Oberhausen. Vor 125 Jahren wurde das Johanniter Krankenhaus in Oberhausen-Sterkrade eingeweiht - als Stätte fürs Arbeitervolk. Was ist geblieben von damals?
Gegen 9 Uhr traf Friedrich Wilhelm Nikolaus Albrecht von Preußen in Sterkrade ein – per Sonderzug, versteht sich. Unter brausendem Hurra soll der Prinzregent, nach allen Seiten grüßend, durch die festlich geschmückten Straßen gefahren und von allen Sterkrader Vereinen und Schulen begrüßt worden sein. Der Anlass: Die Einweihung des Johanniter Krankenhauses, „welches als Heil- und Pflegestätte für kranke, sieche und rekonvaleszente, insbesondere solche aus dem Arbeiterstand, dienen soll“, wie es in der Stiftungsurkunde in altdeutscher Schnörkelschrift heißt.
Mit den Jahren öffnete sich das einstige „Siechenhaus“ mit 120 Betten für verletzte und kranke Bergleute mehr und mehr für andere Teile der Bevölkerung. Heute, 125 Jahre nach Albrecht von Preußens Besuch, habe man deshalb nicht mehr allzu viel vom einstigen Anspruch der Arbeiter-Stätte, sagt Andreas Sander, medizinischer Geschäftsführer des Evangelischen Klinikums Niederrhein – aber wohl noch den „christlichen Geist der Fürsorge und Nächstenliebe“.
Also behielt das Krankenhaus in Sterkrade stets seine christliche Prägung durch die namentliche Widmung an den evangelischen Orden. Schließlich war auch der Adelsbesuch von 1985 einst Herrenmeister der Johanniter.
Ziel von Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg
Erbaut wurde das Krankenhaus damals auf einem 4,2 Hektar großen Terrain, das die Gutehoffnungshütte als Schenkung zur Verfügung gestellt hatte. Seit seiner Gründung hat sich das von Berliner Architekten entworfene Krankenhaus an der Steinbrinkstraße von außen wenig verändert – „Synthese aus traditioneller Bausubstanz und moderner Klinikstruktur“ nennt es Andreas Sander heute.
2018 wurden Großteile des Krankenhauses kernsaniert. Seitdem ist es nicht nur von außen das Aushängeschild des heutigen Trägers, dem Klinikverbund Niederrhein, zu dem auch drei Häuser in Duisburg und eines in Dinslaken gehören. Zahlreiche Überraschungen wie versteckte Schächte hatte man während des Umbaus 2018 entdeckt – vielleicht lag es daran, dass die Krankenversorgung während des Zweiten Weltkrieges hier nur durch Stollen- und Bunkereinrichtungen aufrechterhalten werden konnte. Viel wurde durch die Bombenangriffe zerstört.
Eine der größten urologischen Abteilungen in Deutschland
Einen großen Meilenstein seiner gegenwärtigeren Geschichte setzte das Krankenhaus im Jahr 2000, als der Bau für die urologische Klinik fertig geworden ist. Heute ist die Abteilung mit 3800 Behandlungen im Jahr, fünf OP-Sälen, 85 Betten und einem OP-Roboter eine der größten urologischen Abteilungen in der Republik.
Jan Fichtner, seit 2001 Chefarzt des heutigen zertifizierten Krebszentrums für Prostata-Karzinome, kann sich noch gut an seinen ersten Tag erinnern. „Ich hatte viel Respekt vor der Aufgabe, aber eigentlich die Vorstellung, noch mal zur Uniklinik Mainz zurückzukehren“, sagt er. „Dann hatte ich allerdings so Spaß an der Entwicklung, dass ich hier geblieben bin.“
Hauseigenes Dialyse-Museum
Neben der Urologie hat man sich in Sterkrade auf drei weitere Fachbereiche spezialisiert. Es gibt die Kliniken für Bronchial- und Lungenheilkunde, für Psychiatrie und die Nephrologie. Die Tradition der letzteren Abteilung – sie wurde ab 1970 als eine der ersten Blutwäsche-Stationen vom Land NRW gefördert – wird im hauseigenen Dialyse-Museum lebendig gehalten. Im selben Jahr wurde hier der allererste Patient mit akutem Nierenversagen eingeliefert und von den Nierenspezialisten, den Nephrologen, gerettet.
Durch die Spezialisierung auf vier Fachbereiche sieht Geschäftsführer Andreas Sander das Johanniter Krankenhaus mit seinen 346 Betten gut gewappnet für die nächsten Jubiläen. Bei der geplanten Krankenhausreform des Landes, welche die Kliniklandschaft in NRW voraussichtlich mehr vernetzten, aber auch mehr ausdünnen wird, „hat eine spezialisierte Einrichtung wie diese sicher ihren Platz“, ist sich Sander sicher.
Facharzt: Beruf wird wieder attraktiver
Und die anderen großen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft – Digitalisierung, Personalmangel? „Corona war da auch für uns die Haupt-Triebfeder“, sagt Fichtner, der die Tumorkonferenzen mit anderen Fachärzten inzwischen digital abhält. Wenn der ausgedruckte Befund bald abgelöst wird durch ein papierloses Krankenhauses mit Zentralspeicherung der Patientendaten, würden Ärzte und Pfleger auch wieder mehr Zeit für Patienten haben, glaubt er. „Roboter werden das Personal nie ersetzen können, aber unser Beruf wird durch den technischen Fortschritt attraktiver, weil wir mehr Zeit für die eigentliche Arbeit haben.“
Innen schreitet die Modernisierung weiter voran – von außen bleibt der dunkelrote Dortmunder Ziegel. Als wäre der Prinz erst gestern da gewesen.
Übernahmen, Gründungen, Fusionen
1977 gründen das Johanniter Krankenhaus in Sterkrade und die Evangelischen Krankenanstalten Duisburg-Nord eine Kooperationsgemeinschaft, die 1980 zu einem Zusammenschluss führt.
1979 wird die Abteilung für Psychiatrie eröffnet. 1985 folgt das Johanniter-Haus Sterkrade als Altenheim für Altersverwirrte mit 60 Plätzen.
1988 übernehmen die Krankenanstalten Duisburg Nord/Oberhausen das Duisburger Kaiser-Wilhelm-Krankenhaus und wandeln es in ein Herzzentrum um.
1996 wird auch das Evangelische Krankenhaus Dinslaken übernommen. Man trägt den sperrigen Namen Evangelisches und Johanniter Klinikum Duisburg/Dinslaken/Oberhausen gGmbH.
2017 wird der Klinikverbund zum Evangelischen Klinikum Niederrhein umbenannt.