Oberhausen. Um die Freimaurer ranken sich viele Verschwörungsthesen: Sind sie geheime Drahtzieher? Haben sie Vorteile im Job? Ein Oberhausener widerspricht.

Auf Geschwätz geben sie nichts. Nazis hielten sie für internationale jüdische Weltverschwörer, und in einschlägigen Foren gelten sie in der Corona-Krise als geheime Drahtzieher: die Freimaurer. Alexander Waldhelm, gebürtiger Oberhausener und Bruder in der Mülheimer Loge, weist dieses Gerücht ins Reich der Fabel. Woher aber stammt dieser Ruf?

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Freimaurer sind für Außenstehende vor allem eins: weiße Männer in einem Geheimbund. Doch geheim ist an der Mülheimer Loge „Broich zur verklärten Louise“ erst einmal wenig. Im Gegenteil: Seit Jahren präsentieren sich Loge und Tempel mit Zirkel und Winkel am „Tag des offenen Denkmals“ und offen im Netz mit Webseite und Facebook-Auftritt. „Wir sind verschwiegen – nicht geheim“, sagt Alexander Waldhelm. Wer immer zu Besuch kommen mag, sei herzlich eingeladen.

Freimaurer mit Alltagsproblemen: Bruderschaft online

Der 45-Jährige leidet unter der Pandemie auch wie alle anderen. In seiner Altbau-Wohnung in der Stadtmitte Mülheims bedauert er den Alltag in der Corona-Krise. Seine Brüder aus der Loge sieht der vierfache Familienvater mit Freimaurersymbol auf dem Ehering nur per Videoschalte. Dessen ungeachtet hält sich hartnäckig das Gerücht, Freimaurer seien „böse“ und an Corona beteiligt. Wieso?

Mit Hammer und Zirkel: Die kleinen Skulpturen erinnern an die legendären Ursprünge der Freimaurerei in den mittelalterlichen Dombauhütten.
Mit Hammer und Zirkel: Die kleinen Skulpturen erinnern an die legendären Ursprünge der Freimaurerei in den mittelalterlichen Dombauhütten. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Grundsätzlich, weil sich diese Gedankengebilde im Internet schneller verbreiten als früher und das Phänomen der Weltverschwörung seit Jahren eine wahre Renaissance erlebt. Und auch wenn an Alexander Waldhelm nie jemand mit Schuldvorwürfen online oder offline herangetreten sei, muss er daran knabbern: „Das stellt mich als Humanisten auf eine harte Probe.“

Freimaurer haben ein jahrhundertaltes Imageproblem

In Teilen verstehe er sogar, wieso sich der Mythos des Freimaurer-Machtzirkels von Generation zu Generation hält. Wenn aus einer Freimaurer-Loge zum Beispiel eine geheime Gruppe mit dem Ziel des Staatsstreichs keimt, wie bei der „P2“ (Propaganda Due) in Italien geschehen, liefern die Freimaurer selbst Stoff für Hirngespinste, spülen sie Wasser auf die Mühlen der Anhänger.

Freimaurerei: Zahlen und Kontakte

Zwischen Verschwörungsmythen und Vorurteilen existieren in Deutschland 500 Logen mit 15000 Mitgliedern. Oberhausen hat zwar keinen eigenen Tempel – doch in Mülheim darf jeder „freie Mann mit gutem Ruf“ (Anmerkung: Die Loge hat keine weiblichen Mitglieder, obschon es reine Frauenlogen gibt) an einer Logenveranstaltung teilnehmen.

Aufgrund der Corona-Pandemie und den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden finden zurzeit keine Termine in der Loge an der Friedrichstraße 48 in Mülheims Zentrum statt. Interessierte melden sich bitte telefonisch unter 0163 - 4781350 oder per Mail an sekretaer@loge-broich.de

Solche Auswüchse markierten den absoluten Widerspruch zu den hehren Zielen der Freimaurerei, sagt Meister Alexander Waldhelm. Der Pressesprecher des Forschungszentrums Jülich und passionierte Filmemacher verweist darauf, dass die Logen im Kern seit ihrer Existenz im Jahre 1717 für die Parolen der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität stünden.

Oberhausen fehlt bis heute eine eigene Freimaurer-Loge

„Bei uns geht es vor allem darum, wie ich ein anständiger Mensch werde und bleibe. Leider reichen ein paar Idioten, die den Ruf versauen“, sagt Alexander Waldhelm. Was man über die heimischen Freimaurer wissen sollte: Oberhausen hat bis heute keine eigene Freimaurer-Loge. Warum?

Verziert mit den Insignien des Freimaurertums ist fast jeder Gegenstand im Tempel der Loge – auch dieser zeremonielle Dolch.
Verziert mit den Insignien des Freimaurertums ist fast jeder Gegenstand im Tempel der Loge – auch dieser zeremonielle Dolch. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Alexander Waldhelm erklärt: „In dem kleinstaatlichen Umfeld des Gründerjahres 1839 war kein Platz für eine zweite Loge. Nach dem sogenannten Sprengelrecht deckte Mülheim die Hoheitsgrenze der maurerischen Behörde bereits ab.“ Auch als Oberhausen dann Mülheim in der Einwohnerzahl überholte, blieb es dabei. Zum Vergleich: Mülheims französische Partnerstadt Tours hat satte 13 Logen.

Das entstandene Netzwerk besteht heute aus 27 Brüdern, deren Rituale schweigend gepflegt werden. Sie sind Akademiker, Meister, Ingenieure. Klüngelei sei unter ihnen jedoch verpönt. „Geschäftsmaurerei“ nennt Alexander Waldhelm das abschätzig. „Wer in der Loge ist, hat keinen Euro mehr in der Tasche. Hier begegnest du dafür Leuten, die du sonst nicht treffen würdest.“

Bruderschaft ist günstig, erfordert aber einen guten Ruf

Neue Brüder können vom Lehrling zum Gesellen und dann zum Meister aufsteigen. Jeder Bewerber wird geprüft. Wie, verrät Alexander Waldhelm nicht; Ungeeignete fliegen jedenfalls raus. So sei ein Bordellbesitzer nachträglich auf- und durchgefallen. Nur 35 Euro kostet ein Platz in der Loge „Broich zur verklärten Louise“ pro Jahr. Golfklub-Mitglieder ziehen bei der Summe vermutlich verächtlich eine Braue hoch. Dennoch: Ein bisschen elitär fühlt sich Bruder Alexander Waldhelm trotzdem.