Oberhausen. Tareq Alaows wollte als Geflüchteter in den Bundestag einziehen, doch er wird bedroht und zieht sich zurück. Rückendeckung kommt aus Oberhausen.
Die Nachricht seines Rückzuges kam ebenso überraschend wie die Ankündigung seiner Kandidatur im Februar: Tareq Alaows, einst aus Syrien nach Deutschland geflüchtet, wollte für die Oberhausener Grünen nach der Wahl im September in den Deutschen Bundestag einziehen. Das Medienecho war groß, die Reaktionen vieler Leser waren leider nicht immer wohlwollend: Weil er rassistisch angegangen wurde, er und seine Familie nach eigener Aussage sogar bedroht wurden, hat sich der in Berlin lebende Alaows aus der Öffentlichkeit zurückgezogen; er tritt nicht als Bundestagskandidat an. Rückendeckung kommt nun auch aus Oberhausen.
Die rassistischen Angriffe auf Tareq Alaows seien „empörend und beschämend“, sagt etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Vöpel. „Leider gehört es mittlerweile zum Alltag, dass Politikerinnen und Politiker auf allen politischen Ebenen beleidigt werden und sogar Morddrohungen erhalten. „Wo sind wir eigentlich schon wieder hingekommen, wenn politisch engagierte Menschen durch offene Gewaltandrohungen gegen sich selbst und ihnen Nahestehenden davon abgehalten werden, ihre elementarsten demokratischen Grundrechte wahrzunehmen?“
Linken-Politiker Movassat erlebt Rassismus
In der Politik müsse es um einen sachlichen und fairen Wettstreit um die besten Ideen gehen „und nicht darum Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder weil sie eine andere Meinung vertreten, einzuschüchtern oder zu bedrohen“, so Vöpel weiter.
„Mit Bedauern“ hat auch Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter der Oberhausener Linken, die Nachricht vom Rückzug Alaows zur Kenntnis genommen. Es macht mich sprachlos, dass ein engagierter politischer Mensch auf eine Kandidatur verzichtet, weil er bedroht und rassistisch angefeindet wurde.“ Dies dürfe in einer Demokratie nicht passieren. Leider erlebten viele Menschen mit Migrationsgeschichte alltäglich Rassismus. „Drohungen gegen Politikerinnen und Politiker mit migrantischen Wurzeln sind Alltag.“
Zimkeit (SPD): „Bedrohung für die Demokratie“
Movassat spricht aus Erfahrung: „Auch ich kann Wände füllen mit rassistischen Beleidigungen und Drohungen, die zu 99 Prozent ohne jede Konsequenz bleiben für die Täter, wenn man Anzeige erstattet.“ Rassismus sei kein Randgruppenphänomen ist, sondern werde in weiten Teilen der Gesellschaft akzeptiert. „Auch der Staat ist gefragt, konsequent gegen rechte und rassistische Strukturen und Personen vorzugehen.“
Zuspruch gab es auf der Facebook-Seite dieser Redaktion. „Unfassbar traurig“, schreibt ein Leser dort. Bedrohungen seien „die Taktik der Faschisten“, schreibt eine Oberhausenerin. Eine andere rät: „Nicht aufgeben, Herr Tareq Alaows. Es wird immer Menschen geben, die ihren Frust überall auslassen müssen.“ Und der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Zimkeit schreibt: „Diese rassistischen Drohungen und Hetzer sind eine Bedrohung für unsere Demokratie.“
Doch tatsächlich haben auf der Facebook-Seite auch viele Personen versucht, ihr menschenfeindliches und rassistisches Weltbild zu verbreiten. Übelste Beleidigungen und etliche Pauschal-Verurteilungen waren zu lesen. Auch bereits unter der Erstmeldung zur Kandidatur.
AfD: „Syrer zurück in die Heimat schicken“
Nicht in einer Pressemitteilung aber ebenfalls öffentlich bei Facebook meldet sich auch die Oberhausener AfD zu Wort. „Hier platzt eine PR-Aktion der Grünen und man versucht diese Tatsache durch eine Opferrolle zu kaschieren“, kommentiert der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kempkes. AfD-Ratsherr Jörg Lange: „Anstelle von einer inflationären Vergabe von deutschen Staatsangehörigkeiten sollte man lieber Syrer zurück in ihre Heimat schicken, da sie dort für den Wiederaufbau benötigt werden.“
Besonders ein Punkt sorgt sowohl der AfD als auch bei anderen Kritikern für Unmut: Als die Grünen Tareq Alaows im Februar als Bundestagskandidat für Oberhausen und Dinslaken vorstellten, war Alaows weder formal von den Grünen gewählt noch deutscher Staatsbürger. Deutscher muss man aber sein, wenn man in den Bundestag einzieht.
Tareq Alaows zieht sich zurück
Der Antrag ist bereits gestellt, im Gespräch mit unserer Redaktion Anfang März waren die Grünen auch hoffnungsfroh, dass Alaows die Staatsbürgerschaft bald erlangen würde.
Für ein persönliches Gespräch steht Tareq Alaows dieser Tage nicht bereit. Er hat sich vorübergehend komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, zum Schutz seines Umfeldes, wie er sagt.