Oberhausen. Hellblaue Luftballons sind am Mittwoch in Sterkrade in den Himmel gestiegen – eine Info- und Aufklärungsaktion unter besonderen Vorzeichen.
Zum ersten Mal melden sich in diesem Sommer Eltern von drogenkranken Kindern in Deutschland in der Öffentlichkeit im Zuge einer großen Info-Kampagne zu Wort. Oberhausen ist Teil dieser einzigartigen Städtetour. Am Mittwoch hat die Aktion in Sterkrade auf der Bahnhofstraße am Technischen Rathaus Station gemacht.
Federführend bei der Kampagne ist ein Verein, der einen langen und komplizierten Namen trägt: die Arbeitsgemeinschaft der Rheinisch-Westfälischen Elternkreise drogengefährdeter und abhängiger Menschen e.V. (ARWED). Zu ihr gehören 54 aktive regionale Elternkreise, darunter auch ein Elternkreis in Oberhausen.
Christiane Erbel ist die Vorsitzende von ARWED. Sie war am Mittwochmittag ebenfalls in Sterkrade im Einsatz, kam am Infostand mit zahlreichen Passanten ins Gespräch und formulierte zentrale Forderungen ihres Vereins: Eltern sollen ermutigt werden, die vielfach vorhandene Scham zu überwinden und sich offensiv mit der Drogenkrankheit ihrer Kinder auseinandersetzen; das Thema müsse zudem raus aus der Stigmatisierung und die vorhandenen Beratungsangebote müssten mehr vernetzt, besser aufeinander abgestimmt sowie die Familien ganzheitlich in den Blick genommen werden.
„Sucht ist kein Randthema!“
Allen Beteiligten, darunter auch die Paritätische Selbsthilfe-Kontaktstelle Oberhausen und das Kompetenzzentrum Suchtberatung, liegt eine Feststellung ganz besonders am Herzen: Drogensucht ist kein gesellschaftliches Randthema. Jede Familie kann betroffen sein. Laut Statistik der Hauptstelle für Suchtfragen haben 47 Prozent der Eltern in Deutschland Kinder im Alter von Pubertät oder Adoleszenz, die Drogen konsumieren. Wenn Faktoren wie etwa Leistungsdruck oder Vereinsamung wirksam werden, können auch junge Menschen aus der Mitte der Gesellschaft schnell drogensüchtig werden und etwa zu synthetischen Drogen, zu Stimulanzien und Halluzinogenen, greifen.
Umfangreiches Eltern-Engagement
Das Eltern-Engagement in NRW zum Thema suchtkranke Kinder hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Schon 1991 setzten sich Mütter und Väter von drogenkranken Kindern zusammen und bildeten einen Sprecherkreis. Daraus entstand dann der ARWED-Landesverband.
Für Mittwochabend war im Altfrid-Haus zudem eine Lesung mit Gisa Rausch geplant, die als betroffene Mutter das Buch „Warum Tobias? Tobias warum? geschrieben hat.
Chefarzt Martin Heilmann vom Ameos Klinikum St. Josef begleitete in Sterkrade fachkundig die Aktion. Immer wieder stoppten Passanten am Infostand, um ins Gespräch zu kommen. Auch eine Luftballonaktion startete. Hellblaue Ballons stiegen kurz nach elf Uhr in den Himmel. Sie trugen die Positionen und Forderungen der Elternkreise über die Oberhausener Stadtgrenzen hinaus: „Sucht ist eine Krankheit.“ „Sucht hat immer eine Vorgeschichte.“ „Das Thema muss raus aus der Tabuzone!“ „In die Suchtberatung müssen stets die ganze Familie und das ganze Umfeld mit einbezogen werden.“
Anfang August setzt der Verein seine Infotour in der Nachbarstadt Essen fort, wo man an mehreren Tage Station macht. Insgesamt werden 16 Städte in Nordrhein-Westfalen besucht, begleitet von Plakaten und entsprechenden Botschaften in Sozialen Netzwerken wie Instagram. Sogar ein Flugzeug startet und zeigt an einem Banner die Webseiten-Adresse der Kampagne, die zugleich eine Aufforderung ist an alle Menschen, die mit Suchtberatung zu tun haben: „fragEltern.de“.