Oberhausen. Der nigerianische Verein NIVID macht schlechte Erfahrungen mit dem Oberhausener Jugendamt. Wird es bei Familien aus Afrika eher tätig?

Der nigerianische Verein "Nigeria Voice in Diaspora" (NIVID) wirft dem Oberhausener Jugendamt vor, gegenüber Familien mit afrikanischer Einwanderungsgeschichte besonders hart vorzugehen. Nach Auffassung des Vereins herrscht beim Jugendamt wenig interkulturelle Kompetenz und geringe Sensibilität gegenüber Familien aus den afrikanischen Ländern südlich der Sahara.

"Wir hören aus unserer Community, dass das Jugendamt in den Familien immer häufiger tätig wird“, sagt Christian Ejodamen, stellvertretender Vorsitzender des Integrationsrats und des nigerianischen Vereins. Ejodamen behauptet sogar, im Amt herrsche "Blindheit für kulturelle Eigenheiten bei der Kindererziehung".

Nigerianischer Verein: Um Schläge geht es nicht

Um körperliche Gewalt bei der Erziehung gehe es dabei explizit nicht, betont NIVID-Mitglied Sunday Taiwo. „In vielen afrikanischen Familien wird mehr Respekt gegenüber der älteren Generation eingefordert“, sagt er. Was woanders als autoritär empfunden werde, sei dort normal.

„Wenn eine Mutter lauter mit ihrem Kind kommuniziert, als man es aus deutschen Familien kennt, steht direkt die Kindeswohlgefährdung im Raum“, beobachtet Christian Ejodamen. Nach seiner Auffassung ist das Fatale dabei: „Auf die betroffenen Familien wird nicht richtig zugegangen und nicht richtig mit ihnen kommuniziert.

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Die Stadt hält die Vorwürfe für völlig unberechtigt. Die interkulturelle Kompetenz werde unter den Sozialarbeitern durchaus geschult, heißt es aus dem Rathaus auf Nachfrage. In Vierteln, in denen ein hoher Anteil der schwarzafrikanischen Community anzutreffen sei, habe man beispielsweise eine interkulturelle Beratungssprechstunde installiert, die durch eine Beraterin aus Kamerun angeboten wird. In den Familienzentren seien pädagogische Fachkräfte aus Ghana und Sierre Leone tätig.

Jugendamt bewertet Kindeswohlgefährdung individuell

Bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung spiele die „individuelle Lebenswelt“ jedes Kindes die entscheidende Rolle, sagt Stadtsprecher Martin Berger. Was für manches Kind eine Gefährdung darstelle, müsse für ein anderes Kind kein Problem sein.

Berücksichtigt werde bei der individuellen Beurteilung auch der kulturelle Hintergrund. „Beispielsweise ist es für ein Kind weniger belastend auf engstem Raum mit einer Großfamilie zu leben, wenn das Kind Zeit seines Lebens genau diese Situation kennt und die Familie dies als Teil ihrer Identität und Prägung als Familie genau in dieser Form lebt“, sagt Berger.

Was das Jugendamt im Falle einer Ohrfeige unternimmt

Neben der Situation des Kindes ist nach Angaben der Stadtverwaltung auch das Motiv eines Erwachsenen für eine bestimmte problematische Handlung wichtig. „Ein Beispiel hierfür ist eine Ohrfeige, die für das betroffene Kind in jedem Fall gefährdend ist“, heißt es aus dem Rathaus. Wurde das Kind geschlagen, weil ein Elternteil schlicht überfordert war oder wurde die Ohrfeige als probates Mittel der Erziehung eingesetzt?

Liege der zweite Fall vor, sei die Notwendigkeit von Eingriffen durch das Jugendamt deutlich öfter gegeben. „Im Verhältnis zu anderen Familien“, sagt Martin Berger, „gibt es aber kein nennenswertes Mehraufkommen von Eingriffen in Familien aus dem Subsahara-Raum.

>>> INFO: Zum Verein NIVID

Der nigerianische Verein NIVID will laut eigener Satzung das "soziokulturelle Zusammenleben zwischen nigerianischen Staatsangehörigen und Deutschen stärken", indem er Bewusstsein für Themen schafft, die Deutschland und Nigeria gleichermaßen betreffen.

Der Verein will den "Nigerianern in der Diaspora ermöglichen, ein Leben frei von Kriminalität zu führen" und will sie zu "guten Botschaftern ihres Heimatlandes" machen.