Oberhausen. Die Stadtsparkasse Oberhausen dient vielen Bürgern als sicherer Hafen für Erspartes: Sie fluten ihre Bank mit Millionen. Das hat Konsequenzen.
Können die Händler, Gastronomen und Dienstleister auf einen noch nie dagewesenen sensationellen Wirtschaftsaufschwung hoffen?
Der Vorstand der Stadtsparkasse Oberhausen beobachtet tagtäglich, wie der Geldberg der Kunden in Pandemie-Zeiten wächst. Denn in unsicheren Corona-Zeiten gibt es für die meisten Bürger, die von Kurzarbeit und Arbeitsplatzverlust verschont blieben, keine Einbußen bei ihren Einkommen, zugleich aber kaum Möglichkeiten, ihr Geld auszugeben. Nicht alle drängen sich gerne erst nach Tests, mit Maske und Abstand in Juwelier-Läden, Autogeschäften oder Kaufhäusern, um sich was Schönes zu kaufen.
Keinen Cent auf Sparbüchern und Girokonten
Da legen viele Sparkassenkunden ihr Geld lieber beiseite, auf ihren Sparbüchern und Girokonten. Zwar gibt es von der Bank in Zeiten von Negativzinsen keinen einzigen Cent Zinsen mehr, doch ein hohes Maß an Sicherheit und Verfügbarkeit. So zogen die Kundeneinlagen bei der Sparkasse von 1,88 Milliarden Euro im letzten Vor-Pandemiejahr 2019 auf 2,14 Milliarden Euro Ende April 2021 an – ein Plus von fast 260 Millionen Euro oder 13,7 Prozent. Allein in diesem Jahr wuchs der Geldhaufen um gut 70 Millionen Euro.
„Wir haben allerdings die große Hoffnung, dass eine Menge dieses Geldes in den nächsten Monaten in Autohäusern, Möbelhäusern oder Reisebüros wieder auftaucht“, sagt Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Oliver Mebus bei einem Gespräch über die wirtschaftliche Lage in Oberhausen. Denn im Grunde bereitet diese Geldschwemme allen Banken und Sparkassen Sorgen, sicherlich den Volksbanken und Sparkassen mehr als den internationalen Geschäftsbanken.
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Denn Sparkassen arbeiten seit Jahrhunderten nach einem einfachen Prinzip: Billig Geld bei Sparern einkaufen und dieses örtlich zum Wohle der Wirtschaft teurer, verlässlich und risikoarm als Kredit zu verleihen. Dieser einst so lukrative Zinsunterschied hat sich aber in den vergangenen zehn Jahren halbiert. Zwar zahlen die Sparkassen praktisch keine Zinsen mehr, zugleich aber können sie für Bau- und Konsumkredite nicht allzu viele Zinsen verlangen.
Wie kann die Sparkasse die großen Mengen an Spargeld unterbringen – ohne Kosten?
„Für uns ist es nicht einfacher geworden, das viele Geld der Sparkunden zu verarbeiten und unterzubringen“, gibt Mebus an. Die Kunden konsumieren weniger (Zahl und Höhe der Ratenkredite sanken um die Hälfte im Vergleich zu 2019), die Unternehmer investieren zurückhaltend oder aus eigenen Rücklagen. Nur die Baukredite werden in diesem Jahr die guten Zahlen der vergangenen drei Jahre (etwa 130 Millionen Euro) übertreffen.
Das Problem für die Sparkasse: Kann sie die hereinströmenden Gelder nicht als Kredite weiterverleihen oder diese in Wertpapier-Geschäfte umlenken, muss sie die Beträge auf Konten der Europäischen Zentralbank lagern. Diese berechnet den Banken dafür aber bereits seit Mitte 2014 negative Zinsen, seit August 2019 liegen diese bei minus 0,5 Prozent. Das sind Extra-Kosten für jede Bank.
Die Geldinstitute reagieren: Sie erhöhen ihre Provisions- und Gebühreneinnahmen durch höhere Preise, sie schließen Filialen, sie bauen Personal ab, sie nehmen von vermögenden Geschäfts- und Privatkunden Negativzinsen – und raten ihren Kunden, Gelder umzuschichten.
Deshalb hat die Stadtsparkasse Oberhausen eine Beratungsoffensive für den Kauf von Wertpapieren gestartet, hat zum 1. April 2021 nochmals deutlich ihre Kontoführungsgebühren erhöht, kündigt die für sie teuren S-Prämiensparverträge der Jahre 1995 bis 2004 und versucht schon seit Jahren, mit weniger Personal mehr zu machen. Denn: „Selbst wenn die Preissteigerungsrate deutlich nach oben geht, glauben wir nicht, dass die Europäische Zentralbank ihre Negativzinspolitik ändert. Deshalb müssen wir uns darauf einstellen“, sagt der Oberhausener Sparkassen-Vorstandsvize Thomas Gäng.
Hohe Geldbeträge von außen nicht mehr erwünscht
Die Geschäftspolitik der Stadtsparkasse Oberhausen hat der Vorstand so geändert, dass tendenziell frische Gelder von außen abgewehrt werden. So dürfen beispielsweise Neukunden, die angesichts von Negativzinsen bei ihrer Hausbank plötzlich nun bei der Sparkasse ausschließlich Geld aufs Sparbuch ohne Girokonto packen möchten, höchstens 5000 Euro in die Filiale bringen.
Verlagern Neukunden allerdings ihre gesamte Konto-Geschäftsbeziehung von ihrem bisherigen Institut zur Stadtsparkasse, sind Negativzinsen erst ab 100.000 Euro fällig, bei Ehepaaren ab 200.000 Euro. „Wir sind weiterhin an einer ernsthaften Geschäftsbeziehung mit uns interessiert“, versichert Sparkassen-Vorstandschef Oliver Mebus.
Wer schon Stammkunde ist, wird von der Sparkasse erst ab einer Sparsumme von 200.000 bzw 400.000 Euro mit Strafzinsen behelligt. „Das betrifft aber nur 0,6 Prozent unserer Privatkunden“, beteuert Mebus. „Jeder ernsthafte Neukunde hat zudem die Chance, Bestandskunde zu werden.“
So zeichnet auch die Beratungsoffensive durchaus erste Erfolge: Immer mehr Kunden entdecken den Kauf von Wertpapier-Fonds, von Aktien oder Anleihen als bisher lohnenswerte Alternative zum Sparbuch ohne Zinsen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres stieg der Depotbestand der Sparkasse von 482 auf 507 Millionen Euro - ein Plus von 5,2 Prozent.
Und im Hintergrund baut die Sparkasse ein neues Geschäftsfeld auf, um unabhängiger von Zinseinnahmen zu werden: „Wir suchen Möglichkeiten, unseren Bestand an Wohnungen aufzubauen.“ Mit dem Neubau an der Gutenbergstraße in der Oberhausener Innenstadt hat es angefangen; mit den beiden Mehrfamilienhäusern an der Ecke Hermann-Albertz-Straße/Goebenstraße und dem Neubau an der Osterfelder Flügelstraße geht es weiter – und mit 26 Wohnungen und einer Ladenfläche mitten in Sterkrade auf dem Gelände des früheren Kaiser&Ganz-Kaufhauses soll noch lange nicht Schluss sein.
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