Duisburg/Essen/Mülheim/Oberhausen. In Duisburg, Essen, Mülheim und Oberhausen gab es am Donnerstag Razzien gegen die Hells Angels. Es ging auch um den Mord an Rocker Kai M. 2014.
- Bei einer Groß-Razzia in neun NRW-Städten hat die Polizei mehrere Objekte der Hells Angels durchsucht.
- Zwei Haftbefehle wurden vollstreckt und fünf weitere Rocker festgenommen. Zwei weitere werden international gesucht.
- Einer der Gesuchten soll Chef der Rockergruppe in Oberhausen sein.
- Hintergrund sind Ermittlungen im Mordfall Kai M., dessen tätowierter Arm 2014 im Rhein in Duisburg gefunden worden war.
Mit einem Großaufgebot hat die Polizei am Donnerstagmorgen in neun NRW-Städten Razzien gegen die Rockergruppe Hells Angels durchgeführt – unter anderem in Wohnungen, Gefängniszellen und einem Vereinsheim. Zwei Männer wurden festgenommen, da Haftbefehle gegen sie vorlagen. Fünf weitere wurden festgenommen, nach zwei weiteren werde international gefahndet, teilte die Polizei mit.
Durchsucht wurden mehrere Objekte der Hells Angels in Duisburg, Essen, Mülheim/Ruhr und Oberhausen. Hintergrund sind Mord-Ermittlungen, berichtete die Polizei. Bei den Razzien waren 900 Einsatzkräfte beteiligt – auch Spezialkräfte und Hundertschaften. Zudem gab es Durchsuchungen in Wuppertal, Leverkusen und Mönchengladbach, sagte ein Polizeisprecher auf Nachfrage.
In Duisburg wurde unter anderem im Rotlichtviertel durchsucht, in Essen in der Stadtmitte und im Stadtteil Bedingrade an der Stadtgrenze zu Mülheim, zudem im Mülheimer Stadtteil Broich, teilte die Polizei auf Nachfrage mit. Weitere Details nannte sie nicht.
Razzien gegen Hells Angels-Rocker: Ermittlung wegen Mordversuchs und Mordes
Bei den Razzien wurden zwei Rocker im Alter von 34 und 42 Jahren festgenommen; gegen sie lagen Haftbefehle vor. „Nach einem 31-Jährigen und einem 33-Jährigen wird international gefahndet“, berichtete die Polizei. Der 31-Jährige soll sich aktuell in der Türkei aufhalten, hieß es bei der Polizei. Der 33-Jährige sei ebenfalls „im Ausland“. Er wird wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes mit Haftbefehl gesucht.
Hintergrund des Einsatzes sind zwei Mordversuche im Herbst 2013, als es eine Schießerei in Oberhausen gab. Zudem geht es um den Mord an dem Hells Angel-Rocker Kai M., von dem im Februar 2014 ein tätowierter Arm im Rhein in Duisburg entdeckt worden war; ein Angler hatte ihn damals am Haken....
Krieg der Rockerbanden Hells Angels und Bandidos
Die Rockerbanden Hells Angels und Bandidos bekriegen sich seit Jahren im Ruhrgebiet. Immer wieder kommt es zu Gewalttaten zwischen den verfeindeten Gruppen. Als „Startschuss gilt eine Schießerei im Oktober 2009 im Duisburger Rotlichtviertel.
Im Fall der Schießerei in Oberhausen steht der 31-Jährige, der nun mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, im Verdacht im November 2013 einen 25-jährigen Rocker der verfeindeten Gruppierung Bandidos mit mehreren Schüssen aus einer Pistole schwer verletzt zu haben. Der Wagen mit dem Bandido am Steuer hatte an einer Ampel gestoppt, bevor die Schüsse fielen. Der von mehreren Kugeln getroffene Bandido konnte mit dem Auto flüchten, seine damals 32-jährige Beifahrerin wurde leicht verletzt, teilte die Polizei mit.
Mord an Kai M.: Ein Verdächtiger in Haft – einer im Ausland
Mord verjährt nicht – das erklärt, warum die Polizei den Fall auch sieben Jahre nach dem Tod des Oberhausener Rockers Kai M. verfolgt. Der damals 32-Jährige war vor seinem Verschwinden erst ein Jahr Mitglied der Hells Angels. Er soll laut Aussage seiner Mutter als „Chauffeur und Beschützer“ von Prostituierten gearbeitet haben. Die Staatsanwaltschaft hatte zuletzt 2017 mitgeteilt, dass das Verfahren „ruhe“. Trotz umfangreicher Ermittlungen kam die Polizei zu keinem Ergebnis. Erst 2020 gab es einen neuen Ermittlungsansatz.
Ein 33-Jähriger (laut Bild-Zeitung der Chef der Rockerbande in Oberhausen) soll das Opfer zusammen mit einem Mittäter (34) getötet haben. „Er und sein Mittäter sollen Kai M. in Mönchengladbach erschossen haben, weil dieser in dem Verdacht stand, Geheimnisse der Rockergang verraten zu haben“, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Der 33-Jährige sei ins Ausland geflohen – der 34-Jährige sitze wegen Drogendelikten in Haft. Der am Donnerstag in Mönchengladbach festgenommene 42-Jährige soll laut Polizei „an der Zerstückelung und Entsorgung des Toten beteiligt gewesen sein.“ Ihm wird Strafvereitelung vorgeworfen.
Einer der Beschuldigten sitzt bereits in Haft
Den jetzt erfolgten Festnahmen sind laut Polizei und Staatsanwaltschaft Jahre lange „beharrliche Arbeit“ vorangegangen. Vor allem die Leichenteile gaben wichtige Anhaltspunkte, die auf die Spur der mutmaßlichen Täter geführt haben. So hatten Polizeitaucher im Mai 2020 an der Stadtgrenze Duisburg/Oberhausen einen menschlichen Schädel aus dem Rhein-Herne-Kanal geborgen. Gerichtsmediziner stellten fest, dass es der Schädel von Kai M. sei.
Der 34-Jährige mutmaßliche Mittäter bei der Schießerei in Oberhausen sitzt unterdessen bereits in Haft, teilte die Polizei mit. In der JVA Wuppertal verbüße er einen Freiheitsstrafe wegen eines anderen Vergehens. Die Ermittler hätten ihm dort am Donnerstag den Haftbefehl wegen versuchten Mordes bekannt gegeben, teilte die Polizei mit.
Reul: „Dürfen im Kampf gegen Rockerkriminalität nicht locker lassen“
Bei den Razzien am Donnerstag seien unter anderem eine scharfe Schusswaffe, eine Schreckschusswaffe, verschiedene Datenträger, Bargeld und Betäubungsmittel sicher gestellt worden, bilanzierte die Polizei am Vormittag. Die Ermittlungen und Auswertung dieser Beweismittel brauchten noch Zeit, heißt es.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) lobte in einem TV-Statement am Vormittag die Polizei Duisburg für ihre Geduld und Hartnäckigkeit, denn die Kriminalisten mussten „in den abgeschotteten Strukturen der Rocker-Kriminalität“ ermitteln. Die Brutalität der „auf unseren Straßen ausgetragenen Rocker-Kriege“ zeige, dass die Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen Rocker „nicht locker lassen dürfen und nicht locker lassen werden“, sagte Reul. Die Razzien von Donnerstag würden laut Reul zudem der Rocker-Szene deutlich machen, „dass wir den längeren Atem haben und die Kriege gesühnt werden.“ (mit dpa)