Oberhausen. Kuratorinnen der Ludwiggalerie und die kreative „Prise Salz Crew“ sorgen für neun Wochen Freilicht-Programm: Großer Auftritt für den Schlosshof.

Der Künstler-Bautrupp hat kurz vor dem Start der neun „MuC“-Wochen (für „Museum under Construction“) dem lauschigen Schlosshof noch ein bisschen Baustellenflair gelassen: Schließlich soll es ja gute Gründe geben, immer wieder an der Ludwiggalerie vorbeizuschauen. Und das obwohl – wie’s das „MuC“-Motto ja andeutet – für mehr als 1,6 Millionen Euro während der kommenden Monate saniert wird.

Die Techniker sind im Großen Schloss bereits angerückt, um für noch stabileres Klima und höhere Sicherheit vor Feuer wie vor Einbrechern zu sorgen. „Die alte Technik“, erklärt Christine Vogt, „ging nach 25 Jahren den Weg alles Zeitlichen“. Die Direktorin der Ludwiggalerie hatte schon immer im Stillen bedauert, dass der so schön von Kleinem und Großem Schloss umfasste Hof während der Sommer allenfalls spärlich bespielt worden war. So entstanden denn die ersten „MuC“-Pläne ihrer jungen Kuratorinnen schon vor den diversen Lockdowns seit März 2020.

Eine noch ruhige Discokugel: Hingucker im Schlosshof ist die noch unvollendete „Wunschmaschine“ von Aaron St.
Eine noch ruhige Discokugel: Hingucker im Schlosshof ist die noch unvollendete „Wunschmaschine“ von Aaron St. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Ein Wechselbad der Gefühle“, beschreibt Linda Schmitz-Kleinreesink: „Wir dachten im März, wir müssten es kippen. Dann planten wir gefühlt 48 Versionen“ – für alle Eventualitäten und Strengegrade der Corona-Schutzverordnungen. Jetzt könnten sich manche zurückversetzt fühlen in den letzten Spätsommer, als auf dem Altmarkt das Theater sein putziges „Schlingensief-Dorf“ aufgebaut hat. Dort gab’s einen extragroßen Flipper – im Schlosshof kullert, wenn Aaron St. (Stratmann) seine „Wunschmaschine“ denn vollendet hat, gleich eine 50 Zentimeter durchmessende Discokugel glitzernd durch eine verschlungene Bahn.

„Dekorieren und irritieren“ ist ihr Anliegen

Seine Kollegin Ursula Meyer allerdings hat ihre Ausstellungschance bereits genutzt: Die gewaltigen Banner, mit denen sonst die Ludwiggalerie für sich wirbt, zeigen nun ihre großäugige Version von Street Art. „Dekorieren und irritieren“ ist das Anliegen der in Argentinien aufgewachsenen 33-Jährigen, die sich längst einen deftigen Ruhr-Akzent zugelegt hat. Die Fülle kreativer Möglichkeiten im Ruhrgebiet habe sie hier „hängen bleiben“ lassen.

Die Kunstbaustelle auf einen Blick: Nach und nach sollen noch weitere kreative Werke den Schlosshof möblieren.
Die Kunstbaustelle auf einen Blick: Nach und nach sollen noch weitere kreative Werke den Schlosshof möblieren. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Und Aaron St. ist schon etwas genervt, wenn man ihn als Oberhausener outet – beschreibt er sich doch mit Verve als enthusiastischer Revierbürger. Beide wissen mit der „Prise Salz Crew“ weitere Künstler der verschiedensten Disziplinen hinter sich. „Wir finden es spannend, Orte zu verzaubern“, betont der 40-Jährige. Und der Schlosshof sei „megatoll“ – ein Lieblings-Prädikat der auf „Upcycling“ spezialisierten Crew. Denn nicht nur abgelaufene Werbebanner lassen sich faszinierend verwandeln.

Neuer und neuester Hingucker am Schloss Oberhausen: Die Street Art von Ursula Meyer, fotografiert durch die „Red Heels“-Skulptur von Heiner Meyer.
Neuer und neuester Hingucker am Schloss Oberhausen: Die Street Art von Ursula Meyer, fotografiert durch die „Red Heels“-Skulptur von Heiner Meyer. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Wir können nicht den ganzen Sommer keine Ausstellung machen“, hatte Kuratorin Nina Dunkmann vorausgeschickt. Aus diesem „Horror Vacui“ wurde stattdessen eine Programmfülle von 27 Terminen (die dennoch alle auf ein handliches Leporello passen). Neben den drei „Jours fixes“ dienstags, mittwochs und freitags sortiert sich die Kunstbaustelle auch nach den vier großen Themen der Ludwiggalerie: Die ersten beiden Wochen gehören den Comics; die zweite Juli-Hälfte übernimmt die Fotografie; die erste August-Hälfte dominiert die Pop-Art – und mit den „Landmarken“ geht’s ins Finale.

Getränke-Schalter im Pop-Art-Dekors

Nur die „Lounge Fridays“ müssen sich nicht in dieses Korsett schnüren – schließlich darf das Publikum freitags schlicht zu entspannender Musik chillen. Selbst den DJ-Arbeitsplatz hat die salzige Crew in einer gemütlich wirkenden Holzhütte eingerichtet. Und der Getränke-Schalter neben der Tür zur vertrauten Artothek ist so schön schrill in Pop-Art-Dekors umbaut, dass dieses Tresen-Möbel zum fotogenen Kunst-Stück avanciert.

In neun Wochen 27 Tage mit vollem Programm

Die „Jours fixes“ der neunwöchigen „Kunstbaustelle“ sind dienstags, mittwochs und freitags. Am Artist Tuesday präsentieren sich immer um 18 Uhr Künstler von der „neunten Kunst“ des Comics bis zur Bildhauerei, sei es in Talks oder in kreativer Interaktion. Den Anfang am 29. Juni übernimmt die „Prise Salz Crew“.

Am Workshop Wednesday, immer von 16 bis 17.30 Uhr sind nicht nur Kinder und Jugendliche eingeladen, sich künstlerisch Bahn zu brechen. Zum Auftakt am 30. Juni heißt es „Kommt alles in die Tüte“: Die eigene Kunst-Tüte soll sich füllen mit Zeichnung, Malerei und Worttheater.

Am Lounge Friday darf das Publikum von 18 bis 22 Uhr chillen zu Drinks und DJ-Beats. Für alle Termine gilt: Anmeldung erforderlich unter 0208 - 412 49 28 oder per Mail an ludwiggalerie@oberhausen.de

„Niemanden treffen und nichts anfassen“, wie Christine Vogt die Schrecken der Lockdowns beschreibt, soll an der frischen Schlosshofluft endlich passé sein. Und bereits vor dem Ende der „MuC“-Wochen eröffnet am 8. August der Kunstverein Oberhausen im Kleinen Schloss seine Doppel-Ausstellung mit Werken von Benjamin Nachtwey und Klaus Sievers. Soviel Kunstbetrieb war noch nie unter dem Warnschild „in restauro“.