Oberhausen. Viele Oberhausener leiden unter den finanziellen Folgen der Corona-Krise. Aktuelle Zahlen könnten Hoffnung machen – sind aber trügerisch.

Experten sorgen sich um die Zahlungsfähigkeit der Oberhausener Bürger. Immer mehr Menschen suchen Rat , beispielsweise zu pfändungssicheren Girokonten. Und immer öfter geben sie coronabedingte Gründe für ihre finanzielle Schieflage an, wie etwa Kurzarbeit. In konkreten Zahlen schlägt sich der Trend zwar noch nicht nieder, aber Kenner der Materie gehen von der sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm aus.

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So ist es beispielsweise auch bei der Schuldnerberatung des Diakonischen Werkes in Oberhausen. Konkrete Zahlen gibt es erst nach Ablauf des Jahres, aber ein Anstieg der Beratungsgespräche zeichne sich deutlich ab, sagt Paul Jednorog, Leiter der Beratungsstelle. Die Menschen möchten unter anderem wissen, wie sie ihr Konto pfändungssicher machen und welcher Freibetrag ihnen zusteht. Mit einer entsprechenden Bescheinigung der Beratungsstelle können die Ratsuchenden dann bei ihrer Bank oder Sparkasse die nötigen Schritte einleiten.

Corona-Krise trifft die Menschen mit Verzögerung

Dass sich das anbahnende Problem noch nicht in rasant steigenden Zahlen spiegelt, verwundert Jednorog nicht. Die Zahl der Schuldner in Oberhausen werde steigen, da ist er sich sicher. Aber zeitverzögert. Das hat aus Sicht des Fachmanns zwei Hauptgründe: Die Menschen sind verunsichert, wissen nicht, wie sich die Corona-Krise weiterentwickelt und zögern daher bei größeren Anschaffungen. Sie sparen lieber, statt ihr Geld auszugeben. Zum anderen lobt Jednorog die staatlichen Hilfen wie das Kurzarbeitergeld oder den Kinderbonus für Familien. Diese 300 Euro pro Kind werden zudem nicht auf das Einkommen von Beziehern von Hartz IV angerechnet. „Man darf sie komplett behalten, das ist sehr gut.“

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Aus den zwei genannten Gründen kommt es auch bei den erhobenen Zahlen des Finanzinstituts Creditreform zu einer paradoxen Situation: Die Zahl der Schuldner ist ausgerechnet im Corona-Jahr 2020 rückläufig. Auch in Oberhausen waren in diesem Jahr weniger Menschen verschuldet als noch 2019. Das geht aus dem aktuellen „Schuldner-Atlas Deutschland“ hervor.

Schuldner-Quote in Oberhausen sinkt leicht

Dieses Phänomen beobachten die Experten auch für Oberhausen: Die Schuldner-Quote sinkt, wenn auch nur leicht, von 15,27 im vergangenen Jahr auf nun 15,23 Prozent. Im deutschlandweiten Vergleich schneidet Oberhausen aber wie gewohnt schlecht ab: Von 401 untersuchten Städten landet die Stadt abgeschlagen auf Rang 382. Andere Ruhrgebietsstädte landen noch dahinter: Duisburg (395), Gelsenkirchen (397), und Herne (398). Mit einer Schuldner-Quote von lediglich vier Prozent leben im bayerischen Eichstätt demnach die wenigsten verschuldeten Menschen.

Deutliches Nord-Süd-Gefälle

Gutverdiener kommen besser durch die Krise, Menschen mit weniger oder kaum Einkommen leiden: Auch in Oberhausen ist dies sichtbar, denn auch bei der Schuldner-Quote wird das bekannte Nord-Süd-Gefälle der Stadt deutlich. Im Norden leben sehr viel weniger verschuldete Bürger als im Süden der Stadt.

Mit einer Schuldner-Quote von 22,2 Prozent führt das Postleitzahlengebiet im Innenstadtbereich 46045 die Negativliste laut Creditreform an. Weit weniger als die Hälfte, nämlich gut acht Prozent, beträgt die Schuldner-Quote im Gebiet 46147, also in Schmachtendorf, Alsfeld, Holten und Sterkrade-Nord.

Auch die Experten der Creditreform gehen davon aus, dass die negativen Einschläge der Corona-Krise die Menschen zeitverzögert treffen werden. „Die langfristigen Perspektiven für die Überschuldungsentwicklung sind besorgniserregend, da die Corona-Pandemie auch eine weitere Polarisierung von Einkommen und Vermögen bewirkt“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Abteilung Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Gutverdiener können coronabedingte Ausfälle kompensieren, die unteren sozialen Schichten haben dagegen kaum finanzielle Reserven und verschulden sich immer weiter. Städte wie Oberhausen, in der vergleichsweise viele Menschen mit wenig Geld leben, treffen die Auswirkungen der Corona-Krise also doppelt hart.