Oberhausen. Die Oberhausener Linken bekamen Besuch von Ex-Parteichef Bernd Riexinger. Er erklärt, worum es seiner Partei bei der Nato-Frage wirklich geht.

Die Linke muss sich in diesen Tagen wieder häufig zu ihrer Haltung gegenüber der Nato erklären. Bekanntlich gehört es zur Identität der Partei, dass sie das westliche Militärbündnis ablehnt. Ist die Nato-Frage am Ende jene, an der ein laut Umfragen rechnerisch mögliches rot-rot-grünes Bündnis scheitern könnte? Der ehemalige Bundesvorsitzende Bernd Riexinger hat bei einem Wahlkampftermin in Oberhausen deutlich gemacht, dass er die größte Trennlinie zwischen den Parteien gar nicht bei außenpolitischen Fragen sieht – sondern bei Verteilungsfragen. „Wenn man nach der Wahl keine Vermögenssteuer einführt, bleibt der Spielraum für soziale Reformen klein.“

Riexinger (Linke): „Bei der SPD bahnt sich ein Betrug am Wähler an“

Das „Schreckensgespenst“ sieht Riexinger also weniger in einem Bündnis aus Linken, SPD und Grünen, sondern vielmehr in einer Regierung mit liberaler Beteiligung, etwa einer Ampelkoalition. „Ich finde es schlimm, wenn Olaf Scholz der FDP Avancen macht.“ Denn klar sei, dass mit der FDP über Steuererhöhungen, gerade auch für Top-Verdiener, nicht zu reden sei. Die SPD-Wahlversprechen zur höheren Belastung von Reichen seien deswegen „auf Sand gebaut“. „Da bahnt sich ein Betrug am Wähler an. Da müssen wir noch stärker angreifen.“ [Auch interessant:Hausmann (CDU): „Die Kulisse von Olaf Scholz wird fallen“]

Es ist nicht der einzige selbstkritische Satz während Riexingers Besuch. Auch mit Blick auf die Nato-Frage gibt der Spitzenkandidat der baden-württembergischen Linken zu, dass man das eigentliche Anliegen seiner Partei besser kommunizieren könnte. „Unsere Halte-Linie ist vielmehr: Keine Kampfeinsätze der Bundeswehr. Nach dem Desaster in Afghanistan sagen alle: Wir müssen die Auslandseinsätze überdenken. Wir sollten viel offensiver damit umgehen, dass die Linke da Recht behalten hat.“

Linke zum Afghanistan-Einsatz: „Da hätten wir mehr punkten können“

Dass der Linken derzeit vorgeworfen wird, sie hätte zuletzt im Bundestag gegen das Evakuierungsmandat der Bundeswehr in Afghanistan gestimmt, hätte man ebenfalls deutlicher kontern müssen, meint der 65-Jährige. „Wir waren ja eigentlich dafür, viel mehr Leute herauszufliegen.“ Die Grünen hatten dazu einen Antrag im Juni vorgelegt, der von den Linken unterstützt wurde – von der Mehrheit im Bundestag jedoch abgelehnt wurde. „Wir haben da also wesentlich humaner und verantwortungsbewusster agiert als etwa die Regierungsparteien. Das wäre ein Thema gewesen, mit dem wir als Linke hätten punkten können, wo wir mehr hätten zuspitzen können.“

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Dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl soll die Zuspitzung noch gelingen. Die Linke dümpelt in Umfragen weiterhin deutlich unter ihrem selbstgesteckten Ziel von mindestens zehn Prozent. Vielleicht braucht die Linken-Kampagne also Sätze wie den folgenden: „Wir haben einen klareren Kompass beim Thema Klimaschutz als die Grünen“, meint Riexinger. Den Klimawandel vorrangig durch grünes Wachstum voranzubringen, hält er für eine Mär: „Es reicht nicht aus, grüne Exportmodelle umzusetzen.“

Ex-Linken-Parteichef Riexinger: „Die schwarze Null ist Gaga in Zeiten niedriger Zinsen“

Das E-Auto beispielsweise verschlinge ja auch reichlich Ressourcen. Man müsse deswegen viel mehr Leute vom Auto in die Züge bringen. „Und da sind die Grünen schwach auf der Brust. Sie wollen in den Nah- und Fernverkehr investieren – aber der Umstieg zum Anreiz fehlt.“ Bei den Linken wolle man stattdessen den Weg zu einem kostenlosen ÖPNV gehen.

7,6 Prozent Erststimmen 2017

Direktkandidat Sascha H. Wagner, derzeit unter anderem Kreissprecher des Linken-Kreisverbandes Wesel, steht nicht auf der NRW-Landesliste seiner Partei. Das heißt: Seine Chancen 2021 in den Bundestag einzuziehen sind unrealistisch. Er müsste den Wahlkreis in Oberhausen und Dinslaken gewinnen.

Sein Vorgänger im Wahlkreis, Niema Movassat, der 2021 nicht mehr antritt, wurde aufgrund eines hohen Listenplatzes (Platz 6) Abgeordneter. Er erhielt bei der letzten Bundestagswahl 7,6 Prozent der Erststimmen.

Wie das alles bloß finanziert werden soll, wird die Linke oft gefragt. Das Programm sei dieses Mal akribisch durchgerechnet, behauptet die Partei - und dabei geht es ihr nicht allein um Umverteilung: „Die schwarze Null ist völliger Gaga“ meint der Riexinger, „gerade in Zeiten, in denen die Zinsen so niedrig sind und man einen riesigen Investitionsstau hat.“ Wie groß dieser ist, ließe sich in einer Stadt wie Oberhausen mit einer teils stark in die Jahre gekommenen Infrastruktur besonders erleben.

Linke schlagen neues Konzept für Finanzierung von Kommunen vor

Sascha H. Wagner, der Direktkandidat der Linken im Oberhausener und Dinslakener Wahlkreis, würde deswegen im Falle eines Wahlerfolgs das Thema Kommunalfinanzen ganz vorne auf seine Agenda setzen – und sich nicht wie sein Vorgänger Niema Movassat auf Drogenpolitik und Verbraucherschutz fokussieren. „Der Altschuldenfonds ist eine uralte linke Forderung“, sagt er. Verschuldete Kommunen bräuchten aber nicht nur einen Schuldenschnitt, sondern auch ein neues Finanzierungskonzept. „Wir wollen eine Gemeindewirtschaftssteuer, die weitaus solidarischer wäre als die Gewerbesteuer“, sagt Wagner.

Das Konzept der Linken sieht vor, dass jenseits eines Freibetrags von 30.000 Euro auch Selbstständige bei der Steuer miteinbezogen werden. Die Bemessungsgrundlage der Gemeindewirtschaftssteuer würde durch Einbeziehung von Mieten, Pachten und Schuldzinsen erweitert. Eine solche Steuer wäre in Augen von Bernd Riexinger „weitaus verlässlicher“ als die gegenwärtige Gewerbesteuer, die „Kommunen gerade in Krisenzeiten wenig Einnahmen beschert“. Und im Kern gehe es dabei auch wieder darum, den Spalt zwischen Vermögenden und Armen zu verkleinern, ergänzt Wagner. „Das ist unsere Kern-Identität.“