„Ich freu' mich”, klatscht sie in die Hände und strahlt, als wolle sie die Sonne ersetzen, die sich versteckt hat hinter grauen Wolken, aus denen es auf den CentroPark herabnieselt. Man muss wohl so gut drauf sein wie die Schauspielerin Manja Kuhl, um sich bei diesem Wetter aufs Riesenrad zu freuen.
Und in Hamburg geboren, wo der Wind den Regen weit häufiger um die Nasen weht als auf einem Riesenrad im Ruhrgebiet. Und darum hat sich die junge Schauspielerin des Oberhausener Ensembles auch diesen Ort ausgesucht: „Hier bin ich schon ein bisschen zu Hause, Riesenrad, Dom (die berühmte Kirmes in der Hansestadt). Ich hätte auch den Gasometer nehmen können, aber das wäre dann irgendwie so typisch gewesen, da hätte man sich nicht wirklich was überlegt. Nach einer anstrengenden Probe macht der Wind hier nochmal einen klaren Kopf. Und von hier oben sieht Oberhausen noch ein bisschen hübscher aus. Man kann sehen, wo man lebt, aus einem Blickwinkel, um sich wohlzufühlen. Das Centro da unten, da ist ja alles so aufgeblasen, aber den Park hier, viel kleiner als andere Freizeitparks, den finde ich total charmant.”
Und dann erzählt sie von ihren Hippie-Eltern. Manja wird am 9. Oktober 1981 in Bamburg-Barmbeck geboren, die Mutter stammt aus Süddeutschland, der Vater aus Düsseldorf. Jetzt leben sie am Rande der Nord-Metropole auf einem Bauernhof, der Hippie-Vater hat lange Haare, die Mutter ist gelernte Schneiderin, studierte Modezeichnerin und spätere Gewandmeisterin. Und beide sind sie mit einem Wohnwagen-Theater auf Reise, arbeiten auch mal mit den legendären „Ton, Steine, Scherben” zusammen, beide sind sie zum muslimischen Glauben übergetreten: „In den ersten Jahren bin ich muslimisch erzogen worden.”
Irgendwann trennen sich die Eltern, Manja bleibt bei der Mutter, die wieder Christin wird. Die Jugend bleibt turbulent. Schon als Kind spielt Manja beim Kinder- und Jugendthater in Hamburg. Nach einem fernöstlichen Schnupperaufenthalt lebt sie drei Monate in China (die Sprachkenntnisse sind geblieben), ist aber auch froh, als die Zeit zu Ende ist in einem Land, wo alles straff geregelt war. Wieder in Hamburg will sie nur noch ausbrechen. Mit 17 zieht sie zu Hause aus, lebt auch mal auf der Hamburger Schanze, will die Schule schmeißen: „Dann war ich doch vernünftig, habe mein Abi gemacht.”
Dann jobbt sie, mal hier mal dort. In einem Geschäft für Wohnaccessoires, sie kellnert, ist Fotoassistentin, und immer auch am Schauspielhaus. Mal im Sekretariat, mal als Kostümassistentin und irgendwann glaubt sie, für eine Bewerbung an eine Schauspielschule zu alt zu sein. Manja versucht es dann doch, Leipzig und Hamburg, wo sie weit lieber hingegangen wäre, sagen ihr ab. Berlin sagt zu, 2004.
Sie schwärmt nicht gerade von den folgenden vier Jahren, erkennt aber an, dass es eine lehrreiche Zeit war. Man sei wie eine Pflanze, der die Blätter abgefallen sind und die dann eingepflanzt wird, die eingehe oder einen kräftigen Stamm entwickle. Sie habe den Stamm geschafft: „Und man hat den Stempel.”
An der Ernst-Busch-Schule gibt es ein Intendantenvorsprechen, Peter Carp ist mit Tilman Raabke und Rüdiger Bering da, das Trio ist auf der Suche nach seinem künftigen Oberhausener Ensemble. „Sie waren die ersten, die mit mir gesprochen haben, ich habe mich richtig wahrgenommen gefühlt. Da geht man dann doch auch hin.” Und empfindet seither hier alles irgendwie ein Geschenk, mit den tollen Leuten, den Kollegen, den Chancen.
Und wenn man Glück hat, landet man in der roten Gondel
„Ihr könnt' fahren, bis der Arzt kommt”, hatte Parkherr Oscar Bruch jr. kurz zuvor via Handy aus Erfurt gesagt, wo er fürs Oktoberfest aufbaut. Manja Kuhl freut sich wieder und strahlt, reichlich 40 Meter über Oberhausen und findet es gar nicht bemitleidenswert, in Hamburg geboren und aufgewachsen zu sein, in Berlin studiert und gelebt zu haben und jetzt in Oberhausen heimisch zu sein - mit WG und Freundinnen fernab vom Theater.
Das sind Momente hier oben, wenn sie über alles nachdenkt, in denen Manja Kuhl die Kollegen von der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin ins Gedächtnis kommen, die sofort mitleidsvoll dreinschauten, als sie gesagt hat, dass sie ans Oberhausener Theater geht. Und dann meint sie, einfach nur so, ganz ohne Häme: „Die haben jetzt nichts und ich kann mit so tollen Leuten wie Herbert Fritsch, Jürgen Kruse oder Peter Carp zusammenarbeiten.”
Und mit so wunderbaren Kollegen, sie kann es kaum begreifen, vier ganz junge Schauspielerinnen, kein Zickenkrieg, im Gegenteil, erinnert sie an die hinreißende b.a.r.-Produktion „love-Socks” mit Nora Buzalka, Angela Falkenhan und Annika Meier.
Kinderhörspiele, wenn sie sich auf dem Laufband fit hält, Kino, Reisen, Krimis als Buch und im TV, Favorit Tatort, sie würde gern mal eine Kommissarin spielen: „In einem Tatort Oberhausen, die Kulisse ist wie geschaffen.” Klar habe die Stadt Probleme: „Aber die tollen Leute hier, die kriegt man ja noch hautnah mit.” Noch einmal Riesenrad: „Wie das Leben, mal rauf, mal runter, Höhen und Tiefen. Und wenn man Glück hat, landet man in der roten Gondel.” Sie sitzt drin.
Die nächste Serienfolge bleibt in der Familie: Caspar Kaeser, Manjas Freund.