Oberhausen. Orte, die er mag in Oberhausen, er hätte manche nennen können. Jetzt sitzt der Schauspieler Martin Müller-Reisinger in der Mittagssonne (es ist ein paar Tage her) beim Italiener am Ebertbad und schaut über den Platz.

„Zwischen den Proben oder sonntagsmorgens sitze ich schon mal ganz gerne hier auf einer Bank und hänge meinen Gedanken nach.” Welchen Gedanken? „Ach, so vielen, es kommt auf die Tagesverfassung an”, sagt der Schauspieler Martin Müller-Reisinger. „Die netten Jungs”, die auch dort sitzen und gerne mal einen heben, sie grüßen den Mimen ab und zu. Der gebürtige Oberösterreicher ist angekommen hier in der einstigen Wiege der Ruhrindustrie. Er fühlt sich nach gut einem Jahr in ihr so wohlig gebettet, dass er Heimweh hat, wenn er mal in seiner Heimat ist oder in Wien, oder in München, wo seine Freundin wohnt, mit der er seit neun Jahren getrennt zusammenlebt. „Ja”, sagt er, „ich mag auch den Dönerimbiss gegenüber vom Bahnhof, auf den Stühlen draußen, da sitze ich auch gern.” Und ganz oben auf der Hitliste seiner Lieblingsorte in Oberhausen hat Martin Müller-Reisinger Almut Boyens wunderschönes kleines Geschenke-, Getränke- und Leckereienparadies an der Ecke zur Sedanstraße angesiedelt. Hier, gewissermaßen im Hinterzimmer des Theaters, wo der Kulissentratsch aus jedem Regal ans Ohr geflüstert wird, hier hat der Schauspieler dann noch ein drittes Zuhause.

Achte Jahre sind eine Ewigkeit

Martin Müller-Reisinger wird am 1. April 1969 in Wels geboren, Linz, die aktuelle Kulturhauptstadt, liegt nahe. Er ist 10, als es vom Traunsee im Salzkammergut nach Frankfurt geht, die Mutter hat sich beruflich verändert. Deutschland gilt da noch als Wirtschaftswunderland, Martin Müller-Reisinger macht in der Main-Metropole sein Abitur. Dann jobbt er, kellnert sogar, beginnt an der Otto-Falckenberg-Schule ein Schauspielstudium. Die Lust hält nicht lange vor, der Schulbetrieb ödet den jungen Mann an, bald geht er kaum mehr hin, wird schließlich gegangen - und lernt die Schauspielerin Eleonore Zetsche kennen, die unter Claus Peymann ein großer Name war am Bochumer Schauspielhaus. Bei ihr nimmt er Privatunterricht, sie wird seine Theatermutter, dann seine gesetzliche. Eleonore Zetsche adoptiert den jungen Mann, der spielen, aber nicht zur Schule gehen will: „Sie hatte keinen Sohn, ich hatte eigentlich keine Mutter.”

Schließlich erhält er ein Engagement in Innsbruck, der Weg dorthin ist seine erste große Rolle. Denn Martin Müller-Reisinger spielt den erfolgreichen Absolventen der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst so überzeugend, dass die Theaterleitung in Innsbruck darauf verzichtet, sich das Abschlusszeugnis vorlegen zu lassen, das es ja auch nicht gibt. Nach einem Jahr ist er auch dort wieder weg, wechselt ans Theater Stendal. Dort steigt er zur Halbzeit des Zwei-Jahres-Vertrages aus und kehrt nach einjähriger Arbeit am Theater Pforzheim in seiner oberösterreichische Heimat zurück, ans Theater in Linz. Eine Ewigkeit wird Martin Müller-Reisinger dort bleiben, acht Jahre sind bei ihm eine Ewigkeit. In dieser Ewigkeit beginnt er, eigene Kabarett-Programme auf die Bühne zu bringen und das offenbar recht hochwertig. Im Land der spitzen Zungen wird er sogar mit dem 1. Oberösterreichischen Kleinkunstpreis ausgezeichnet. Kleinkunst, s.u., wird er auch in OB machen.

Spitze Zunge und weite Sprünge

Es hätte aber auch das Bootshaus am Rhein-Herne-Kanal, offenkundig der neue Schauspieler-Treff, sein können, auch Martin Müller-Reisinger ist dort gern, genießt den Blick auf den Gasometer, auf die Ruhrgebietsromantik. Nach Oberhausen ist er wegen Peter Carp gekommen, den er in Österreich kennengelernt hat. Da hatte er schon einiges hinter sich, den Ferdinand in „Kabale und Liebe”, den Puck im „Sommernachtstraum”. In Wien hatte er freie Projekte gemacht, mit Christiane Hörbiger zusammengearbeitet wie mit Julia Stemberger. Diven nennt er sie gern, er ist eben Österreicher, von der spitzen Zunge steckt viel in ihm.

Das Publikum in Oberhausen wird es bald zu hören bekommen, heute Abend wohl schon, wenn um 20 Uhr in der b.a.r. die Hitparade des Theaters, an der Reisinger maßgeblich mitgearbeitet hat, erstmals auf Sendung geht. Vor allem aber am 15. Oktober am gleichen Ort, dann gibt er den Karl Valentin, am Klavier begleitet von seiner Lebensgefährtin.

Der frankophile Bergwanderer, der das Morbide und die Weinseligkeit seiner ersten und die Direktheit und Herzlichkeit der Menschen seiner zweiten Heimat liebt, kann auch weite Sprünge. Er war mal 18. bei den österreichischen Schülermeisterschaften im Skispringen, mit einem 98,5-m-Satz in Bischofshofen.

In der nächsten Folge stellen wir Angela Falkenhan vor.