Oberhausen / Tychy. In Oberhausens Partnerstadt Tychy läuft die Konjunktur ungebremst – dank der Autoindustrie. Kulturell bietet das Orchester „Aukso“ Weltniveau.
Eine Partnerschaft unter einem Unstern – so müsste man vermuten: Denn als vor etwas mehr als einem Jahr, am 17. Februar 2020, im Oberhausener Rathaus die höchsten Repräsentanten von Tychy und Oberhausen feierlich Urkunden tauschten, dräute die Pandemie bereits am Horizont, war der erste Lockdown noch genau einen Monat entfernt.
Sofort nach dem offiziellen Startschuss schmiedeten beide Seiten zahlreiche Pläne für gemeinsame Projekte und Begegnungen. Konkret standen eine Bürgerreise in die oberschlesische Partnerstadt und eine Ausstellung von Künstlern aus Tychy in der Galerie KiR auf dem Programm. Doch dann kam bekanntermaßen alles anders. Obwohl die Pandemie alle frühen Planungen auf Eis legte, blieb der Kontakt trotz der erschwerten Umstände erhalten. Videokonferenzen ermöglichten zumindest das digitale Wiedersehen.
Ein Jahr nach Beginn der Pandemie steht fest, dass es noch dauern wird, bis persönliche Begegnungen wieder möglich sein werden. Im März trafen sich die beiden Oberbürgermeister Daniel Schranz und Andrzej Dziuba per Videomeeting und tauschten sich über die aktuelle Situation aus. Sie erkannten einige Parallelen: Corona ist in Tychy wie in Oberhausen das bestimmende Thema, auch das Infektionsgeschehen hat sich in beiden rund tausend Kilometer voneinander entfernten Städten verschlimmert.
Stadtpräsident amtiert seit dem Jahr 2000
OB Schranz verwies auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, will aber die Dynamik der letzten Jahre nicht abreißen lassen: „Wichtig ist, dass sich schon während der Pandemie die Kräne weiterdrehen, dass unsere Investitionen auf einem hohen Niveau bleiben und dass wir neue Projekte auf den Weg bringen.“ OB Dziuba erklärte, dass die Wirtschaft in Tychy kaum betroffen sei, sie entwickele sich ausgesprochen positiv. Aktuell hat die Konzernleitung für das Fiat-Werk in der 130.000-Einwohner-Stadt erklärt, in Tychy drei neue Modelle bauen zu wollen.
Auch interessant
Der heute 64-jährige Stadtpräsident, wie es in Polen heißt, amtiert bereits seit 2000 – und stellte sich fünfmal dem Wählervotum. Die letzten Kommunalwahlen 2018 gewann Andrzej Dziuba 2018 im ersten Urnengang mit 76 Prozent. Gerne betont er: „Meine Partei heißt Tychy“ – und verweist auf die hohen Ranking-Positionen der Stadt, wenn es um den Lebensstandard der Bürger von Tychy geht. Besorgt stimmt den liberalen Andrzej Dziuba die politische Situation in Polen, die sich immer mehr zu einem rigorosen Zentralismus entwickle und die die Handlungsspielräume der Städte einschränke.
Am digitalen März-Treffen beteiligten sich auch die Kulturdezernenten beider Städte, Apostolos Tsalastras und Maciej Gramatyka. Sie erarbeiteten einen Vorschlag zu einem digitalen Kulturaustausch. „Auch digital bietet Kultur gute Möglichkeiten, um sich gegenseitig kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen”, meint Kämmerer und Kulturdezernent Tsalastras. Oberhausen präsentiert sich so mit Clips zur neuen Ausstellung im Gasometer, mit einem Link zu den Internationalen Kurzfilmtagen, mit Angeboten aus Theater und Ludwiggalerie, aus Stadtarchiv und Stadtbibliothek.
Kulturzentrum mit Konzertsaal und 3-D-Kino
Tychy bietet Clips des jungen städtischen Kammerorchesters „Aukso“, das sich mit seinem Dirigenten Marek Moś in wenigen Jahren Weltruf erworben hat. In seiner Heimatstadt residiert es in einem bescheiden „Mediateka“ genannten Kulturzentrum, das über einen elliptischen Konzertsaal von feinster Akustik mit 330 Plätzen verfügt – und sich sogar als 3-D-Kino nutzen lässt. Daneben schmückt sich Tychy mit seinem jährlichen Gitarrenfestival, dem sehr aktiven „Kleinen Theater“ (Mala Teatr), mit Ausstellungen und Projekten zur Architektur und Stadtentwicklung. Der digitale Kulturaustausch wird derzeit vorbereitet und soll zeitgleich im Juni in beiden Städten starten.
Die Oberbürgermeister regten zudem an, dass auch Akteure aus dem Sport und der Wirtschaftsförderung bald digital zusammenkommen. Auch Marc Grunenberg als Koordinator der Jugendbegegnung Multi und sein polnischer Kollege Maciej Gruchnik, der die Videokonferenzen auch als Dolmetscher ermöglichte, wollen gemeinsam Jugendprojekte erarbeiten. Magdalena Łuka und Katarzyna Kula aus Tychy sowie Desbina Kallinikidou von Oberhausens Büro für Interkultur zeigten sich zufrieden mit den Webmeetings. Sie wollen nicht warten, sondern jetzt alle Möglichkeiten nutzen, um sich auf „die Zeit danach“ vorzubereiten.