Oberhausen. Corona-Leugner gewinnen in Oberhausen an Zulauf. Über ihre Flugblätter regen sich aber viele Bürger auf. Wie agieren diese Gruppen eigentlich?

Corona -skeptische Gruppen versuchen in Oberhausen immer mehr an Zulauf zu gewinnen. Per Wurfsendungen und an regelmäßigen Infoständen in der Innenstadt warnen sie – zum Ärger zahlreicher Oberhausener und der Stadt - vor einer „inszenierten Pandemie “ oder einer drohenden „Versklavung“ durch Corona-Maßnahmen.

Seit Ende August wurden in Oberhausen mindestens drei verschiedene Flugblätter in Briefkästen verteilt, auf denen für die Telegram-Gruppe „Oberhausen – Menschen stehen zusammen“ geworben wird. Die offene Gruppe des Chat-Dienstes zählt derzeit rund 140 Mitglieder. Hier werden vor allem Videos und Artikel gepostet, die Administratoren sprechen von einem „Fakten-Channel“. Geteilt werden unter anderem Inhalte, in denen die „Maske als Todesursache“ bezeichnet wird oder ein Zusammenhang zwischen dem überraschenden Tod des SPD-Spitzenpolitikers Thomas Oppermann und seiner Kritik an vereinzelten Corona-Regeln hergestellt wird.

Dubioser Ärzte-Verein spricht von „Zwangsimpfung“ – Ärztekammer: Unverantwortlich

Auch auf die Inhalte der Organisation „Ärzte für Aufklärung“ wird in der Telegram-Gruppe häufig verwiesen, die ebenfalls bereits Flyer in Oberhausen und zahlreichen anderen Städten verteilt hat. Auf den Flugblättern kommt der Pharmakologe und Toxikologe Stefan Hockertz zu Wort, der vor 80.000 Toten und vier Millionen Geschädigten durch eine drohende „Zwangsimpfung“ warnt.

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Die Ärztekammer Nordrhein distanziert sich auf Nachfrage deutlich von „Ärzte für Aufklärung“ und spricht von „unverantwortlichen Aussagen“. Mit derartigen Flugblättern schüre man unnötig Angst, meint Sprecherin Sabine Schindler-Marlow. „Zumal es aktuell keinen zugelassenen Impfstoff gibt und die Bundesregierung eine Impfpflicht im Fall von Covid-19 bereits mehrfach ausgeschlossen hat.“ Berufsrechtliche Schritte für Ärzte, die bei der Organisation aktiv sind, werde man in jedem Einzelfall prüfen.

Krisenstab-Leiter: Müssen Corona-Leugnern klar widersprechen

Verteilt wurden in Oberhausen auch Flyer des HNO-Arztes und „Widerstand 2020“-Mitbegründers Bodo Schiffmann , dessen hunderttausendfach abonnierter Youtube-Kanal vor allem unter Kritikern der Pandemie-Politik geschätzt wird. Schiffmann vertritt unter anderem die Ansicht, Covid-19 sei nicht gefährlicher als eine Grippe-Erkrankung und übliche Corona-Tests seien unzuverlässig.

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„Wie gefährlich das Virus ist, sieht man alleine daran, dass mit dem Anstieg der Zahlen infizierter Menschen auch die Krankenhäuser viel mehr Patienten mit Corona behandeln müssen, weil sie so schwere Symptome haben“, entgegnet Michael Jehn, Leiter des Oberhausener Krisenstabs. Die Meinungen der sogenannten Corona-Leugner müsse man allerdings in einer Demokratie aushalten, die Demokratie garantiere die Meinungsfreiheit. „Wir sollten diesen Aussagen aber klar widersprechen und sie kritisch auseinandernehmen.“ Die meisten Bürger unterstützten nicht nur die Corona-Schutzregeln, sondern seien sogar froh, wenn strengere Regeln erlassen werden, um die rasante Ausbreitung des Virus zu stoppen.

Polizei: alles von der Meinungsfreiheit gedeckt

Mehrere Telegram-Gruppen

Mit dem Chat-Programm Telegram tauschen sich die Corona-Skeptiker neben der Gruppe „Oberhausen – Menschen stehen zusammen“ auch in weiteren Gruppen aus.

Die Oberhausener Anti-Rechts-Initiative „Es reicht!“, die die Szene nach eigenen Angaben seit Anfang der Pandemie beobachtet, spricht von mindestens zwei weiteren offenen („F reiheitsboten Oberhausen“/ „Nicht ohne uns Oberhausen“, beide jeweils 80 Mitglieder) und drei geschlossenen Gruppen, in denen sich die Oberhausener Maskenverweigerer organisieren und unter anderem für ihren wöchentlichen Informationsstand an der Markstraße werben.

Auch mehrere Leser haben gegenüber unserer Redaktion bereits ihren Unmut über die Flyer zum Ausdruck gebracht. „Es ist ja schon unglaublich, was im Netz so alles kursiert, aber dass es jetzt noch diese Wurfsendungen gibt, ist schon beängstigend“, schreibt Karin, die ihren vollen Namen nicht öffentlich lesen will.

„Ich finde Meinungsfreiheit wichtig, aber diese Art der Verunglimpfung und die Verbreitung von Verschwörungstheorien wirken auf mich bedrohlich“, sagt Manfred, der bereits im Spätsommer ein Flugblatt erhielt, auf dem zum „Selberdenken“ aufgefordert wird – also sich etwa die Frage zu stellen, ob die Charité und das Robert-Koch-Institut von Microsoft-Gründer Bill Gates finanziert werden.

Die Polizei hat gegen derartige Wurfsendungen trotz aller Irreführungen übrigens keine Handlungsmöglichkeiten. Man erkenne nach einer ersten Prüfung auf den Flugblättern „keine strafrechtlich relevanten Inhalte, die ein polizeiliches Einschreiten erforderlich machen würden“, sagte Sprecher Tom Litges auf Nachfrage.

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