Oberhausen. In 18 von 26 Oberhausener Pflegeheimen ist das Coronavirus ausgebrochen. Jetzt richten Heimleiter einen flehentlichen Appell an alle Angehörigen.
Angesichts der dramatisch hohen Infektionsraten mit dem gefährlichen Coronavirus in Oberhausen bitten nun die Betreiber der 26 Altenheime im Stadtgebiet alle Angehörigen dringend, während der Weihnachtsfeiertage auf jeglichen Besuch der Pflegebedürftigen zu verzichten. Der Sieben-Tages-Inzidenzwert an Neuinfektionen liegt in Oberhausen NRW-weit am höchsten – bei 342,1 (Robert-Koch-Institut).
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Nach Ansicht verschiedener Heimleiter stellt der Besuch in den Altenheimen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, trotz Corona-Schnelltests und Hygiene-Richtlinien ein zu großes Risiko dar, dass sich Heimbewohner mit Corona infizieren. Seit dem Ausbruch der Pandemie in Oberhausen sind bereits 81 Menschen verstorben, davon in großer Mehrheit ältere Bürger über 80 Jahre.
Nicht ausreichend Heimbewohner vor Ansteckung geschützt
Oberhausen ist es wie anderen Städten in Deutschland nicht gelungen, die gefährdeten Altersgruppen, insbesondere die pflegebedürftigen Einwohner, vor einer Ansteckung ausreichend zu schützen. Momentan ist das Coronavirus in 18 der 26 Altenheime aufgetaucht – in unterschiedlicher Stärke. Einen besonders starken Ausbruch gab es ausgerechnet im Haus Bronkhorstfeld, das der Stadt Oberhausen über ihre Tochter „ASO Alteneinrichtungen“ gehört.
Das Ameos-Pflege-Zentrum Josefinum ist aktuell so sehr betroffen, dass es ein striktes Besuchsverbot verhängt hat: Bei 47 von 77 Bewohnern und 15 Mitarbeitenden wurde nach Mitteilung von Ameos ein positives Testergebnis festgestellt. „Die Einrichtungsleitung nimmt die Entwicklung vor Ort sehr ernst“, schreibt Ameos. Unverzüglich sei ein Expertengremium einberufen worden. „Wie das Virus in die Einrichtung gelangte, konnte bisher nicht nachvollzogen werden.“ Nach den Erfahrungen des ASB-Heimes am Annemarie-Renger-Weg konnte man den Corona-Ausbruch im Mai nur in den Griff bekommen, weil man alle Besucher aussperrte.
Besuchsverbot für mehrere Wochen?
Stefan Welbers, Leiter des Seniorenzentrums Gute Hoffnung und als Sprecher der Pflegeheime Mitglied im Oberhausener Krisenstab, geht deshalb noch einen Schritt weiter als nur um freiwilligen Besuchsverzicht ausgerechnet an den Weihnachtstagen zu bitten. „Uns nutzt noch nicht einmal so richtig eine Halbierung der Besucherzahl, weil wir nicht wissen, ob nicht die falschen, bereits infizierten Menschen kommen, deren Corona-Infekt wir mit den Tests dann doch nicht entdecken. Am sinnvollsten wäre ein Besuchsverbot über mehrere Wochen – wie im Frühjahr. Sonst besteht die Gefahr, dass wir in den Heimen weiter Corona haben. Das alles tut mir unendlich leid, aber es ist nicht anders zu machen.“
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Welbers vollzieht in seinem Heim seit zwei Wochen alle zwei Tagen einen Voll-Schnelltest der gesamten Belegschaft, der Heimbewohner, der Besucher – und trotzdem geschieht es, dass das Virus eingeschleppt wird. „Das kann jedem Heim passieren, ob man einen großen, kleinen oder gar keinen Ausbruch hat, ist letztendlich reine Glücksache.“ Die hohe mögliche Besucherzahl und die vielen Test-Abstriche sorgten für eine erhebliche Belastung des Pflegepersonals – wenn von den Pflegekräften sich zu viele infizieren würden, dann wäre die Versorgung der Pflegebedürftigen in Gefahr.
1900 Oberhausener leben in Pflegeheimen
Über 2100 stationäre Pflegeplätze in 26 Seniorenheimen gibt es auf dem Stadtgebiet Oberhausen. Sie sind in der Regel gut ausgebucht. 1900 Menschen sind in Oberhausen so hilfsbedürftig, dass sie im Pflegeheim wohnen müssen.
Die Preise für die Rund-um-Versorgung von Schwerpflegebedürftigen schwanken in Oberhausen zwischen 3000 und 5000 Euro im Monat. In diesem Preis enthalten sind die Pflege/Betreuung, die Unterkunft, die Verpflegung, die Investitionskosten fürs Heim, die Ausbildungsumlage für neue Fachkräfte und Extra-Lohnzuschläge bei besonders schweren Fällen. Je nach Pflegegrad zahlt die Pflegeversicherung von diesem Monatspreis allerdings nur einen Teilbetrag – zwischen 770 und 2005 Euro im Monat.
Genauso wie Welbers weiß Alexandra Niehls, Geschäftsführerin der Oberhausener Einrichtung Alsbachtal und ebenfalls Mitglied des Krisenstabs, wie schwer es menschlich allen Beteiligten fällt, ob Familienangehörigen oder den Pflegebedürftigen selbst, gerade zu Weihnachten keinen Besuch mehr zu ermöglichen. „Wir wissen, dass dies eine große Bitte ist, aber sie erfolgt im Interesse unserer Bewohnerinnen und Bewohner.“
Niehls und Welbers machen auf eine weitere Besonderheit des neuen Impfstoffs aufmerksam, die bisher nur wenigen bekannt ist. Eine Ansteckung sollte auch deshalb vermieden werden, weil nur diejenigen Personen geimpft werden können, die aktuell nicht infiziert sind und auch keine Krankheitssymptome aufweisen wie zum Beispiel Fieber.
War die Besuchsgarantie für Weihnachten ein falsches Zeichen?
Noch vor kurzem hatte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) eine Besuchsgarantie für alle Altenheime abgegeben: „Das lasse ich nicht zu.“ Dies war von Heimbetreibern als „fahrlässig“ kritisiert worden. Im Vergleich zum Herbst gibt es bereits wieder deutliche Besuchseinschränkungen: So dürfen in der Regel in den Heimen nur noch zwei Besucher am Morgen und zwei Besucher am Nachmittag einen Pflegebedürftigen aufsuchen – nach negativem Corona-Schnelltests, mit FFP2-Maske und mit Abstand. Doch Oberhausener Heimleiter stellen bei Stichproben in den Zimmern immer wieder fest: Da tätschelte die Ehefrau ihren Mann, da ziehen sich die Besucher in den Räumen die Masken runter.
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Dr. Stephan Becker, Allgemeinmediziner und Sprecher der Oberhausener Kassenärzte, hält die erlaubte Besucherzahl durch die geltende Regelung für viel zu groß. In größeren Heimen mit etwa 200 Pflegebedürftigen können trotz dieser Beschränkung von vier Besuchern im Tag theoretisch 800 Gäste von außen zusammenkommen. „Die Besuchsregelung muss deutlich eingeschränkt werden, das ist auch nicht unmenschlich“, meint Dr. Becker.