Krisentelefonat auf Krisentelefonat, Eil-Treffen des Corona-Krisenstabes – der Negativrekord an Corona-Neuinfektionen alarmiert die Oberhausener.

  • Das Coronavirus hat Oberhausen im Griff: Die Stadt hat den derzeit höchsten Inzidenzwert aller 53 NRW-Städte
  • Die Stadt verbietet Silvester-Feuerwerk auf großen Plätzen, von 21 bis 5 Uhr soll es eine Ausgangssperre geben
  • Ärzte vermuten eine zu große Sorglosigkeit der Bürger als Grund für den Anstieg der Zahlen

Oberhausen hat am Sonntag den höchsten Wochen-Inzidenzwert aller 53 NRW-Städte und Landkreise erreicht – der Wert lag bei 313,6 Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen je 100.000 Einwohner. Am Montag stieg er dann sogar auf 342,1. 194 Corona-Patienten werden derzeit in einem Krankenhaus behandelt, 23 auf der Intensivstation. Zehn Patienten werden beatmet (Stand: Montag, 21. Dezember 2020).

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Schon am Sonntagnachmittag hatte deshalb der städtische Krisenstabsleiter Michael Jehn den Krisenstab eilig zusammengerufen, um über strengere Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu beraten. Schon am frühen Sonntagmorgen jagte ein Krisentelefonat das nächste. Am Montag wurden nun harte Kontaktbeschränkungen und Verbote von Treffen von Gruppen in der Öffentlichkeit beschlossen. Silvester-Feuerwerk auf großen Plätzen ist verboten.

„Wir waren uns im Krisenstab darüber einig, dass wir strengere Regeln verhängen müssen. Vor allem die Altenpflegeheime haben um Hilfe gebeten“, berichtet Jehn nach der Sitzung im Gespräch mit der Redaktion. Der offizielle Beschluss der nächtlichen Ausgangssperre steht zur Zeit noch aus.

Gehen die Menschen in Oberhausen zu sorglos mit dem Coronavirus um?

Dr. Stephan Becker, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und Mitglied des Corona-Krisenstabes der Stadt, sieht ein ganzes Ursachenbündel dafür, dass der Inzidenzwert im Stadtgebiet so schnell so hoch gesprungen ist. „Im Vergleich zur ersten Welle im Frühjahr verhalten sich zu viele Menschen viel zu sorglos und nicht pandemiegerecht. Da kommen einige sogar ohne Maske in die Arztpraxis hinein oder lassen die Nase unbedeckt. Privatfeste wurden noch im Herbst in großem Rahmen gefeiert; zu anderen Menschen werden die notwendigen Mindestabstände nicht eingehalten.“

Strengere Regeln gelten bereits in anderen Super-Hotspots

Andere Städte und Regionen mit einem Inzidenzwert von über 200 haben bereits strengere Vorschriften für ihre Bürger als Oberhausen oder andere Ruhrgebietsstädte. So dürfen beispielsweise in Lübeck (Inzidenzwert: gut 230) im öffentlichen Raum zu privaten Zwecken nur noch Haushalte mit einer einzigen Person aus einem weiteren Haushalt zusammenkommen – insgesamt höchstens fünf. Nur noch eine Person pro Haushalt darf einkaufen gehen. Kinder unter 14 Jahren dürfen nur noch dann mit einem Elternteil einkaufen gehen, wenn keine andere Betreuung möglich ist. In Pflegeheimen darf nur noch eine registrierte Person einen Heimbewohner besuchen.

Für ganz Bayern gilt diese Ausgangssperre: Von 21 bis 5 Uhr ist der „Aufenthalt außerhalb einer Wohnung untersagt“. In dieser Zeit darf man sich nur aus streng festgelegten Gründen draußen aufhalten: wegen medizinischer Notfälle, der beruflichen Tätigkeit, der Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts oder der Versorgung von Tieren.

Schlimmer noch: Selbst wenn Patienten mit Symptomen einen Corona-PCR-Test in der Arztpraxis machen lassen, dann sind etliche anschließend nicht erreichbar, um ihnen das Testergebnis mitzuteilen – weder am Mobil- noch am Festnetztelefon. „Das ist frustrierend. Die Patienten besuchen dann noch den Vater zum Geburtstag oder treffen ihre Freundin – und wir haben noch viel mehr Fälle, die getestet werden und in Quarantäne müssen“, erzählt der Arzt. Eigentlich müssten die Patienten nach den Vorschriften in Quarantäne auf das Testergebnis warten – „doch die halten sich einfach nicht dran.“

Dr. med. Stephan Becker, Allgemeinmediziner, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein
Dr. med. Stephan Becker, Allgemeinmediziner, Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein © FFS | Christoph Wojtyczka

Die Situation in den Krankenhäusern ist nach Beschreibung des Allgemeinmediziners äußerst angespannt. Am Sonntagmorgen meldete die Stadt 192 Corona-Patienten in den örtlichen Kliniken; 20 von ihnen sind so schwer erkrankt, dass sie auf den Intensivstationen liegen. Grob betrachtet sind das doppelt so viele Fälle wie vor zwei Wochen. „Im Frühjahr war die erste Welle eine relativ kleine Welle“, bewertet der Osterfelder Arzt. „Jetzt haben wir überschlagen viermal so viele Fälle in jeglicher Kategorie.“

Ausgangssperre auch in Oberhausen?

Nun hat der städtische Krisenstab ein ganzes Bündel von strengeren Vorschriften beschlossen – am Sonntag benötigte er dafür zunächst noch die Genehmigung des Landersgesundheitsministeriums. Unter den Vorschlägen befinden sich Zutrittsverbote von Spiel- und Bolzplätzen, weitere Besuchseinschränkungen in Altenheimen, die Verpflichtung eines Haushalts, sich im öffentlichen Raum zu privaten Anlässen nur noch mit einer einzigen Person aus einem einzigen weiteren Haushalt zu treffen, und Höchstgrenzen für Besucher von Hochzeiten und Beerdigungen.

Entscheidet über weitere Einschränkungen für Oberhausener: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laufmann, hier im Gespräch mit dem städtischen Krisenstabsleiter Michael Jehn (links) und dem Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz (rechts) bei einem Besuch im September 2020 in Oberhausen.
Entscheidet über weitere Einschränkungen für Oberhausener: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laufmann, hier im Gespräch mit dem städtischen Krisenstabsleiter Michael Jehn (links) und dem Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz (rechts) bei einem Besuch im September 2020 in Oberhausen. © FFS | Christoph Wojtyczka

Die geplante Ausgangssperre betrifft auch andere Hotspot-Regionen des Landes NRW (Kreis Lippe und Düren). Wird die Ausgangssperre verhängt, dürften Menschen nur noch abends und nachts unterwegs sein, wenn sie einen triftigen Grund dafür haben, also etwa zur Arbeit müssen oder eine hilfsbedürftige Person versorgen. Frühestens können diese vorgeschlagenen Regeln ab Dienstag gelten.

Corona-Kontrollen durch das Ordnungsamt und durch die Polizei

Krisenstabsleiter Michael Jehn kündigt intensive Kontrollen aller Vorschriften durch die Ordnungsamtskräfte und durch die Polizei an. Allerdings ist er auch davon überzeugt, dass die Menschen nicht nur allein auf die konkreten Regeln schauen dürfen. „Das Virus verbreitet sich nur durch Kontakte. Wir müssen also dringend alle Kontakte reduzieren – auf ein Minimum des absolut erforderlichen. Nur so können wir das Virus eindämmen. Man sollte sein Verhalten überprüfen und nicht darauf schauen, was noch alles so möglich ist, sondern den Geist der Regeln in Pandemiezeiten verstehen und sich aus Eigenverantwortung entsprechend zurücknehmen – auch über die Beschränkungen hinaus.“

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