Oberhausen. Mit dem Kurzfilm „La Bâche“ ist der technische Leiter der Kurzfilmtage selbst im NRW-Wettbewerb dabei. Das harte, alpine Leben hat’s ihm angetan.
„Haben Sie mich erkannt?“, fragt Volker Köster gespannt – doch der Bewunderer von „La Bâche“ muss passen: Viel zu bezwingend sind die Bilder dieses kreisenden Flugs über hochalpine Wiesen, auf denen Sam und Biloute toben, die beiden Hütehunde, und die Senner mit ihren auf Folien hochgetürmten Heuladungen die Hänge abwärts rutschen: ein hinreißendes Ballett der Schwerstarbeit auf fast 3000 Meter Höhe.
Seine Ehefrau Frédérique Lafont kennt Bonneval-sur-Arc, das östlichste Dorf der Region Savoyen, seit sie 14 Jahre alt war. „In Oberhausen war nicht viel zu tun“, sagt Volker Köster trocken über den Pandemie-Sommer 2020. Also verbrachte das Ehepaar gleich acht Wochen in einem der früher für ihre Ärmlichkeit eher geschmähten „Plus beaux villages“ – einem der hundert schönsten historischen Dörfer Frankreichs – und half bei der Heuernte.
Das Ballett der schweißtreibenden Abfahrten
So schwerelos die Drohnen-Kameras von Lafont und Köster über dem Geschehen schweben: Wie hart es ist, an diesen steilen Hängen die nicht eben reiche Heuernte einzufahren, weiß der technische Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage aus eigener Erfahrung. Das Harken des trockenen Grases nennt der 55-Jährige „eine meditative Arbeit“. Doch hat man erst die doppelbettgroßen Folien ausgebreitet und die Mahd darauf gehäuft – dann ist für den Weg abwärts der Könner gefragt. „Man muss ziehen und bremsen – das können nicht viele“, weiß Volker Köster – und vergleicht diese schweißtreibenden Abfahrten mit Ballett.
Jedenfalls weiß der kurze Film mit seinen grandiosen Panoramen das Tänzerische dieser speziellen Landarbeit zu betonen. Dazu passt wie angegossen das aus zwei kraftvollen Männerkehlen angestimmte und archaisch anmutende Volkslied aus Savoyen. „Eigentlich ein Kinderlied über die Jagd“, erklärt der Filmemacher, der sich am Schneidetisch ganz „dem schönen Rhythmus“ überließ. Wäre in Musik-Videos auch traditionelle Folklore repräsentiert – „La Bâche“ könnte Wettbewerbe gewinnen.
Mit der Drohne flog eine 360-Grad-Kamera
Doch erst einmal setzt das Filmemacher-Paar auf den NRW-Wettbewerb der Kurzfilmtage. „Dabeizusein freut mich total“, betont der technische Leiter des Traditionsfestivals. Dass er selbst zum Team gehört, sei angesichts der stets von außen berufenen Jurys „weder Bonus noch Malus“. Das Fachpublikum jedenfalls dürfte auch die technischen Finessen dieser schwebenden Filmminuten zu würdigen wissen. Denn mit der Drohne flog jene 360-Grad-Kamera, die der Chef von „Ruhrpott-Film“ auf seiner Homepage so eindrucksvoll bewirbt. „Sie ermöglicht diese großen Panoramen“, so Volker Köster, „und entspricht der Landschaft“. Einer mit harter und stetiger Arbeit der Unwirtlichkeit abgetrotzten Kulturlandschaft, von der ihr Sommergast sagt: „Man ist schon sehr klein in den Bergen.“
Denn das urtümliche Bonneval-sur-Arc ist genau die Gegenwelt zum mondänen Val-d’Isère, mit dem das 260-Seelen-Dorf über die höchste Passstraße Europas verbunden ist. Die Radsport-Elite der Tour de France kennt und fürchtet die sich bis auf 2764 Meter hoch schraubende Route der Strapazen.
Am Schneidetisch arbeitet er an der Schäfer-Doku
„Diese Landschaft ist mit Geld nicht aufzuwiegen“ – das sagt das Paar aus Oberhausen auch seinen Gastgebern, wenn sie mal wieder die touristisch geprägten „Nachbarn“ in 30 und mehr Kilometern Entfernung beneiden: „Die Menschen hier am Ende des Tals sind speziell – sie fühlen sich nicht reich.“ So soll denn auch „La Bâche“ nicht bloß „pittoresk“ sein, wie Volker Köster sagt, sondern auch eine Verneigung vor dem Einsatz für diese Hochweiden, deren Kühe zwar für köstlichsten Käse sorgen, aber ihre Besitzer dennoch nicht reich machen.
Der Filmbranche fehlt jede Planungssicherheit
Seinen Kurzfilm „La Bâche“ während der 67. Internationalen Kurzfilmtage, die zum zweiten Mal nur über die digitale Bühne gehen, nicht im großen Kinosaal zeigen zu können, nennt Volker Köster „einen Verlust“ – und ergänzt mit einem Seufzer: „Es wird mein viertes Online-Festival.“Die Branche sieht der Filmemacher gespalten: Die großen Produktionen stocken – während die Auftragslage für Industriefilme oder von Museen und Galerien derzeit besser aussieht: „Diese Auftraggeber suchen Ersatz für die Messen“ – auf denen sie sich in der Pandemie nicht zeigen können.„Jetzt wäre die Zeit“, sagt Volker Köster, „für Herbst und Winter zu planen“. Doch der Filmbranche fehle jede Planungssicherheit. Bange Frage: „Wann ändert sich das wieder?“Ein großes Lob spricht der Filmemacher und im Kulturausschuss sachkundige Bürger für die Linken dem Oberhausener Kulturbüro aus: „Kulturkucken finde ich großartig“ – nämlich mit kleinen Filmteams den kulturellen Reichtum der Stadt trotz des Lockdowns vorzustellen. Die Webseite owtgmbh.de/kulturkucken nennt Köster „schön voll“. Für Kulturschaffende sei Oberhausen nach wie vor „ein gutes Pflaster“.
Apropos Käse: Der geduldige Filmemacher, der auch schon viele Stunden den Oberhausener Schäfer Florian Preis begleitet hat, vollendet gerade den Schnitt für seine voraussichtlich anderthalbstündige Dokumentation über diesen „nomadischen“ Beruf. Denn mehr als nur ein bisschen archaisches Hirtenleben gibt’s sogar zwischen Emscherdamm und Chemiewerk.