Oberhausen. Deutschlands erste Jugendkirche Tabgha verlässt Oberhausen. Buschhausen kann mit der neuen Heimat Dellviertel in Duisburg leider nicht mithalten.
Zeitreise gefällig? Es ist das Jahr 2000 im Jahre des Herrn: Angela Merkel macht Opposition, Kunden kaufen Weihnachtsgeschenke mit der D-Mark im Geschäft und ein Besuch in der Kirche heißt vielerorts noch stumpf: Singen, Beten, Amen. Am zweiten Advent 2000 ändert sich das.
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An der Fichtestraße in Oberhausen-Buschhausen öffnet damals die erste Jugendkirche Deutschlands namens Tabgha ihre Pforte. 20 Jahre später heißt es Abschied nehmen – denn die Mutter aller Jugendkirchen feierte an diesem Sonntagabend leider den letzten Gottesdienst in Oberhausen.
Beziehungen bedeutsamer als Gemäuer
„Die alten Steine werden manche vermissen“, sagt Jugendseelsorger Stephan Markgraf. Menschliche Beziehungen seien aber bedeutsamer als Gebäude. Auch der Pastor zieht mit Tabgha bald nach Duisburg. „Wir verabschieden uns nicht von den Menschen – die nehmen wir mit.“ Doch was bleibt?
Wie so oft: Erinnerungen. Schon an der ersten Ausstellung „I.N.R.I.“ schieden sich mit gemäldegroßen Fotos der streitbaren Künstler Bettina Rheims und Serge Bramly die Geister. Zu sehen waren unter anderem die junge und die alte Eva – freizügig und provokant, beide nackt. Dazu: Jesus als Model. Das lockte an.
5000 Besucher pilgerten zu „I.N.R.I“, schauten und stritten über die Ausstellung, die sonst nur in Metropolen wie New York oder Tokio bestaunt wurde. Gründervater Bernd Wolharn und seine Nachfolger atmeten die Freiheit ein, mit der sie unbefangen staubige Bilder der Kirche freipusteten. Es folgten Musicals (bald als Video erhältlich: „Der Glöckner von Notre-Dame“), Theaterschauspiele oder Skate-Events in und an der Kirche. Für ältere Christen wirkte es womöglich befremdlich, was bei Tabgha vorging – und was man inzwischen in jeder Großstadt anbietet; junge Kirche für junge Leute.
Junge Menschen machen religiöse Erfahrungen
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„Die Erfahrungen, die junge Menschen bei Tabgha machen“, schreibt Hans-Jürgen Vogel, jetzt Pastor im Ruhestand, damals Wegbereiter, „sind durchaus religiös zu deuten“. Den Kurs der Jugendkirche Tabgha kann man in der heutigen Zeit wohl am ehesten mit „anwenderfreundlich“ bezeichnen.
Während früher Kinder in der vierten Bankreihe auf den Hinterkopf des Vordermanns starrten, flogen die Kirchenbänke bei Tabgha raus. Die Jugendkirche musste her, weil das Bistum Essen nach einer Umfrage unter mehr als 5000 jungen Katholiken in Oberhausen endlich auf die Jugend zuging.
Abschiedswoche
Wer sich verabschieden möchte, kann dazu bis zum 11. Dezember noch Gelegenheit. Sie sollten sich aber zügig anmelden auf der Internetseite tabgha.ruhr.
Die Abschiedswoche läuft bis Donnerstag täglich von 16 bis 21 Uhr und am Freitag von 10 bis 21 Uhr. Anmeldungen gelten für eine Stunde. Die Angaben zu Personen und der Anzahl der Haushalte sind bei Anmeldung für Einhaltung der Hygiene nötig.
„Sich verändern ist gut – baulich wie inhaltlich“, sagt Stephan Markgraf. In Duisburg muss sich Tabgha erst einmal anpassen: Im Gegensatz zu Oberhausen betet die Partnergemeinde St. Joseph in derselben Kirche. „Bühnen fürs Theater aufbauen und Werkzeug liegen lassen? Das fällt aus.“ Die Kirche in einen „Escape-Room“ verwandeln, aus dem man sich spielerisch befreien muss, wie in Oberhausen, scheitert vermutlich, wie die hier so beliebte Kletterwand, vorerst am Geld. „Weil wir uns die Kosten für Strom, Wasser und Heizung teilen, sparen wir natürlich trotzdem“, sagt der Pastor.
Anderer Grund für den Umzug: „Hier sind wir am Puls der Zeit“, sagt Stephan Markgraf. Die Jugendkirchen sind in Innenstädten beheimatet. Buschhausen kann nicht mit den Bars, der Kunstszene und den Konzerten im Duisburger Dellviertel mithalten. Die erste Aktion mit Duisburgs Kulturbetrieben sei schon geplant.