Oberhausen. Das Niederrhein-Kolleg in Oberhausen bietet Erwachsenen die Chance, ihr Abitur nachzuholen. Doch die Studierendenzahlen sinken. Was das bedeutet.

Eine wichtige Bildungsinstitution in Oberhausen blickt in eine unsichere Zukunft: Das über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Niederrhein-Kolleg(NRK) kämpft seit Jahren mit sinkenden Studierendenzahlen. Das staatliche Kolleg befindet sich in Trägerschaft des Landes NRW. Die schulgesetzliche Vorgabe vom Land: Mindestens 240 Studierende müssen die Institution besuchen. Doch die Zahlen sind seit einigen Jahren rückläufig. Nach einem aktuellen Bericht des Ministeriums belief sich die Studierendenzahl zum Schuljahr 2020/21 auf 197.

Bereits 2019 hatte das Rechnungsprüfungsamt die Unterschreitung der Mindestgröße festgestellt und eine Schließung der Schule empfohlen. Passiert war seitdem wenig. Der Oberhausener SPD-Politiker Stefan Zimkeit hatte das Thema kürzlich wieder aufgeworfen und einen Erhalt der Institution gefordert.

Weiterbildungskollegs unterliegen wirtschaftlichen Entwicklungen

Das Weiterbildungskolleg ist seit jeher eine Möglichkeit für Erwachsene, das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg zu erlangen. Die Schulform unterliegt jedoch wirtschaftlichen Entwicklungen. „Die These ist, dass Weiterbildungskollegs in wirtschaftlich schlechteren Zeiten mehr Zulauf finden, wenn Menschen beispielsweise ihre Arbeit verlieren oder keine Ausbildung bekommen“, meint Regina Zimmermann, Leiterin des Niederrhein-Kollegs. „Das ist in der laufenden Corona-Pandemie bisher allerdings nicht zu beobachten.“ Das machte zuletzt auch dem Ruhr-Kolleg in Essen zu schaffen – ihm droht das Aus. Dort wird nun über Ausweichmöglichkeiten für die Studierenden nachgedacht.

Das Kolleg ist eines von fünf Einrichtungen dieser Art in Duisburg, Essen und Oberhausen und hat auf seinem Gelände neben 34 Unterrichtsräumen auch ein eigenes Wohnheim, in dem die Studierenden wohnen können. Im Jahr 1953 wurde die Einrichtung unter dem Namen „Oberhausen Kolleg“ gegründet und war landesweit das erste seiner Art. Grundvoraussetzung für die Anmeldung ist das Mindestalter von 18 Jahren sowie eine zweijährige Berufstätigkeit – allerdings können auch Arbeitslosigkeit, Erziehungs- und Pflegezeiten oder ein Freiwilliges Soziales Jahr anerkannt werden. Am Kolleg wird in Semestern gearbeitet, eine Anmeldung ist somit zwei Mal pro Jahr möglich.

Schulministerium prüft Lösungen für das Niederrhein-Kolleg

Seit 2019 hat sich das NRK bereits breiter aufgestellt und sich auch Lernwilligen geöffnet, die keine Fachoberschulreife vorweisen können. In einem Vorkurs vor Ort kann die Qualifikation nachgeholt werden. Direktorin Zimmermann und ihr Kollegium glauben an die Schulform: „Wir finden das Angebot der Weiterbildungskollegs sehr wichtig. Unsere Gesellschaft unterliegt strukturellen und konjunkturellen Veränderungen und es ist unsere Aufgabe, uns diesen Veränderungen zu stellen und uns anzupassen.“ Seit einigen Jahren gebe es bereits Überlegungen, die Weiterbildungskollegs angesichts der zurückgehenden Studierendenzahlen breiter aufzustellen und mehrere Bildungsgänge unter einem Dach zu bündeln.

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Im Haushaltskontrollausschuss auf Landesebene im Mai äußerte sich das Schulministerium zur aktuellen Lage. Dort gab das Ministerium an, in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob das Niederrhein-Kolleg als Teilstandort eines anderen, benachbarten Kollegs erhalten bleiben kann oder die Stadt Oberhausen als kommunaler Träger eingesetzt wird. Die Alternative, die Stadt als Träger einzusetzen, hatte Politiker Stefan Zimkeit aufgrund der damit einhergehenden Kosten bereits als lediglich „allerletzte Möglichkeit“ bezeichnet.

Stadt Oberhausen möchte helfen

Generell ist die Stadt zu Gesprächen aber bereit. „Trotz der Ankündigung des Ministeriums, mit uns in Kontakt zu treten, ist bisher nichts passiert“, erklärt Schuldezernent Jürgen Schmidt. Er habe bereits Kontakt aufgenommen, doch die Gespräche würden derzeit noch ausschließlich auf Landesebene stattfinden. „Natürlich sorgen wir uns um die Einrichtung und wollen sie erhalten. Daher könnten wir uns gut vorstellen, durch Marketingmaßnahmen oder Kooperationen zu helfen.“

Aber wie geht es jetzt weiter? „In die Entscheidung über mögliche Szenarien im Umgang mit dem Niederrhein-Kolleg ist eine Vielzahl pädagogischer, juristischer, personalrechtlicher sowie wirtschaftlicher Faktoren miteinzubeziehen“, heißt es aus dem Schulministerium auf Nachfrage dieser Redaktion. „Ziel aller Überlegungen ist, die Angebote des Zweiten Bildungsweges durch angemessene und vertretbare Anpassungen der bestehenden Strukturen zu stabilisieren und langfristig zu sichern.“

Immer mehr Schüler erwerben Abschluss auf dem Ersten Bildungsweg

Die Probleme der Institutionen im Land sieht das Ministerium in gesellschaftlichen Strukturen verortet: „Immer mehr Schüler erwerben einen Schulabschluss im Rahmen des Ersten Bildungsweges, sowohl im allgemeinbildenden als auch im berufsbildenden Bereich.“ Ablesen lässt sich diese Entwicklung nach Aussage des Landes an der Zahl der Schüler, die ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen haben – von 1970 bis zum Jahr 2018 habe sich die Quote der Schüler ohne Hauptschulabschluss um fast 70 Prozent verringert.

Politische Diskussion beginnt

Wegen der Diskussion auf Landesebene stellt die SPD-Fraktion in Oberhausen im kommenden städtischen Schulausschuss am 17. Juni einen Antrag auf Information zum aktuellen Sachstand. Sollte es von der Mehrheit der Mitglieder gewünscht werden, wird der städtische Bereich Schule erneut auf das Ministerium zugehen, stellt Dezernent Jürgen Schmidt in Aussicht.

Auch die Linke Liste Oberhausen äußerte sich bereits in einer Pressemitteilung. „Wir fordern eine klare Zusage der Landesregierung, das Niederrhein-Kolleg in der jetzigen Konstellation zu erhalten“, fordert Schulausschuss-Mitglied Angelika Glauch. „Denn für die Stadt dürfte die Finanzierung nicht so leicht sein. Die anderen Weiterbildungseinrichtungen sind Abendschulen und damit völlig andere Kolleg-Formen, die sich schlecht kombinieren lassen.“

Die Linken betonen, dass bereits in den vergangenen Jahren hätte geprüft werden sollen, wie positiv auf die Anmeldezahlen eingewirkt werden könne. „Außerdem ist es wohl kaum repräsentativ, wenn sinkende Anmeldezahlen von Schülern während der Pandemie vom Ministerium herangezogen werden. Das kann sich doch quasi über Nacht ändern.“

Mehr Informationen über das Niederrhein-Kolleg gibt es auf der Internetseite www.niederrhein-kolleg.de oder der Telefonnummer 0208-880870.

„Zudem wurde im Laufe der Jahre das Angebot erweitert, Schulabschlüsse wie den Hauptschulabschluss oder den mittleren Schulabschluss auch an anderen Weiterbildungseinrichtungen wie etwa den Volkshochschulen nachträglich zu erwerben“, heißt es in der Stellungnahme weiter.

Fest steht: Das Land hat einen langfristigen Mietvertrag für das Gebäudeensemble an der Wehrstraße – bis zum Ende des Jahres 2030. Ein frühzeitiger Austritt aus dem Vertrag ist nicht möglich. Auch deshalb bemüht sich das Kolleg selbst um Aufklärung – das Anmeldeverfahren für das kommende Semester läuft normal weiter. „Jeder Studierende, der gerade bei uns lernt und jeder, der sich jetzt für das Abitur anmeldet, wird seinen Abschluss bei uns machen können“, betont Regina Zimmermann.