Oberhausen. Schmachtendorfer bewerten das Gemeinschaftsgefühl in ihrem Stadtteil beim Check mit guten Noten. Erklärungsansätze eines Alteingesessenen.
Ob Menschen gerne in ihrer Stadt wohnen, hängt nicht nur von Kriterien ab wie bezahlbarem Wohnraum, Kultur- und Freizeitmöglichkeiten, gut ausgestatteten Schulen, ausreichend Grünflächen oder Arbeitsplätzen. Sondern auch von Wohlfühlfaktoren wie einer empfundenen Gemeinschaft. Aber was macht so eine Gemeinschaft in einem Stadtteil in Oberhausen aus? Dass man beim Gang auf die Straße erkannt und gegrüßt wird, es also weniger anonym zugeht? Dass Nachbarn sich gegenseitig helfen? Dass das Umfeld möglichst klein, fest umrissen und überschaubar ist?
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Bei unserem Stadtteilcheck haben wir die Teilnehmer auch gebeten, eine Schulnote von eins bis sechs für das Gemeinschaftsgefühl in ihrem Stadtteil zu vergeben . Den Ergebnissen nach zu urteilen, sind die Schmachtendorfer Experten für dieses Sich-Aufgehoben-Fühlen in einer Nachbarschaft. Sie bewerteten die Zusammengehörigkeit in ihrem Wohnumfeld mit einem „Gut“ (Notendurchschnitt 2,28) – und liegen damit an der Spitze aller Oberhausener Stadtteile, gefolgt von Vondern (2,33), Borbeck (2,34) und Königshardt (2,36). Die besten Zensuren haben also vor allem historisch über längere Zeit gewachsene Stadtteile bekommen und solche, die noch wie kleine „dörfliche“ Inseln im Großstadtmeer wirken. Schlecht abgeschnitten beim Thema Gemeinschaftsgefühl haben dagegen die Innenstadt-Bereiche: die Innenstadt Alt-Oberhausen mit der Durchschnittsnote 4,63 (letzter Platz) und Osterfeld-Mitte mit 4,12.
Wie das mit Gefühlen so ist: Sie sind mitunter schwer zu greifen. Was also ist denn zuträglich für ein gutes Gemeinschaftsgefühl und womöglich an Strukturen übertragbar? Das müssten Bewohner des Spitzenreiters doch beantworten können. Überrascht hat die gute Note Friedrich Jobs jedenfalls überhaupt nicht. Der 72-Jährige ist Vorsitzender des Vereins für Verkehr und Heimatkunde Schmachtendorf und kennt diesen Stadtteil und seine Menschen in- und auswendig. Seit 1953 lebt der ehemalige Leiter der Hartmannschule hier, seit 1968 an der Walsumermarkstraße. „Das ist meine Heimat, mein Zuhause“, sagt der einstige Grundschullehrer, hier wollte er nie weg. Und das geht wohl vielen Einwohnern des Stadtteils so, meint Friedrich Jobs, denn „die Sesshaftigkeit macht die Schmachtendorfer aus“ , ist er überzeugt.
Von der kleinen Soldatenkolonie zum urbanen Stadtteil
Schmachtendorf hat die klassische Karriere einer ehemaligen kleinen Siedlung in diesen Breitengraden durchgemacht, die mal klein angefangen hat und dann Teil eines Größeren wurde, dass so seinerseits zu einer Großstadt wuchs, in diesem Falle erst Sterkrade, dann Oberhausen. Aus dem landwirtschaftlich geprägten Örtchen beziehungsweise der ehemaligen Soldatenkolonie (Karl Lange) – 1749 ließ sich Johann Fester mit Erlaubnis von Friedrich II. als erster ehemaliger Soldat in der Endmoränenlandschaft nieder – wurde ein Zuzugsgebiet für Industriearbeiter und dann ein urbaner Stadtteil einer 210.000 Einwohner großen Stadt. In einer Region, die viele zurecht als Metropole begreifen. Aber „zuallererst bin ich Schmachtendorfer und dann Oberhausener“, beschreibt Friedrich Jobs ein Zugehörigkeitsgefühl, was wohl viele seiner Nachbarn und viele Ruhrgebietler überhaupt für ihren jeweiligen Wohnort unterstreichen würden.
„Meine Mutter sagte immer ‘Ich gehe mal eben ins Dorf’ und meinte damit Schmachtendorf. Oder sie fuhr ‘in die Stadt’, also nach Sterkrade oder Oberhausen“, erzählt Friedrich Jobs. Das ist heute nicht mehr ganz so – aber dennoch: Schmachtendorf sei ein „autarker Stadtteil“, so der Vorsitzende des fast 100 Jahre alten Heimatvereins. „Ich kann mich komplett vor Ort versorgen.“ Geschäfte in jeglicher Form seien an der Dudeler Straße und auch anderswo vorhanden und auch alle Dienstleister. So begegnen sich die Schmachtendorfer regelmäßig, beim Einkauf, auf dem Wochenmarkt (immer donnerstags), feste Rituale schweißen zusammen.
Wie auch die sehr vielen Vereine in Schmachtendorf, von der Interessengemeinschaft über den Heimatverein bis hin zu Chören, Sport- oder Schützenvereinen. Das Besondere, so Jobs: Es gebe viele Mehrfach-Mitgliedschaften, wer in der IGS sei, mache beispielsweise auch im Heimatverein mit und umgekehrt. „Die Kommunikation zwischen den Vereinen läuft sehr gut“, und gemeinsam werde ohne Konkurrenzdenken überlegt, was man machen könnte und was für den Stadtteil wichtig sei. Der Schmachtendorfer lobt die Beziehungen untereinander und die kurzen Wege – auch ins Rathaus in der so weit entfernten Innenstadt, sowohl zur Verwaltung als auch zur Politik. Um dort die Wünsche, Anregungen und Kritik der Bürger anzubringen. Vielleicht bestärkt auch dies das Gemeinschaftsgefühl: der Eindruck, zusammen etwas bewirken zu können.
Letzte Folge der Stadtteilcheck-Serie
Die Umfragen des Stadtteil-Checks liefern ausdrücklich keine repräsentativen Ergebnisse , weil die Teilnehmer nicht gezielt nach sozio-demografischen Merkmalen ausgewählt wurden, sondern selbst nach Aufrufen über ihre Teilnahme entschieden haben. Die Umfrage-Resultate geben die subjektive Meinung wieder.
Aber: „Der Stadtteilcheck liefert wegen der sehr großen Beteiligung ein gutes Stimmungsbild “, erklärt Dr. Ana Moya, die für die Auswertung der Fragebögen zuständige Statistik-Expertin. Sie fügt hinzu: „Es wurde darauf geachtet, dass in jedem Stadtteil eine ausreichende Teilnehmerzahl erreicht wurde.“
Die Teilnehmerzahlen variieren und reichen von 50 (im Brücktorviertel) bis 337 (in Alstaden). Eine Ausnahme bilden Vondern und Vonderort . Dort hatten zu wenige Leser (16 und fünf) teilgenommen, gleichwohl geben wir die Benotungen in den Übersichten an. Die Umfrage fand im Februar 2020 statt.
Dies ist die letzte Folge der Stadtteilcheck-Serie. Alle Folgen der Serie finden Sie auf www.waz.de/staedte/oberhausen/stadtteil-check/.
Kröößkirmes, Nikolausmarkt und Maifest
Begegnung erleben die Schmachtendorfer auch bei zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen übers Jahr: Kröößkirmes, Nikolausmarkt, Maifest, feste Termine, auf die nun alle wegen Corona im Stadtteil verzichten müssen und die schmerzlich von den meisten vermisst werden.
Schmachtendorfer Strukturen als Prototyp für ein gutes Gemeinschaftsgefühl? Das wäre wohl anmaßend, findet auch Friedrich Jobs. „Aber es ist immer ein guter Ansatz zu gucken, was denn konkret im Argen liegt und die Menschen danach zu fragen.“ Und sich dann zu kümmern.
Alle Folgen der Stadtteilcheck-Serie finden Sie hier .
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