Oberhausen. Die Osterfelder sind ein besonderes Völkchen. Ihre rustikale westfälische Herzlichkeit hat tiefe Wurzeln in der Stadtgeschichte; hier der Beweis.

Wer an einem strahlenden Sommertag eine besinnliche Pause in der Propsteikirche St. Pankratius macht, ahnt es sofort: Hier liegt die 1000-jährige Siedlungsgeschichte von Osterfeld bei jedem Atemzug in der angenehm kühlen Kirchenluft. Rund um St. Pankratius steht am Sonntag, 27. Juni, ein besonderes Jubiläum im Blickpunkt: Vor genau 100 Jahren ist Osterfeld eine Stadt geworden!

Am 27. Juni 1921 verlieh der preußische Innenminister der 1889 entstandenen Landgemeinde die Stadtrechte. Schon 1929 war es mit der Osterfelder Stadtherrlichkeit allerdings wieder vorbei, denn dann folgte die Zusammenlegung mit Alt-Oberhausen und Sterkrade zur neuen Großstadt Oberhausen. Doch die acht Jahre der Eigenständigkeit wirken auch heute noch spürbar nach, wie Stadtarchivleiter Magnus Dellwig und der Ur-Osterfelder Walter Paßgang bei einem Stadtteil-Rundgang mit unserer Redaktion mehrfach unterstreichen.

Die Osterfelder sind Westfalen

„Wir Osterfelder kommen ja aus der Idylle des Vest Recklinghausen“, sagt Walter Paßgang mit einem Schmunzeln. Ja, die Osterfelder sind Westfalen! Sie stehen damit in einem strikten landsmannschaftlichen Gegensatz zu den Sterkradern und den Alt-Oberhausenern. Regierungsrat Johannes Kellinghaus ist der erste und zugleich einzige Osterfelder Oberbürgermeister. Von 1921 bis 1929 förderte und stärkte er mit großem Engagement die Stadtentwicklung und brachte das 1929 rund 33.000 Einwohner zählende Osterfeld beim Aushandeln des Vereinigungsvertrages mit Alt-Oberhausen (110.000 Einwohner) und Sterkrade (51.000) in eine gute Position: ein Ortsausschuss wurde eigens eingerichtet, der bei allen relevanten Themen der Stadtteilentwicklung mitreden konnte. Der Vorläufer der heutigen Bezirksvertretung war damit geboren.

Festschrift erscheint bald

Stadtarchivar Magnus Dellwig hat zu 100 Jahre Stadt Osterfeld einen fachkundigen Aufsatz geschrieben, der voraussichtlich im September in einer speziellen Festschrift erscheinen wird. Dann werden die Osterfelder all das nachlesen können, was ihren Stadtteil ausmacht: Die Zechengründungen und das rasante Bevölkerungswachstum in den drei Jahrzehnten vor der Stadtwerdung; nicht zu vergessen: die überragend Bedeutung der Eisenbahn. Mit dem Güterverschiebebahnhof Osterfeld entstand die seinerzeit größte Anlage ihrer Art im gesamten Deutschen Reich. Wer heutzutage mit dem RB 44 nach Bottrop fährt und über die nach wie vor riesigen Gleisanlagen mit dem Bahnbetriebswerk blickt, ahnt sofort, wie es hier in den Boomzeiten der Montanindustrie wohl zugegangen ist: das Ruhrgebiet als wirtschaftliche Herzkammer des ganzen Landes; Kohle und Stahl als Taktgeber der Industrie; der schnelle Eisenbahntransport, der das alles möglich macht.

Osterfeld-Mitte auf einen Blick – vor 100 Jahren wurden hier die Stadtrechte gefeiert.
Osterfeld-Mitte auf einen Blick – vor 100 Jahren wurden hier die Stadtrechte gefeiert. © Hans Blossey / FFS

Rund um 1900 und später in den 1920er Jahren wird Osterfeld mehr und mehr urban: Sparkassengebäude und Pankratiusschule entstehen, an deren Standort sich ab 1969 die Gesamtschule Osterfeld entwickelt. Die Osterfelder Wohnungsbaugenossenschaft baut Tausende von Wohnungen vor allem für das immer weiter wachsende Personal der Reichsbahn. Gildenstraße und Marktplatz entwickeln sich zu Geschäftszentren für die Nahversorgung der Bevölkerung.

Bügeleisenhaus und Wappenplatz

Beim Rundgang mit Magnus Dellwig und Walter Paßgang streifen wir all diese Schauplätze. Walter Paßgang erinnert an das ehemalige, so genannte Bügeleisenhaus, das auf dem heutigen Wappenplatz stand; Magnus Dellwig erzählt, dass einst Schienen auf der Achse der heutigen Westfälischen Straße verliefen. Als dann hier die Gleise wegfielen, bot das seinerzeit neue Möglichkeiten der Stadtentwicklung: Das Areal nördlich der Westfälischen Straße konnte nun als nördliche Flanke der Innenstadt zur Bebauung genutzt werden.

Unser Rundgang endet an der Hauptpforte von St. Pankratius. Die Heiligen blicken auf uns herab. Die Sommerhitze staut sich vor dem imposanten Gotteshaus. Da sehnt man sich sofort nach kühler Kirchenluft, am besten mit dem unverwechselbaren Aroma von 1000 Jahren Osterfeld, davon acht Jahre eine eigene Stadt.