Oberhausen. Nach Ärger um eine Baugenehmigung fragt sich eine Kauffrau: Warum zeigt sich Oberhausen in der Pandemie nicht kulanter gegenüber Geschäftsleuten?
Die virusbedingten Schließungen haben den Oberhausener Einzelhändlern ohnehin ein schwieriges Jahr bereitet. Statt den am Boden liegenden Geschäftsleuten die Hand zu reichen, trete die Stadt lieber noch nach, ist Sabine Hemsing nach ihren Erfahrungen mit den Stadtbediensteten überzeugt.
Hemsing führt den 1966 eröffneten Teppichladen ihres Vaters in der zweiten Generation. „Entsetzt“ ist die Unternehmerin über das Klein-Klein und die geringe Kulanz der Verwaltung. Der Streitpunkt: eigentlich eine Banalität - eine Klebefolie an ihrem Schaufenster.
Vor sechs Jahren ließ Hemsing an ihrem Fachgeschäft an der Marktstraße eine marode Leuchtreklame gegen eine Folie austauschen. Eine unproblematische Angelegenheit, habe sie damals gedacht. Schließlich habe auch die beauftragte Firma nicht darauf aufmerksam gemacht, dass eine Baugenehmigung für den Schriftzug nötig sei. Jahre später nun, und ausgerechnet kurz nach den existenzbedrohenden Corona-Schließungen, lag plötzlich ein Schreiben aus dem Rathaus im Briefkasten.
Stadt spricht von „Illegalität“
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Von „ordnungswidrigen Handlungen“ und „Illegalität“ war darin die Rede – weil bei einer Ortsbesichtigung aufgefallen war, dass für die Klebefolie mit der Aufschrift „Wohngefühl Hemsing“ überhaupt keine städtische Genehmigung vorlag. Nach Auffassung der Stadt ist dies ein klarer Verstoß gegen die Landesbauordnung, nach der Werbeanlagen mit einer Größe über einen Quadratmeter genehmigungspflichtig sind. Die Kosten für eine nachträgliche Genehmigung: dreimal so hoch wie üblich.
„Ich zweifele nicht an der Begründung der Stadt“, sagt Sabine Hemsing. „Geschockt“ von der Wortwahl im Schreiben vom Mai 2020 und der darin geforderten Gebühr von 300 Euro war sie dennoch – und darüber, dass die Stadtverwaltung in Corona-Zeiten keine anderen Prioritäten sieht, als Klebefolien an Geschäften zu beanstanden. „Wie kann man so etwas machen, wenn gerade alle Läden geschlossen werden mussten? Herr Schranz betont doch immer, wie sehr ihm die Marktstraße am Herzen liegt.“ So aber, glaubt Hemsing, verschrecke man die wenigen alteingesessenen Fachgeschäfte hier auch noch.
Anreiz für alle, die sich an Verordnung halten
Wann Werbung entfernt werden muss
Geschäftsleute können auch von Gebühren für genehmigungspflichtige Werbeanlagen befreit werden. Sie können dazu einen Antrag auf Gebührenbefreiung stellen. Das Anliegen muss dazu „zur Vermeidung sozialer Härten“ geboten erscheinen.
Wer keine Genehmigung hat und außerdem nicht signalisiert, eine Genehmigung nachträglich vorzulegen, muss damit rechnen, dass die Werbung entfernt wird, also eine sogenannte Beseitigungsverfügung geltend gemacht wird.
Also wandte sich Hemsing direkt per Mail an den Oberbürgermeister – und erhielt kurze Zeit später eine ausführliche Antwort vom Bauordnungsamt. Darin heißt es unter anderem, die dreifache Gebühr in Höhe von 300 Euro würde keine „Strafe“ darstellen. Vielmehr soll der Betrag dazu dienen, Geschäftsleute, die ohne entsprechende Genehmigung bereits „in den Genuss der entsprechenden Werbewirkung gekommen sind“, nicht mit denjenigen gleichzusetzen, die das gesetzlich vorgeschriebene Genehmigungsverfahren vorher durchlaufen haben. So soll ein „monetärer Anreiz“ geschaffen werden, sich vor dem Anbringen einer Werbung eine Genehmigung zu besorgen.
Außerdem, so heißt es in dem Schreiben, sei es der Stadt wegen der NRW-Verwaltungsgebührenordnung und der Vorgaben der Bauordnung nicht möglich gewesen, anders zu handeln, also im Fall von Hemsing ein Auge zuzudrücken.
Die 53-Jährige hat sich die Genehmigung für ihre Folie inzwischen nachträglich besorgt – allerdings durfte sie die dafür nötigen Dokumente wie die Flurkarte ausschließlich postalisch einsenden. „Wenn das alles schon so furchtbar bürokratisch sein muss“, findet sie, „warum dann nicht wenigstens auf digitalem Wege.“
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