Oberhausen. Freiheit ist für manch einen dunkelhäutigen Deutschen ein fremdes Gefühl. Andere finden sich mit dem Alltagsrassismus ab. Oberhausener erzählen.

Der Protest hat ihm etwas Freiheit geschenkt. Afro-Shop-Inhaber „Ebony“ – so nennt man ihn nur in der Nachbarschaft – hatte bei der Demo gegen Rassismus in Oberhausen vergangenen Freitagnachmittag (5.6.) ausnahmsweise nicht die Sorge, für eine Polizeikontrolle aus der Menge herausgezogen zu werden. Unter den vielen dunkelhäutigen Teilnehmern fiel der gebürtige Nigerianer nicht auf. Ganz anders im Alltag.

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“Ich habe überall im Ruhrgebiet Kunden. Wenn sie dann bei mir ankommen, erzählen sie mir oft, dass sie am Oberhausener Hauptbahnhof mal wieder grundlos kontrolliert worden sind“, erzählt Ebony, der in seinen 20 Jahren in Deutschland von der Polizei ebenfalls oft als einziger gebeten worden sei, seinen Ausweis zu zeigen. Unter Generalverdacht ist die Freiheit ein sehr fremdes Gefühl. „Wir werden nie frei in Deutschland sein“, sagt er.

„Es wird sich ja doch nichts ändern“

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Ebony hat sich deshalb isoliert, lebt in seiner eigenen kleinen Welt, die sich zwischen Wohnung, Auto und Laden abspielt. „Weil einem überall Rassismus begegnet, meide ich die Öffentlichkeit möglichst. Wer von einer Gesellschaft ausgegrenzt wird, investiert auch nicht in sie“, sagt er. „Dabei wollen wir alle frei sein, uns gegenseitig wertschätzen und Zeit miteinander verbringen“, ergänzt Mitarbeiterin Precious.

In anderen Afro-Shops in der Oberhausener City will man ungern über den alltäglichen und strukturellen Rassismus und die Bedeutung des Todesfalls George Floyd für Deutschland reden. Man ist müde, man hat resigniert. „Die Ausgrenzung geht doch schon im Kindergarten los“, sagt eine Verkäuferin. „Und es wird sich ja doch nichts ändern.“

Respekt für Weiße, Beschimpfungen für Schwarze

Auch Padmore Adu Acheampong (58), Inhaber vom Verschiffungsunternehmen „Ghana Cargo“, findet sich inzwischen mit dem Alltagsrassismus ab. Vieles habe er irgendwann als „normal“ angesehen, zum Beispiel Kommentare auf der Arbeit. „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ sei dem gelernten Elektriker von seinen Kollegen oft zugerufen worden. Auch Sprüche darüber, wie er in einem Land ohne Strom denn überhaupt Elektriker hätte werden können, musste sich der gebürtige Ghanaer anhören. „Aber das geht zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus – sonst kann man nicht vernünftig zusammenleben.“

Zentrum der Ghanaer

Ghana ist Partnerland von Nordrhein-Westfalen. Besonders spüre man dies in Oberhausen, sagt „Ghana Cargo“-Inhaber Padmore Adu Acheampong. Oberhausen gilt als Hochburg der ghanaischen Community im Ruhrgebiet. „Wenn irgendwo eine große Feier stattfindet, dann meist hier.“

Verschiedene ghanaische Stämme sind auch in lokalen Vereinen organisiert – beispielsweise gibt es die Ashanti- oder die Brong-Ahafo-Union.

Schlimmer noch als die direkten Beschimpfungen oder unsensiblen Witze sei ohnehin der unterschwellige Rassismus – wenn man als einziger in der Nachbarschaft in Streiterein über Parkplätze gerate oder der Mitgliedsantrag im Fitnessstudio erst ignoriert, dann abgelehnt werde. Da sei Rassismus oft die einzige Erklärung, sagt Acheampong. „Früher waren die Attacken sehr direkt, heute sind sie versteckt.“

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Seinen beiden Kindern (24/32) habe er deshalb beigebracht, stolz auf ihre Hautfarbe zu sein. „Das hat sie stark gemacht.“ Natürlich würden hellhäutige Menschen in einem Land wie Ghana auch auffallen – aber eher auf respektvolle Weise an ihr Minderheiten-Dasein erinnert. „Das liegt auch daran, dass Schwarz immer nur mit negativen Dingen verbunden wird“, glaubt Acheampong. „Schwarz zieht man sich auf der Beerdigung an, weiß auf der Hochzeit.“ Nur einen wenig geliebten Gegenstand kenne er, der in der Regel weiß sei: „Toilettenpapier.“ Gelächter. „Wenn man nichts zu lachen hat, geht man doch kaputt.“