hilfsverein Solwodi in Oberhausen. © Foto: Jochheim

Dabei geht es laut Petra Jochheim nicht allein um höhere Mieten oder 15 Euro für Tests. Für sie hat die Pandemie noch einmal deutlich gezeigt, unter welchen Bedingungen Frauen im Rotlichtmilieu leben und arbeiten. Weshalb es nur eine einzige Schlussfolgerung geben könne: „Es muss gesetzlich klargestellt werden, dass es nicht in Ordnung ist, sich den Körper einer Frau für die persönliche Befriedigung zu kaufen.“ Nur so könne es auch ein gesellschaftliches Umdenken geben.

Damit widerspricht die Szene-Kennerin der Haltung des Landes NRW, dessen Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach bei der Vorstellung eines neuen Online-Hilfsportals (www.cara.nrw) erneut ihre Haltung bekräftigt hat, dass ein Sexkaufverbot den Frauen nichts bringe: Sie seien dann Gefährdungen ausgesetzt und unerreichbar für Beratung.

„Diese Diskussion ist lachhaft“, sagt Petra Jochheim. „Und sie wird immer nur von denen geführt, die noch nie abends ein Bordell besucht haben.“ Ein solches Etablissement sei „kein Kindergarten und keine Kuschelecke“. Man müsse mal hingucken, wer solche Häuser betreibe. „Das sind bestehende Strukturen, die sich abschotten – nicht umsonst gab es da gerade wieder eine Razzia. Dem sind die Frauen schutzlos ausgeliefert.“ Das Argument, dass die Prostitution ohne Bordelle ins Dunkelfeld abwandere, lässt sie nicht gelten: „Das reicht nicht dazu aus, um alles so zu lassen, wie es ist.“