Oberhausen. Schauspieler Caspar Kaeser stammt aus der Schweiz, vermisst aber die Berge nicht. Und Meer sowieso nicht. Flüsse oder Dinge wie den alten Ruhrarm in Oberhausen mag Kaeser, der jenseits der Bühne ganz ruhig wirkt - und darauf fast aggressiv körperbetont. Sein "Spielplatz: Oberhausen".
"Wenn Leute mich hier besuchen, die Oberhausen nicht kennen, dann zeige ich ihnen zuerst diesen Ort." Der Schauspieler Caspar Kaeser sitzt auf der Bank des Deiches an der alten Ruhr und schaut über endlose Wiesen in die sich nur langsam versenkende Sonne des frühen Herbstes. Eher verhalten klingt von weit her der Lärm der Verkehrsadern in diese Idylle mitten im Revier. Jeden Atemzug dieses spätsommerlichen Herbstes scheint der gebürtige Schweizer aufzusaugen. Wer Caspar Kaeser nicht kennt, würde in diesem ruhigen, bedächtig erzählenden jungen Mann nicht den Schauspieler vermuten, der auf der Bühne durch ein beinahe schon aggressiv körperbetontes Spiel auffällt, mit dem er, eingebettet in eine ausgefeilte Sprechkunst, die ihm anvertrauten Charaktere zeichnet.
Da prallen Welten aufeinander
Da prallen wohl zwei Welten aufeinander, korrespondieren aber auch miteinander in dem 27-Jährigen, der am 1. Mai 1982 in Bern geboren wird. Grundschule, Schule, Gymnasium. Auf der Penne stellt er fest, dass er sich nicht in die Familientradition einfügen, keine akademische Laufbahn einschlagen will. Der Vater ist Physiker und Philosoph mit Professur, auch Buchautor („Der Mensch im Zeitalter seiner Entbehrlichkeit”), ein Sohn ist Journalist und Fachmann für internationales Recht, arbeitet zur Zeit bei der UNO. Sohn Caspar will Schauspieler werden. Kann er sogar ohne Murren, die Mutter lebt da schon auf der süditalienischen Insel Lipari.
Nach dem Abi macht Caspar Pause, besucht aber auch in Mainz eine private Schauspielschule, spielt in Bern Theater. Schließlich bewirbt er sich doch, „wegen der damaligen Freundin”. In Bern wird er abgelehnt, in Berlin schafft er es in die Endrunde, dann ist auch dort Schluss. Zürich hatte ihn aufgefordert, sich später nochmal zu bewerben, da klappt es dann auch. Vier Jahre bleibt er dort, macht seinen Abschluss - und wird von Johannes Lepper ans Oberhausener Schauspiel verpflichtet: „Ich kam neu ins Ensemble, wurde sofort gut aufgenommen, ein Jahr später war es dann bei Peter Carp mit den neuen Leuten genauso.”
Sich nicht selbst ins Wort fallen
Bei Johannes Lepper wird er gleich ins kalte Wasser geworfen: eine Rolle in „Dantons Tod”. Der Intendant selbst inszeniert im Gasometer. „Ich habe schon beim Vorsprechen gemerkt, dass ich auch auf mein Stimmvolumen getestet wurde. Der Gasometer mit seinem 16-fachen Hall ist ja keine leichte Aufgabe für einen Schauspieler. Man muss aufpassen, dass man sich nicht selbst ins Wort fällt.”
In diesem Raum, sagt er auch, habe er die Dimensionen des Ruhrgebietes erahnen, sogar ablesen können, „das ist ja schon ein Moloch”. Aber Caspar Kaeser verdient zum ersten Mal sein eigenes Geld. Gewiss nicht viel, man weiß, Anfänger am Theater werden hundsmiserabel bezahlt. Das kann bei Schauspielern zur Identitätskrise führen, so etwas scheint der junge Schweizer nicht zu kennen. Wieviel Schweiz steckt denn überhaupt noch in ihm? „Die Schweiz wird immer mit Nazigeld, Schwarzgeld und Nummernkonten gleichgesetzt. Das allein ist nicht die Schweiz. Es gibt in der Schweiz sehr langsame, bedächtige Menschen, aber ich bin der Berner Blitz. Außerdem bin ich zu einem Viertel ja Finne. Aber ich merke doch, je länger ich im Ausland bin, desto patriotischer werde ich. Trotzdem möchte ich nicht wieder zurück.”
Ohnehin sei er nicht unbedingt der Typ für die Berge, wie er eigentlich auch das Meer nicht schätzt: „Zur groß, zu tief und zu salzig.” Flüsse oder Dinge wie hier den alten Ruhrarm mag Caspar Kaeser, auch eine sanft hügelige Landschaft. Und die offenen Menschen, mag er, findet es gut, dass man die Sachen „unvermittelt an den Latz” geknallt bekommt”.
Ab und zu muss die Textfressmaschine ihre Batterie laden
Es hätte auch das „Gdanska” sein können, sein Ort in Oberhausen, sagt Caspar Kaeser, „aber ich habe nach einer harten Probe oft auch ein großes Bedürfnis nach Alleinsein, möchte dann außer meiner Freundin auch niemanden um mich haben. Ich brauche dann Erdung, einen Ruhepol, muss die Batterie wieder aufladen. Wir sind ja wie Textfressmaschinen, da passiert vieles in einem, das muss man auch verarbeiten. Wenn man immer diesen Rush hat, das kann einem übel bekommen.”
Daher haben auch wenige wirkliche Hobbys zurzeit Platz in seinem Leben, Hobbys im Sinne von Steckenpferd. Natürlich liest Caspar Kaeser, er trifft sich mit Freunden, geht ins Kino. Überhaupt interessiert ihn alles, was irgendwie mit Film zu tun hat. Er will wissen, wie man so was macht, so einen Film. Es könne ihn durchaus reizen, irgendwann mal selbst einen zu drehen, „obwohl ich natürlich immer Schauspieler sein werde, ich mache das ja gerne”. Und man hat den Eindruck, er würde es gern in mehr Sprachen machen können als bisher. Schweizerdeutsch spricht er, auf der Bühne natürlich einigermaßen akzentarm Hochdeutsch („Das musste ich wirklich lernen”), Französisch, Englisch, das will er erheblich ausbauen. Ruhrpöttisch kann er nicht, obwohl er die Mentalität hier sehr mag. Auch optisch sei es hier gar nicht so schlimm, wie er vorab vermutet hatte, viel grüner. Aber das Pfund der Region seien die Menschen, „hilfsbereit und man spürt, dass sie gerne helfen.” Ab er findet auch, dass hier zuviel gejammert wird. Mit dieser Einschätzung steht Caspar Kaeser nicht allein.