Oberhausen. Die Niedrigzinsphase bedrückt nicht nur die Sparkasse Oberhausen. Diese hält es für wirtschaftlich erforderlich, alte Sparverträge zu kündigen.
Durch die seit zwölf Jahren anhaltende Niedrigzinsphase sieht sich die Stadtsparkasse Oberhausen gezwungen, aus wirtschaftlichen Gründen die so beliebten unbefristet laufenden S-Prämiensparverträge zu kündigen.
Betroffen sind 3500 Kunden, die auf diesen Langzeit-Verträgen im Schnitt 20.000 Euro angespart haben. „Wir haben sehr stark mit uns gerungen, aber uns dann doch mit Blick auf die wirtschaftlichen Bedingungen durchgerungen, dass wir die Sparverträge kündigen werden“, sagte der Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Oliver Mebus im Gespräch mit der Redaktion. „Dies ist eine schwere Entscheidung, die aber betriebswirtschaftlich unvermeidlich ist.“
Bei den einst von den Sparkassenberatern sehr gerne verkauften S-Prämiensparverträgen handelt es sich eigentlich im Prinzip um ein Dauer-Sparprodukt, das zum kleinen Vermögensaufbau dienen sollte. Die Verträge wurden in Oberhausen in den Jahren 1993 bis 2004 verkauft – der Sparer vereinbarte mit der Sparkasse eine feste monatliche Sparrate (im Schnitt 55 Euro), die nach den gültigen Zinssätzen verzinst wurden. Diesen Basiszinssatz durfte das Institut bereits absenken – und liegt mittlerweile bei 0 Prozent.
Hoher Bonus von 50 Prozent am Jahresend
Allerdings schüttete die Sparkasse vertragsgemäß zum Jahresende eine Bonuszahlung auf die jährliche Spareinzahlung des Kunden aus. Diese Prämie stieg Jahr für Jahr an – bis zum 15. Sparjahr. Diesen Bonus durften die Sparkassen nicht antasten. In den Oberhausener Sparkassenverträgen betrug dieser satte 50 Prozent auf den im 15. Jahr eingezahlten und beim Vertragsabschluss festgelegten Sparbetrag. Wer also 600 Euro in seinem 15. Jahr sparte, erhielt vom Geldinstitut 300 Euro. Auf diese Art können die Sparverträge endlos recht ertragreich bespart werden – es gibt also auch im 16., 17. und in allen weiteren Jahren 50 Prozent Prämie auf den jüngst gezahlten Betrag.
Dies ist für Sparer natürlich sehr lukrativ; dagegen für die Sparkasse in der langen Niedrigzinsphase mit Strafzinsen von minus 0,5 Prozent für Banken, die Geld bei der Europäischen Zentralbank lagern, sehr teuer. So zahlt der Oberhausener Marktführer auf die Gesamtsparsumme dieser Prämiensparverträge von 77 Millionen Euro Jahr für Jahr satte zwei Millionen Euro. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass die Sparkasse in der Regel nur einen Jahresüberschuss von 4,5 Millionen Euro erwirtschaftet; 2020 sogar nur von 2,1 Millionen Euro.
Trotz der unbefristet laufenden Sparverträge ist es den Banken und Sparkassen auch nach Auffassung der Richter am Bundesgerichtshof (BGH, Az.: XI ZR 345/18 vom 14. Mai 2019) erlaubt, die nun verlustreichen Verträge mit einer Drei-Monats-Kündigungsfrist loszuwerden. Bedingung: Der Sparkassenkunde muss die Höchststufe der Prämie im 15. Jahr einmal erreicht haben.
250 Geldinstitute haben bereits Sparverträge gekündigt
Die Stadtsparkasse hat lange gezögert, diese Option zu ziehen; 250 Geldinstitute haben dagegen bereits bundesweit gehandelt, wie etwa die Sparkasse Duisburg. Die einen kündigten bereits vor vier Jahren, die anderen relativ direkt nach dem Urteil vor zwei Jahren. „Jetzt geht es aber nicht mehr anders, wir haben möglichst lange versucht zu verhindern, dass unsere Kunden von den sich verschlechternden Rahmenbedingungen für Geldinstitute getroffen werden“, gibt Sparkassen-Vorstandsvize Thomas Gäng an. Gekündigt werde mit Schreiben von Ende Juni 2021 zum 30. September 2021. Gezahlt werde die hohe Prämie entgegen rechtlicher Möglichkeiten auch bis zum letzten Vertragstag.
Einige hundert Stammkunden mit besonderen Prämiensparverträgen bleiben von der Oberhausener Kündigungswelle übrigens ausgenommen: Für die von 2004 bis 2006 verkauften Sparprodukte gilt das BGH-Urteil nicht – deren Sparverträge führt die Sparkasse weiter.
Oberhausener Finanzberater rufen Prämien-Sparvertragskunden an
Bereits seit Ende Mai rufen die Finanzberater der Sparkasse die betroffenen Sparvertragskunden an, um sie über die neue Nachricht zu informieren. „Wir wollen möglichst viele Kunden telefonisch vor dem Versand der Kündigungen erreichen, um ihnen die Lage ausführlich zu erläutern und zu empfehlen, in ebenfalls lukrative Anlagen zu gehen“, sagt Mebus. Dabei helfe die derzeit ausgezeichnete Entwicklung an den Wertpapiermärkten, speziell an den Aktienbörsen. Sein Vorstandskollege Gäng ging bereits mit gutem Beispiel voran, hob das Geld aus seinen Prämiensparverträgen ab und steckte diese in Wertpapiere. „Da habe ich in den vergangenen Monaten mehr herausgeholt als mit der Prämie.“
Kein Ende der Niedrigzinsphase in Sicht
Aus verschiedenen Gründen rechnet die Stadtsparkasse Oberhausen wie andere Geldinstitute nicht mehr damit, dass die Niedrigzinsphase in den nächsten Jahren nachhaltig endet. Deshalb stellen sich nun viele Banken und Sparkassen mit höheren Kontoführungsgebühren, Kündigungen von Alt-Sparverträgen und Schließung von Filialen auf diese Epoche in der Finanzwirtschaft ein.
Unter dem Strich erwirtschaftete die Sparkasse im vergangenen Jahr mit zwölf Millionen Euro ein gutes Betriebsergebnis aus dem laufenden Geschäft. Das bedeutet ein kleines Plus (Vorjahr: 11,7 Millionen). 2016 und 2017 liefen die Geschäfte aber mit einem Jahresüberschuss von fast 15 Millionen Euro besser. Durch die deutlich erhöhte Vorsorge wegen möglicher Kreditausfälle drückt der Vorstand den ausgewiesenen Jahresüberschuss für 2020 auf nur noch 2,1 Millionen Euro (von 2017 bis 2019 jeweils 4,5 Millionen Euro).
Trotzdem wissen beide Vorständler natürlich, dass ihre Kundschaft nicht komplett für Aktien zu begeistern sein wird. „Wir haben bei Geldfragen eher konservative Klientel, da wollten wir nicht, dass unsere Berater mit ihnen nur über Wertpapiere reden“, meint Mebus. Deshalb habe man einmalig für diese Klientel exklusiv einen eigenen Sparkassenbrief aufgelegt – je nach Laufzeit verzinst sich dieser allerdings nur mit 0,3 oder 0,25 Prozent, ist dafür aber sicher.