Oberhausen. Pflegegrad vier: Lucas Gräfen benötigt eine 24-Stunden-Betreuung. Das soll die Stadt Oberhausen in seiner Corona-Quarantäne verweigert haben.
Lucas Gräfen ist, seit er denken kann, auf einen Rollstuhl angewiesen. Betreut wird er 24 Stunden am Tag durch Assistenten für Menschen mit Behinderung. Die Kosten werden vom Landschaftverband Rheinland (LVR) übernommen. Wegen einer Corona-Infektion musste er in Quarantäne. Der Stadt Oberhausen wirft er vor: „Das Gesundheitsamt untersagte meinen Assistenten, sich weiter um meine Pflege zu kümmern – ich stand völlig alleine da.“ Das Amt bestreitet dies aber entschieden.
Gräfen leidet an einer infantilen Zerebralparese und damit an Bewegungsstörungen durch eine frühkindliche Hirnschädigung. Er hat den Pflegegrad vier und eine 100-prozentige Schwerbehinderung. Seit 2019 lebt er dennoch in seiner eigenen Wohnung.
„Vom 27. Januar bis 9. Februar befand ich mich wegen der Corona-Infektion in häuslicher Quarantäne“, erzählt der 27-Jährige. Das Gesundheitsamt habe ihn darauf hingewiesen, dass seine Assistenten während der Quarantäne nicht zu ihm kommen dürften. Er habe mehrfach mit Mitarbeitern des Amtes telefoniert, dabei auch jedes Mal um Unterstützung gebeten. „Um meine Versorgung hat sich aber trotzdem niemand gekümmert.“
Die Stadt weist die Anschuldigungen entschieden zurück
Zwei seiner Assistentinnen wohnen in Recklinghausen. Sie hätten sofort einen Coronatest absolviert - negativ. „Die beiden setzten sich über den Kreis Recklinghausen dafür ein, dass sie zumindest nach meiner Genesung eine Arbeitsquarantäne bei mir in Oberhausen machen können.“
Ein Recht auf Assistenzleistungen
Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf Assistenzleistungen, die sie bei der selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags unterstützen. Diese Leistungen sollen die soziale Teilhabe sichern und umfassen Unterstützung bei Fragen von Wohnen, Haushalt und Alltag, aber auch der Gestaltung sozialer Beziehungen, der Freizeit oder der persönlichen Lebensplanung.
Regionaler Ansprechpartner in Oberhausen ist die Stadt. Für den Bereich Wohnen und Alltag ist etwa die Eingliederungshilfe zuständig.
Soll heißen: Die beiden Helferinnen durften ausschließlich zu ihm fahren und hätten sich sonst daheim sofort wieder in Quarantäne begeben. „Das ist von der Stadt Oberhausen dann zum Glück auch genehmigt worden.“
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Auf Nachfrage dieser Redaktion weist das Oberhausener Rathaus die Beschwerde des 27-Jährigen entschieden zurück. „Fakt ist, dass die von Lucas Gräfen getätigten Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen“, gibt Stadtsprecher Frank Helling an. Es lägen vier Stellungnahmen von Mitarbeitern vor, die dies bezeugten.
Kontaktdaten eines Wohlfahrtsverbandes weitergegeben
Gräfen sei über die Anordnung der Quarantäne informiert worden. Dabei seien ihm sehr wohl Hilfen angeboten worden. „So erkundigte sich eine Mitarbeiterin danach, ob seine Pflege sichergestellt sei“, erläutert Helling. Des Weiteren habe man ihm die Kontaktdaten eines Wohlfahrtsverbandes gegeben. „Seine Frage, ob ihn sein Vater pflegen dürfte, wurde bejaht; allerdings mit dem Hinweis, dass sich dann auch der Vater in Quarantäne begeben müsste.“
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Lucas Gräfen habe allerdings erklärt, dass er erst einmal selbst zurechtkäme, dass er weitestgehend versorgt sei. Nach diesen Aussagen habe es für die Stadtbediensteten keinen Anlass gegeben, weitere Maßnahmen zu ergreifen. „Unsere Mitarbeiter haben sich völlig korrekt verhalten.“
Dagegen behauptet Gräfen: „Meine Frage, ob mein Vater mich pflegen dürfte, ist mit dem Hinweis, die Quarantäne würde auch für Familienangehörige gelten, abgelehnt worden.“ Und Beratung und Hilfestellung? „Da kam gar nichts.“ Er habe bei einem der Telefonate allerdings einmal entnervt gesagt: „Ja, dann werde ich mir wohl jetzt selbst helfen müssen.“
Hilfe für behinderte Menschen
Um Menschen in solchen Fällen zu unterstützen, gibt es in Oberhausen Lotsen: Die Beraterinnen der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung Oberhausen (EUTB) helfen seit drei Jahren Oberhausenern mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung.
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Beraten wird zu allen Fragen rund um das Thema Teilhabe und Rehabilitation, damit Betroffene sich besser im komplizierten Sozialsystem orientieren können. „Wir helfen auch Eltern von Kindern mit einer Beeinträchtigung, Angehörigen, Partnern und Freunden von Menschen mit oder einer drohenden Behinderung“, erläutert Martina Jeske. Das Beratungsangebot sei kostenlos, niederschwellig und auf „Augenhöhe“, damit Menschen mit Behinderung selbstbestimmt Entscheidungen über Hilfen treffen könnten.
Keine Zugangsvoraussetzungen nötig
„Wir unterstützen aber auch bei der Beantragung konkreter Leistungen und helfen, den richtigen Ansprechpartner zu finden“, sagt ihre Kollegin Katrin Meyer. Die EUTB sei unabhängig. Der Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen Alsbachtal ist einer von drei Trägern. Gefördert wird die EUTB vom Bundessozialministerium.
Kontakt: Martina Jeske, Tel. 0208 82 475 34, Mobil 0178 460 55 61, Mail: jeske@eutb-oberhausen.de oder Katrin Meyer, Tel. 0208 82 475 35, Mobil 0160 970 856 04, Mail: meyer@eutb-oberhausen.de oder unter beratung@eutb-oberhausen.de. Weitere Info auf www.teilhabeberatung.de.