Oberhausen. Können Flüchtlinge helfen, den Mangel an Fachkräften zu lindern? Das ist nicht unmöglich, aber schwierig. Ein Beispiel aus Oberhausen.

Fenster putzen – das hat Jamal Robert-Yusuf keinen Spaß gemacht. Im Altenheim alte Menschen pflegen, war ebenfalls keine erfüllende Aufgabe für ihn. Seine jetzige Tätigkeit ist eine echte Rarität, wird aber dringend benötigt. Sie ist nicht ungefährlich, wird aber ausgezeichnet bezahlt: Jamal Robert-Yusuf wird ein Schornstein- und Feuerungsbauer.

Jamal Robert-Yusuf.
Jamal Robert-Yusuf. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz



„Am Anfang hatte ich keine Ahnung von dem Beruf“, sagt er. Heute mauert, verputzt und verfugt er alles feuerfest. Dass Jamal Robert-Yusuf im dritten Jahr bei der Oberhausener Firma Loewe lernt, ist nicht selbstverständlich. Denn vor fünf Jahren war er auf der Flucht aus Nigeria – jetzt ist er auf einem neuen Weg: vom Flüchtling zur Fachkraft.

Baubranche kämpft gegen Corona und den Azubi-Mangel


Seiner Branche, dem Baugewerbe, gehen indes die Azubis aus.
Nur die Hälfte aller Lehrstellen in Oberhausen
ist besetzt –
darauf wies die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) bereits im Sommer hin
. Im Herbst hat
dann die Landes-DGB-Vorsitzende Anja Weber vor den Folgen der Corona-Krise gewarnt.
Der erste Lockdown habe die Berufswahl junger Menschen schon massiv getroffen: Aber ohne Ausbildung gibt es am Ende keine frischen Fachkräfte mehr. Zudem sei fast jeder fünfte Erwachsene zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss. Neue Ideen: Willkommen!

Im Ausbildungszentrum der Bauindustrie (ABZ) ist man froh über Menschen wie Jamal Robert-Yusuf, 22 Jahre jung. Er ist ein Paradebeispiel, wie wirksam Integration sein kann, wenn alle Partner aufeinander zugehen. Çağla Sorgun hat vielen Geflüchteten zu Arbeit verholfen. Auch Jamal Robert-Yusuf. Das ist ihr Job. Sie ist offizielle Willkommenslotsin.

Bundesprojekt: Willkommenslotsen sollen Geflüchtete passgenau besetzen


Willkommenslotsen werden staatlich gefördert
und sind das Bindeglied zwischen Bauwirtschaft und Neubürger. Sie arbeiten an allen Fronten, begleiten Geflüchtete zu Behörden, beraten Betriebe zu Fördergeldern und bauen vor allem Vorurteile ab. „Meistens hapert es bei der Sprache der Bewerber“, sagt Çağla Sorgun – doch sie hat Hilfe im Gepäck.

(von links): Angelika Albers (Loewe Industrieofenbau GmbH), Jens Waldoch (Leiter Ausbildungszentrum), Jamal Robert-Yusuf (Auszubildender im Bereich Feuerungs- und Schornsteinbauer) und Çağla Sorgun (Willkommenslotsin) vor dem Ausbildungszentrum des Bauindustrieverbands NRW.
(von links): Angelika Albers (Loewe Industrieofenbau GmbH), Jens Waldoch (Leiter Ausbildungszentrum), Jamal Robert-Yusuf (Auszubildender im Bereich Feuerungs- und Schornsteinbauer) und Çağla Sorgun (Willkommenslotsin) vor dem Ausbildungszentrum des Bauindustrieverbands NRW. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz



Regelmäßig bleibt Jamal Robert-Yusuf länger
im Ausbildungszentrum der Bauindustrie
an der Vestischen Straße in Osterfeld
. Im ehemaligen HDO-Filmtrickzentrum
lernt er zwei Extrastunden nach Unterrichtsschluss Deutsch im Kurs für Bauberufe. Kostenlos.
Bei Loewe
machte er erst ein Praktikum, weil sein Deutsch hakt.
Ausbildungsleiterin Angelika Albers (53) lobt Jamal Robert-Yusuf jetzt für seinen Einsatz: „Wir sind sehr zufrieden mit Jamal.“

Nur einmal in Deutschland: Schornsteinbauer in Oberhausen

Schornstein- und Feuerungsbauer sind indes selten geworden. In ganz Deutschland gibt es nur einen Ort, wo Azubis überbetrieblich im Blockunterricht lernen, wie sie Schornsteine und Öfen bauen und sanieren: Oberhausen! In Jamal Robert-Yusufs Bundesfachklasse seien von anfangs 40 Azubis im dritten Lehrjahr leider nur noch 26 übrig, sagt er. Wer es zwei Jahre schafft, ist offiziell Hochbaufacharbeiter. 2021 will er seine Prüfung zum Schornstein- und Feuerungsbauer meistern.



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Bis dahin arbeitete der Nigerianer hauptsächlich in den Hallen der hiesigen Schwerindustrie, wo Roheisen Tag und Nacht fließen muss – oder auch mal in einer Zuckerfabrik. Loewe-Ausbildungsleiterin Angelika Albers sieht bei Jamal Robert-Yusuf erstklassige Chancen auf einen Job als Vorarbeiter oder Polier.„Vielleicht studierst du ja noch, wie du immer erzählst“, sagt sie zu ihm. „Klar!“, entgegnet er und sein Grinsen verrät: Gegen ein Studium und Ingenieurstitel hat Jamal Robert-Yusuf sicher nichts einzuwenden. Doch der Weg ist lang – vom Flüchtling zum Facharbeiter.