Oberhausen. Erst Anfang 2020 schmiedete Oberhausen eine Partnerschaft mit Tychy in Polen. Eine neue Fernbeziehung in Corona-Zeiten – ist das möglich?
Als Anfang 2020 eine Delegation aus dem polnischen Tychy nach Oberhausen kam, um die neue Partnerschaft zwischen den beiden Städten zu besiegeln, musste der Stadtpräsident der schlesischen 130.000-Einwohner-Kommune von seinem Vize Maciej Gramatyka vertreten werden. Stadtchef Andrzej Dziuba hatte wegen einer laufenden Nase auf einen Besuch verzichtet – schon damals aus Angst, möglicherweise eine Corona-Infektion einzuschleppen. All das war kurz vor Lockdown, Maskenpflicht und harten Reiseeinschränkungen. Wie festigt man ein neues Bündnis, wenn der Kontinent quasi stillsteht?
Dass internationale Freundschaften durch das Virus besonders auf die Probe gestellt werden, liegt nahe. „Bei Tychy war es aber besonders tragisch, weil wir gerade in den Startlöchern waren, um vieles umzusetzen“, sagt Desbina Kallinikidou vom städtischen Büro für Interkultur.
Partnerschaft mit Tychy: Was alles geplant war
Geplant waren unter anderem eine Studienreise vom bildungspolitischen Verein „Arbeit und Leben“ nach Krakau und Tychy im April, eine Fahrt von einer Gruppe von Journalisten zur neuen Partnerstadt, eine Kunstausstellung mit Künstlern aus Tychy in der Galerie KiR und die Teilnahme einer polnischen Jugendgruppe an dem Jugendaustausch „Multi“.
Vor alledem sollte aber Oberbürgermeister Daniel Schranz nach Schlesien fahren, um die neu besiegelte Freundschaft auch dort noch einmal gehörig zu zelebrieren. „Und es waren noch viel mehr Ideen im Köcher“, sagt Kallinikidou. „Wir hätten die volle Kraft in dieses Jahr gelegt, aber nach den Sommerferien wussten wir, dass wir 2020 abschreiben können.“
>>> Sie wollen keine Nachrichten aus Oberhausen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren. <<<
Auch im Gdanska hatte man einiges vor, wollte einen Künstleraustausch organisieren. „Aber alles ist eingeschlafen“, sagt Czeslaw Golebiewski von der deutsch-polnischen Kulturgaststätte. „Ich hatte seit Monaten keinen Kontakt mehr nach Tychy“, gibt Golebiewski zu, der seit zehn Jahren sein Hausbier der Marke Tyskie aus der bekannten Brauerei in Tychy bezieht.
Viele Corona-Infektionen in Schlesien
Desbina Kallinikidou dagegen ist dauerhaft in Kontakt mit ihren Kollegen aus der Steinkohle-Stadt, wie sie erzählt. „Wir halten uns per Videokonferenz und Mail auf dem Laufenden über das Pandemiegeschehen.“ Schlesien galt lange als Corona-Hochburg, die Infektionen im dortigen Kohlerevier bekam man lange nicht in den Griff. Aktuell liegt die zweitbevölkerungsreichste Woiwodschaft, so der Name der obersten Verwaltungsbezirke in Polen, mit rund 1000 Neuinfektionen pro Tag auf Platz sechs der Corona-Statistik. Insgesamt werden in den 16 polnischen Woiwodschaften nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität täglich meist mehr als 13.000 Neuinfektionen festgestellt.
Statt sich nur über Covid-19 auszutauschen, dreht sich der derzeitige Austausch aber auch mal „um ganz banale Dinge“, wie es Kallinikidou formuliert. „Aktuell geht es um Entwürfe für die Erneuerung unserer Straßenschilder, für die wir auch das Wappen aus Tychy brauchen.“ Oder darum, wie man das Beste aus dem diesjährigen Weihnachtsfest machen will.
Adventszeit in Tychy: Es bleibt nur noch der Weihnachtsschmuck
So schreibt Wojciech Wieczorek, Chefredakteur der Zeitung „Twoje Tychy“, im Stadtmagazin „Oh!“ von Eisskulpturen, Lichtilluminationen, lebendigen Krippen, gar einem nachgebauten Fragment der Heiligen Stadt Bethlehem – kurzum: einer „magischen Atmosphäre“, die man üblicherweise all die Jahre auf dem Weihnachtsmarkt in Tychy genießen konnte. Viel davon bleibt – ganz wie in Oberhausen – nun nicht mehr: Nur noch der weihnachtliche Schmuck erinnert an ein sorgloses und virenfreies Weihnachten. „Die beleuchteten Engel“, schreibt Wieczorek, „werden auch ein wenig traurig sein....“
Aktiv in Saporishja
Den intensivsten Austausch pflege die Stadt aktuell mit dem ukrainischen Saporishja, sagt Desbina Kallinikidou vom Büro für Interkultur. Zum einen habe man dort eine Umfrage gestartet, um zu erfahren, wie die Kooperation mit der Zivilgesellschaft und den Vereinen in Saporishja läuft. Durch die Auswertung der Antworten soll herausgefunden werden, wo es gute Ansätze für eine vertiefende Zusammenarbeit geben kann.
Weiterhin stehen für Corona-Sonderhilfen bereit, die Saporishja zugute kommen sollen. Dabei soll es um Sachspenden, aber auch um einen „Wissenstransfer“ gehen, erklärt Kallinikidou. Man will so beispielsweise weitergeben, wie mit Corona-Infizierten in Krankenhäusern umgegangen wird oder wie der Krisenstab in Oberhausen arbeitet.