Oberhausen. Aldi kündigt Corona-Selbsttests ab Samstag an, dm will mit Testcentern vor den Filialen nachziehen. Apotheker in Oberhausen bleiben skeptisch.

Die geplante nationale Corona-Teststrategie ist nach Auffassung von Apothekern in Oberhausen zum Scheitern verurteilt. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll die Strategie zu mehr Freiheiten im Corona-Lockdown verhelfen. Sie basiert auf kostenlosen Schnelltests, die in den Apotheken vor Ort von Fachpersonal durchgeführt werden, und auf Selbsttests, die Aldi nun bereits ab Samstag, 6. März, auch in seinen Oberhausener Filialen anbieten will. Ab kommender Woche sind diese Selbsttests außerdem in Drogerien, Supermärkten und Apotheken erhältlich.

Die Ausgabe der Selbsttests bei Aldi soll limitiert sein, jeweils ein Kunde erhält ein Set, das fünf Selbsttests enthält. Dieses Set soll nach Angaben des Discounters rund 25 Euro kosten. Auch die Drogeriemarktketten dm und Rossmann ziehen nach. Schnelltests zur Eigenanwendung von Boson sollen dort voraussichtlich ab Dienstag, 9. März, in Oberhausen verfügbar sein.

Nicht genug Platz und fehlende Fachkräfte für Tests

Ulf Brenne, Sprecher des Apothekerverbandes Essen-Mülheim-Oberhausen, zieht dagegen – was den zweiten Teil der nationalen Teststrategie betrifft – eine ernüchternde Bilanz: „Ich habe alle 43 Apotheken in Oberhausen angeschrieben, ob sie in ihren Räumen kostenlose Schnelltests ab dem 8. März durchführen wollen – bislang haben sich aber gerade einmal zwei in der ganzen Stadt dazu bereit erklärt.“ Die Gründe für diese Zurückhaltung sind vielfältig. „Die Tests müssen in den Räumen der jeweiligen Apotheke angeboten werden, viele haben aber gar nicht den Platz dafür.“ Das sei in seiner eigenen Apotheke ebenfalls so, sagt Brenne als Inhaber der Fortuna-Apotheke an der Falkensteinstraße in Oberhausen.

Dazu kommt der erhebliche Personalaufwand. „Wir haben doch schon jetzt einen Fachkräftemangel und jede Apotheke, die bei den Tests mitmacht, müsste zumindest einen Mitarbeiter allein dafür abstellen.“ Außerdem sollten die Tests für alle Bürger kostenlos sein. Bestellt und bezahlt werden sollen sie aber von den Apotheken selbst – und dies vor dem Hintergrund, „dass die Kostenerstattung vom Bundesgesundheitsministerium noch überhaupt nicht geklärt ist“.

Apotheker und ihre Teams bleiben in der dritten Priorisierungsgruppe

Doch damit nicht genug. Auch die Hochstufung in die zweite Impfpriorisierungsgruppe von Lehrern und Kita-Erziehern wurme so manchen Apothekerkollegen gewaltig. „Das Argument war, diese Berufsgruppen hätten so viele Kontakte und müssten deshalb schneller geschützt werden – für uns gilt dies nicht?“ Die Mitarbeiter von Apotheken, die durch Spahns neue Teststrategie künftig einen Oberhausener nach dem anderen abstreichen sollen, gehören zur dritten Priorisierungsgruppe.

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„Das bedeutet, dass wir bei dem aktuellen Schneckentempo dank Impfstoffmangels frühestens im Sommer, wenn nicht sogar erst im Herbst geimpft werden können“, schätzt Brenne, der die Apotheker auch im Oberhausener Krisenstab vertritt. „Für 90 Prozent meiner Kollegen ist bei den geplanten Massentestungen die Gefahr schlicht zu groß, sich selbst und ihre Teams mit Corona zu infizieren.“ Die von Fachkräften durchgeführten Schnelltests bieten allerdings einen großen Vorteil: Kunden erhalten einen Beleg, den sie künftig bei Reisen oder Veranstaltungen vorlegen könnten.

Immerhin scheint sich zumindest ein Standbein der Teststrategie als tragfähiger zu erweisen: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat inzwischen die ersten drei Sonderzulassungen für Corona-Selbsttests erteilt, die jeder auch ohne Schulung zu Hause durchführen kann – der dann aber auch nicht als offizieller Beleg gilt. Die Drogeriemarktkette dm, der dieser Haken an der Sache bewusst ist, plant deshalb den Aufbau von Schnelltestcentern, zurzeit erst einmal vor rund 250 Filialen in Baden-Württemberg. Bürger sollen sich dort noch im Laufe dieses Monats mindestens einmal pro Woche kostenfrei testen lassen können. Eine deutschlandweite Ausweitung dieses Angebotes soll aber so schnell wie möglich folgen. Die Tests sollen von geschultem Personal durchgeführt werden, Beleg inklusive.

Selbsttests könnten helfen, Infektionsketten zu unterbrechen

Die Länder entscheiden nun auch, ob die Laien-Selbsttests Teil ihrer eigenen Teststrategie werden – damit könnten die Kosten für bestimmte Bereiche sogar komplett übernommen werden. Das könnte in NRW zum Beispiel für Kitas und Schulen gelten.

Ein Abstrich in der vorderen Nase

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte kostengünstige Selbsttests und kostenlose Schnelltests durch geschultes Personal ursprünglich bereits zum 1. März angekündigt, dieses Datum auf Druck der Bundeskanzlerin dann aber um eine Woche verschoben. Beim Ländergipfel am 3. März sollen jetzt letzte Fragen dazu geklärt werden.

Die inzwischen zugelassenen Selbsttests für daheim von Technomed, Roche, Siemens und Lissner Qi funktionieren über einen Abstrich in der vorderen Nase und gelten in der Frühphase einer Corona-Ansteckung als treffsicher.

Schnelltests sind generell zwar ungenauer als PCR-Tests. Dennoch könnten sie viel dazu beitragen, infizierte Menschen zu entdecken, die von ihrer Erkrankung noch gar nichts ahnen. Denn hochansteckend ist man, wie Dr. Stephan Becker, Sprecher der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, bei anderer Gelegenheit betonte, „vor allem in der frühen Phase ohne Symptome“. Werden diese Krankheitsfälle über Selbsttests aufgespürt, könnten Infektionsketten frühzeitig unterbrochen werden.