Oberhausen. Die Commerzbank beobachtet einen Anlagewandel der Sparer: Negativzinsen und Nullzinsen treiben sie in Wertpapiere und Fonds, die nachhaltig sind.

Wenn man Hartmut Leser während der Telefonschalte der Commerzbank zum Geschäftsjahr 2020 in Oberhausen lauscht, dann hört man einen recht fröhlich klingenden örtlichen Marktbereichsleiter für Privat- und Unternehmerkunden in Oberhausen und Bottrop. Denn die Commerzbank macht in Oberhausen/Bottrop mit einem Geschäftsvolumen von 640 Millionen Euro gute Geschäfte, sie liegt bei einigen Zuwächsen sogar über dem bundesweiten Commerzbank-Schnitt. So ist die Zahl der betreuten Kunden netto weiter gestiegen um 375 auf 33.900, die Ausleihe neuer Baukredite explodiert mit 23 Millionen Euro um fast ein Viertel auf 158 Millionen Euro – und die Sparer investieren ihr Geld in Wertpapiere wie nie zuvor (plus elf Prozent mehr Wertpapier-Sparpläne).

Hartmut Leser, Commerzbank-Marktbereichsleiter für Privat- und Unternehmerkunden in Oberhausen    
Hartmut Leser, Commerzbank-Marktbereichsleiter für Privat- und Unternehmerkunden in Oberhausen     © Commerzbank

Alles in Butter also? Nein, die gesamte Finanzbranche steckt durch die lange Niedrigzinsphase, die Digitalisierung und durch neue Online-Konkurrenten im Gewinnloch – die reinen Bankgeschäfte, die Hereinnahme von Spargeldern und die Ausleihe von Krediten, lassen sich kaum noch in gut klingende Münze umsetzen. Kosten sparen, Einnahmen erhöhen, heißt das Gebot der Stunde – auch bei der Commerzbank.

Filialsterben – nicht die lokale Bindung verlieren

Die oberste Führung will die Zahl der Filialen in Deutschland von 790 auf 450 fast halbieren, in nur noch 220 davon gibt es dann für vermögende Kunden und Unternehmer umfassende Beratung. Seit Herbst zahlt jeder Kontoinhaber auch bei der Commerzbank Kontoführungsgebühren; Geld auf der Hand für einen Bankwechsel gibt es nicht mehr. Zudem berechnet die Commerzbank ab 1. August bereits ab 50.000 Euro Negativzinsen von 0,5 Prozent. Zuletzt hatten Deutsche Bank und Sparda Filialschließungen in Oberhausen angekündigt; die Freibeträge für Negativzinsen wurden bei der Sparda stark abgesenkt.

Was bedeutet die neue Commerzbank-Strategie für Oberhausen? Ob die beiden Niederlassungen in Oberhausen an der Marktstraße und in Sterkrade an der Kantstraße bestehen bleiben, ist noch nicht geklärt. Die Verhandlungen über den bundesweiten Filialplan laufen noch, Details sind noch unbekannt. André Lorenzen, Niederlassungsleiter Privat- und Unternehmerkunden für die Region Essen, beteuert: „Die Standorte in Oberhausen haben für uns eine hohe Bedeutung, denn wir wollen die lokale Bindung nicht verlieren.“

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Da Bank-Konkurrenten wie Sparkasse, Sparda, Deutsche Bank ebenfalls nicht auf Kontogebühren und Negativzinsen verzichten können, hat Hartmut Leser durch den Gebühren-Strategiewechsel der Commerzbank bisher noch keine Nachteile für seine Standorte in Oberhausen entdecken können. Die Zahl der Kunden zog sogar um gut ein Prozent an.

Starke Zunahme an neuen Krediten

Der Finanzbedarf der Selbstständigen, Freiberufler und Unternehmen mit bis zu 15 Millionen Euro Jahresumsatz in der Region Essen/Oberhausen und Umgebung war enorm – 44 Prozent mehr Kredite (plus 69 Millionen Euro) gab die Commerzbank im vergangenen Jahr heraus.

Zwölf Millionen Euro an KfW-Kredite wurden als Corona-Hilfen vermittelt. Commerzbankerin Sarah Krauße, zuständig für Unternehmen in Mülheim und Oberhausen, zeigt sich jedenfalls recht optimistisch, dass die hiesigen Betriebe recht gut durch die Corona-Krise kommen. „Die Lage sieht recht stabil aus, wir erwarten keine Insolvenzwelle.“

Wie bei Kunden anderer Oberhausener Banken sind die Finanztrends bei Commerzbank-Kunden ähnlich: Negativzinsen verlocken zum Einstieg in Wertpapiere, selbst wenn diese risikoreicher sind als Sparbücher; Immobilien werden intensiv von jungen Oberhausener Familien gesucht, doch der Markt ist ziemlich leer gefegt („In Oberhausen wird im Vergleich zu wenig neu gebaut“) – und immer mehr Menschen erledigen ihre Bankgeschäfte rein digital ohne Berater am Computer oder per App am Mobiltelefon.

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Sogar direkte Aktien-, Anleihe- und Fondskäufe sind auf dem Handy möglich – auf die Schnelle mal kurz Geldvermögen weltweit irgendwo verteilen, das wird immer beliebter.

Anhaltender Trend in der Finanzbranche: Private Anleger achten zunehmend darauf, ihr Geld in Investmentfonds zu investieren, die bei ihrer Anlagepolitik auf Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit achten.
Anhaltender Trend in der Finanzbranche: Private Anleger achten zunehmend darauf, ihr Geld in Investmentfonds zu investieren, die bei ihrer Anlagepolitik auf Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit achten. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Innerhalb eines Jahres nutzen 29 Prozent mehr Commerzbank-Kunden in Oberhausen die mobile Bank-App auf ihrem Handy. Und wer Geld investiert, achtet stärker als früher darauf, ob der Fonds an nachhaltigen Unternehmen mit Klimaschutz- und Umweltaspekten beteiligt ist – oder direkt an umweltfreundlichen Energieanlagen, wie Windparks.

Sarah Krauße, in Oberhausen für die Commerzbank verantwortlich für den Bereich Unternehmerkunden..     
Sarah Krauße, in Oberhausen für die Commerzbank verantwortlich für den Bereich Unternehmerkunden..     © Commerzbank

Nach 14 Monaten beobachten die Unternehmer-Spezialisten der Bank wie Sarah Krauße, dass die Corona-Pandemie die Wirtschaft extrem spaltet – in Gewinner und Verlierer. Während Lebensmittelhändler, Medizintechniker, Online-Händler, Transporteure und Logistiker jubeln, darben Gastronomen, Reise-, Mode- und Autoanbieter – außer diese lassen sich etwas Besonderes einfallen. In Oberhausen finanzierte die Commerzbank den Ausbau der Außengastronomie oder die Neuorientierung eines Konzert-Sicherheitsdienstes zum wachsenden Impfzentren-Überwacher.