Oberhausen. Für ihre Masterarbeit forscht eine Studentin in den Wäldern von Oberhausen. Ein tödlicher Pilzbefall bedroht die Bestände der Feuersalamander.

Vom vielen Händewaschen werden die Hände rau und rissig. Darum hat sich Lara Gemeinhardt daran gewöhnt, häufig die dünnen, weißen Einmal-Handschuhe zu wechseln. Die Studentin beschäftigt sich allerdings nicht mit der Corona-Pandemie, sondern ist besorgt über einen hartnäckigen Pilz. Dieser breitet sich rasend schnell aus. Fast immer verläuft sein Befall tödlich.

Nicht der Mensch ist bedroht, sondern Molche - ganz besonders aber der Feuersalamander. Lara Gemeinhardt leuchtet dafür mit der Taschenlampe im dichten Laub des südlichen Parkteils im Revierpark Vonderort. Einen Schlapphut gegen den Regen trägt sie auf dem Kopf. Den Verschluss der gelben Regenjacken hat sie hochgezogen.

Die gebürtige Duisburgerin forscht für ihre Masterarbeit an der Ruhr-Universität in Bochum. Den praktischen Teil absolviert sie gerade bei der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet - begleitet und unterstützt vom Biologen Martin Schlüpmann.

Forschungsarbeit mit Taschenlampe am Bachufer

„Ein Job, bei dem ich nur im Büro sitze, ist nichts für mich“, sagt die 25-Jährige über ihre Zukunftspläne. Darum fühlt sie sich im stockdunklen Wald nicht unwohl, während sie am modrigen Ufer eines Baches tief mit ihren hohen Gummistiefeln einsackt. Neben umgestürzten Baumstämmen wartet sie geduldig darauf, dass es am Waldboden raschelt. Nachts werden die Tiere munter. Feucht genug muss es ein, nicht zu warm. Die Suche nach Salamandern ist eine Wissenschaft für sich.

Auch diesmal hat die junge Frau ihre Handschuhe und Hand-Desinfektionsmittel im Rucksack dabei, damit sich „Batrachochytrium salamandrivorans“, so der Fachausdruck, nicht weiter ausbreitet. Das Ziel: Es gilt Daten über die schwarz und gelb gemusterten Tiere zu sammeln. Zu beobachten, wie sich die Bestände verändern. Zu erfassen, wo der Pilz wütet. Auch die Bevölkerung soll sensibilisiert werden.

Aggressiver Pilz zerfrisst die Haut der Salamander

„Die Folgen für die Tiere sind tiefgreifend“, sagt Lara Gemeinhardt. Der Krankheitsverlauf, des auch als Salamander-Pest bezeichneten Chytridpilz, hört sich an, als wäre er einem Horrorfilm entsprungen. Der aggressive Befall frisst tiefe Löcher in die Haut der Tiere.

Schon der Sichtkontakt reicht für die Studentin häufig aus, ein befallenes Tier zu erkennen. Wie wird eine Erkrankung aber wissenschaftlich nachgewiesen? „Über einen PCR-Test!“ Dieser Abstrich funktioniert wie beim Menschen mit einem Wattestäbchen und einer Laboranalyse. Allerdings nicht über den Rachen, sondern über den Salamander-Bauch.

Ja, manchmal seien Spaziergänger überrascht, dass Salamander überhaupt in Oberhausen zu finden sind. Im Hiesfelder Wald hat die Studentin schon eine große Zahl der Amphibien beobachtet. Auch im Sterkrader Wald sei die Population hoch.

Feuersalamander sind nachts aktiv, sollten Waldbesucher ihn trotzdem antreffen, verbietet sich das Anfassen aus mehreren Gründen. Seine Haut schützt ihn mit seinen Giftdrüsen gegen äußere Einflüsse. Das macht ihn als Beutetier unattraktiv - ja, ungenießbar. „Der Salamander hat kaum natürliche Feinde.“ Doch gegen den hierzulande neuen Pilz kennt das Abwehrsystem bislang keine Antwort.

Salamander-Pest grassiert seit 2017 im Ruhrgebiet

Ursprünglich stammt der eingeschleppte Hautpilz aus Südostasien, tauchte zunächst in den Niederlanden und Belgien auf. Seit 2017 wird er im Ruhrgebiet nachgewiesen. In der Nachbarstadt Essen haben Biologen bereits eine Sterbewelle erfasst. „Dieses war so deutlich zu sehen, dass Spaziergänger viele tote Tiere am Wegesrand aufgefunden haben“, sagt der Biologe Martin Schlüpmann.

Für Lara Gemeinhardt ist die Forschungsarbeit darum eine Herzensangelegenheit. Sie möchte dazu beitragen, die Tiere und ihren Lebensraum zu schützen. Für ihre Masterarbeit ist das Beobachten, Erfassen und Auswerten ein Rund-um-die-Uhr-Job. Freizeit? „Das, was ich hier mache, ist mein größtes Hobby.“

Bislang ist die Salamander-Pest in Oberhausen zwar noch nicht nachgewiesen worden. Doch die Gefahr sei dennoch akut. „Die Sporen des Erregers werden nicht nur durch Wildtiere weitergetragen, sondern auch durch Spaziergänger.“ Hunde, die im Unterholz tollen, können den Erreger ebenfalls weiter verbreiten.

Sporen werden durch Menschen und Tiere weitergetragen

Was Lara Gemeinhardt und Martin Schlüpmann aus Forschungsgründen und unter Hygieneregeln in der Nacht unternehmen, sollten Spaziergänger darum nicht nachahmen. „Spaziergänger sollten auf den Gehwegen bleiben.“ Wer durch das Unterholz stampft, übertrage den Pilz schnell über seine Fußsohlen oder die Kleidung. Gerade das unbefestigte Ufer der Bäche sollten Waldbesucher meiden.

Am Bachufer hat die Studentin mit ihrer Taschenlampe einige Salamander-Larven entdeckt, die am schlammigen Boden wie braune Würmer wirken. Wie viele Feuersalamander im Revierpark Vonderort unterwegs sind, darüber gibt es bislang keine genauen Zahlen. 200 bis 300 schätzen manche Forscher. Fest stehe: Sollte sich die Salamander-Pest im Wald ausbreiten, ist die gesamte Population in Gefahr.

>>> So können Waldbesucher mithelfen

Die Forscher der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet bitten Besucher, in den Wäldern auf den Spazierwegen zu bleiben. Damit sich die Salamander-Pest nicht weiter ausbreitet, sollten Schuhe, Stiefel, Reifen, Werkzeuge, Hundepfoten und Hände vor und nach einem Waldbesuch desinfiziert werden.

Wer einen toten Salamander findet, sollte diesen an die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet melden. Dies ist auch im Internet unter der Adresse www.herpetofauna-nrw.de möglich.