Oberhausen. Erstmals verleihen die Kurzfilmtage 2021 den internationalen MuVi-Preis – und verdoppelt damit die Auswahl schriller bis schräger Clips.
14 Clips aus zwölf Nationen sind für den ersten Internationalen MuVi-Preis der Internationalen Kurzfilmtage auserwählt. Dieser neue Wettbewerb bildet das Gegenstück zum deutschen MuVi-Preis, der während der 67. Kurzfilmtage bereits zum 22. Mal verliehen wird und für den zwölf Clips ausgewählt wurden. Damit bewerben sich 26 Musik-Videos um Preisgelder in Höhe von insgesamt 7000 Euro. In beiden Wettbewerben kann das Publikum während des Festivals jeweils einen Favoriten wählen, der dann mit einem Publikumspreis von jeweils 500 Euro ausgezeichnet wird.
Verfilmte Lieder aus Indien, Iran, Mexiko: Musikvideos universal bieten die 14 Arbeiten im ersten Internationalen MuVi-Preis und zeigen so, dass die Definition von Musikvideos sich weltweit erweitert hat. Der Deutsche MuVi-Preis zeichnete über die Jahre die Entwicklung weg von der Verkaufshilfe hin zum audiovisuellen Gesamtkunstwerk, in dem Musik und Bild oft aus einer Hand kommen.
Rasante Vehikel für politische Statements
Der erste Internationale Musikvideo-Preis setzt seinen Akzent auf diese Entwicklung. In der Auswahl sind Produktionen für Musiklabels – zum Beispiel die iranische Produktion „Station Three“ für Quartet Diminished, erschienen bei Hermes Records – ebenso wie Arbeiten aus Kunstkontexten wie die Kollaboration „Did U Cum yet / I’m not gonna Cum“ von den Briten Blackhaine und William Markarian.
Musikvideos sind hier rasante Vehikel für politische Statements („Traitors“, von Kingsley Chapman / Benefits), für die Ermächtigung von Diversität („Portadoras queer: el doble y la repetición“ von Ana Laura Aláez /Ascii.Disco), oder nähern sich dem Dokumentarfilm wie bei Alexandra Bouge, die in „Abikou“ zur Musik von Joan Bagés ein afrikanisches Voodoo-Ritual beobachtet.
Elon Musk tanzt, DJ Hell wird digital multipliziert und Hundemähnen wallen – jedenfalls im wieder skurril besetzten Wettbewerb der deutschen Musikproduktionen (deren Musik durchaus von internationalen Künstlern stammen kann). Seit 1999 werden hier deutsche Musikvideo-Produktionen für die beste visuelle Umsetzung eines Songs ausgezeichnet.
In diesem Jahr konkurrieren ein Dutzend Clips, von der Postkartencollage bis zum Deepfake Video. So lässt UWE in „Junge Milliardäre“ einen digital erstaunlich überzeugend gefälschten Elon Musk nicht nur tanzen, sondern seinen eigenen Song singen. Stacie Ant entwirft in Zusammenarbeit mit DJ Hell in „Out of Control“ eine surreale Zukunft, bevölkert von virtuell vervielfältigten DJs.
Oliver Pietsch steuert mit „The Pure and the Damned“ für Oneohtrix Point Never eine Montage gefundener Szenen, in denen Filmfiguren ihre Wut an Autos auslassen. In der Auswahl sind zudem Animationen wie Christine Gensheimers „The Source of the Absolute Knowledge“ für Jaakko Eino Kalevi oder Katarina Duve und Timo Schierhorns Postkartencollage „Mrs. Yamahas Summer Tune“ für Richard von der Schulenburg (aus dem alten mecklenburgischen Adelsgeschlecht und Absolvent der Hamburger Schule als „Die Sterne“-Keyboarder).
Blonder Mittelscheitel: die ultimative Corona-Frisur
In der Machart einer Reihe der Clips lässt sich der Einfluss der Pandemie und ihrer Abstands-Vorgaben erkennen – allerdings nirgendwo so deutlich wie in der ultimativen Corona-Frisur der afghanischen Windhündin in „Forever Corona“ von Kay Otto für Oliver Polak und Erobique: Das schöne Tier trägt einen hellblonden Mittelscheitel.
Kurzfilmtage-Thema: „Solidarität als Störung“
Wie lässt sich das oft strapazierte Schlagwort von der Solidarität neu verstehen? Ein Filmprogramm zum revolutionären Potenzial der Solidarität konzipierten die Kuratorinnen Branka Benčić aus Kroatien und Aleksandra Sekulić aus Serbien bereits 2019 für die Kurzfilmtage 2020. Coronabedingt musste es abgesagt werden, nun holen die 67. Kurzfilmtage ein Thema online nach, das aktueller ist denn je.
Das Programm fragt, wie sich Solidarität mit filmischen Mitteln als politisches Projekt neu definieren lässt. Ausgehend von Filmen aus dem ehemaligen Jugoslawien seit den 1960er Jahren, untersuchen die Kuratorinnen das solidarische Konzept und seine Geschichte: von kollektiven Filmbewegungen bis zur Ästhetik der Arbeiter.
Beide Wettbewerbe sind vom 1. bis 4. Mai für jeweils 48 Stunden online zu sehen. In beiden Konkurrenzen kann das Publikum während dieser Zeit für seine Favoriten stimmen und so einem deutschen und einem internationalen Clip jeweils 500 Euro Preisgeld sichern. Die Hauptpreise im Deutschen MuVi-Preis im Gesamtwert von 3.500 Euro stiftet die Bochumer Privatuniversität SAE Institute.