Oberhausen. Stefanie Weyland möchte für die Grünen in den Bundestag. Sie sprang als Kandidatin ein, nachdem sich der Syrer Tareq Alaows zurückgezogen hatte.

Es war schon ungewöhnlich, als plötzlich Politikredaktionen der gesamten Republik auf den Wahlkreis Oberhausen-Dinslaken schauten. Die hiesigen Grünen kündigten im Februar an, Tareq Alaows zum Bundestagskandidaten küren zu wollen. Alaows flüchtete 2015 aus dem Bürgerkriegsland Syrien, er hätte der erste Abgeordnete mit einem solchen Hintergrund werden können. Zwei Monate später aber nahm der 32-Jährige seine Kandidatur schon wieder zurück - wegen rassistischer Anfeindungen und Bedrohungen. „Das war für uns ein Schock“, sagt Stefanie Weyland, die zu dieser Zeit bereits das Wahlkampfteam der örtlichen Grünen leitete.

Stefanie Weyland auf der Bühne am Altmarkt in Oberhausen. Beim Besuch von Grünen-Co-Chef Robert Habeck am 25. August sprach auch die Bundestagskandidatin.
Stefanie Weyland auf der Bühne am Altmarkt in Oberhausen. Beim Besuch von Grünen-Co-Chef Robert Habeck am 25. August sprach auch die Bundestagskandidatin. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Inzwischen haben sich die Berichterstatter der überregionalen Redaktionen wieder vom Oberhausener Wahlkreis abgewandt. Und inzwischen ist Stefanie Weyland mehr als die Leiterin des Wahlkampfteams: Etwa vier Wochen nach Alaows Rückzug erklärte sie sich bereit, nun selbst als grüne Direktkandidatin antreten zu wollen. Das Gefühl, als Plan-B-Kandidatin zu gelten, begleite sie seitdem jedoch nicht, behauptet sie. Schließlich habe ihre Partei sie mit über 90 Prozent gewählt. Ein selbstverständlicher Wert sei das keineswegs, sagt sie. „Das hat mir unglaublich viel Aufwind gegeben.“

Direktkandidatin für Oberhausen kam über „Fridays for Future“ zu den Grünen

Kein aussichtsreicher Listenplatz

Stefanie Weyland befindet sich in der NRW-Landesliste der Grünen auf Platz 63. Ihre Chancen, über die Landesliste in den Bundestag einzuziehen, sind für sie also äußerst gering.

Ebenso wird es für sie schwierig, als Direktkandidatin in den Bundestag einzuziehen. Bei der vergangenen Bundestagswahl im Jahr 2017 erhielt der damals 18-jährige Patrick Voss lediglich 5,6 Prozent der Erststimmen.

Weitere Infostand-Termine der Grünen in Oberhausen: 18. September und 25. September, jeweils an der Marktstraße in der Innenstadt und an der Bahnhofstraße in Sterkrade von 10 bis 13 Uhr.

Die Rückendeckung ist kein Ergebnis jahrelanger Verbundenheit mit der Partei. Obwohl die 53-Jährige bereits Vize-Bürgermeisterin in Dinslaken ist, kann man sie eher Politik-Neuling als alteingesessen nennen. Weyland - gebürtige Göttingerin, Mutter zweier fast erwachsener Kinder und seit rund 25 Jahren Berufsschullehrerin in den Fächern Ernährung, Gesundheit, Wirtschaft und Politik - kam erst vor rund zwei Jahren über „Fridays for Future“ zur Politik.

Umweltbewegt sei sie zwar schon immer gewesen - zum Beispiel habe sie aus ökologischen Gründen darauf verzichtet, jemals einen Führerschein zu machen und ernähre sich seit vielen Jahren "komplett vegetarisch und zu 70 Prozent vegan“. Aber als die jungen Leute für besseren Klimaschutz auf die Straße gingen, da habe sie gemerkt, dass sie „viel mehr tun muss“. Was das genau heißt, macht Weyland gerne mit Blick auf die Mobilität deutlich: Ausbau des Schienenverkehrs mit Expresslinien und engerer Taktung sowie vereinfachter Tarifsysteme, Anreize für Car-Sharing, Ausbau von Radwegen und Ladeinfrastruktur für E-Autos. „Da haben wir ein Super-Programm“, sagt sie.

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Stefanie Weyland neben Grünen-Co-Chef Robert Habeck am 25. August 2021 in Oberhausen.
Stefanie Weyland neben Grünen-Co-Chef Robert Habeck am 25. August 2021 in Oberhausen. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Ganz sattelfest ist Weyland allerdings nicht, wenn es um das Programm ihrer Partei geht. Wichtig sei gerade für Oberhausen, dass die Grünen einen Altschuldenschnitt fordern, „damit die überschuldeten Kommunen wieder bei null anfangen können“, sagt sie. Auf die Frage, ob die Grünen die Finanzierung der Kommunen darüber hinaus neu aufstellen will, verweist sie nur auf eine „höhere Besteuerung von Konzernen“. Tatsächlich heißt es im Grünen-Programm zum Beispiel, dass der Bund die coronabedingt hohen Gewerbesteuerausfälle für 2021 und 2022 übernehmen, „regionale Transformationsfonds“ für unterstützungsbedürftige Regionen anstreben und die Kommunen bei den Sozialausgaben mehr unterstützen sollte.

Weyland (Grüne): „Die Oberhausener sind ein ganz anderer Schlag von Mensch“

Neben den Kommunalfinanzen und der Mobilitätswende ist es die Situation der Kinder und Jugendlichen, auf die Weyland schnell zu sprechen kommt. Als Lehrerin habe sie erlebt, wie manche Schülerinnen und Schüler in Zeiten des Digitalunterrichts „beim Nachbarn nachfragen mussten, ob sie das W-Lan mitnutzen dürfen“ oder kein Geld für einfache Kopien hatten. Solche Situationen seien erschreckend, die Grünen hätten mit ihrer Kindergrundsicherung hier aber etwas entgegenzusetzen. Geplant ist ein fester Garantie-Betrag für jedes Kind, Weyland spricht von mindestens 280 Euro pro Kopf.

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Kinderarmut sei auch das Thema, was für Oberhausen noch relevanter sei als für Dinslaken, sagt sie. Die Stadt habe die Dinslakenerin seit ihrer Kandidatur noch wesentlich besser kennengelernt – und noch mal eindrücklich erfahren, dass hier ein „ganz anderer Schlag von Mensch“ lebe. „Wenn ich bei den Grünen in Oberhausen bin, dann ist es wie Comedy. Die sind so schlagfertig und lustig - eben noch vielmehr Ruhrgebiet als Dinslaken.“