Oberhausen. Um die Zersiedelung der Landschaft im Oberhausener Norden ging es bei einer Podiumsdiskussion in Schmachtendorf.
Eigentlich sind alle Parteien und Wählergruppen in Oberhausen für den Naturschutz. Wenn es da nicht gewisse Sachzwänge geben würde. Vor allem von diesen war bei einer Podiumsdiskussion im evangelischen Gemeindezentrum an der Forststraße in Schmachtendorf die Rede. Eingeladen hatte die Interessengemeinschaft Oberhausener Norden (IG). Gekommen waren die Umweltpolitiker der Ratsfraktionen: Frank Bandel (CDU), Manfred Flore (SPD), Lühr Koch (Linke Liste) und Ulrich Lütte (BOB). Vermisst wurden die Grünen, die sich entschuldigt hatten.
Sorge vor weiterer Zersiedelung
Weil immer mehr Häuser und Straßen im nördlichen Stadtgebiet auf bisherigen Freiflächen entstehen, schlossen sich Gegner dieser Entwicklung 2017 in der IG zusammen. Für sie wollten Jochen Anderheide und Jörg Weichert vor den Kommunalwahlen wissen, wie die Kommunalpolitiker dazu in Zukunft stehen. Ihre Befürchtung ist, dass die Zersiedelung weiter fortschreiten wird.
Sie fortzusetzen, dafür sprach sich keiner der Gäste aus. Aber was Einzelheiten angeht, lagen sie teilweise weit auseinander. Da beklagte Ulrich Lütte mangelnde Bürgerbeteiligung. Manfred Flore widersprach: „Wir haben in Oberhausen viel Bürgerbeteiligung. Bei der Stadtplanung ist sie sogar gesetzlich vorgeschrieben.“
Fast jeder ist ein Teil des Problems
„Jeder von uns trägt zu dem Problem mit bei“, gab Frank Bandel zu bedenken. Die Stadt habe in den vergangenen Jahrzehnten 40.000 Einwohner verloren, aber die verbliebenen 210.000 brauchten immer mehr Wohnraum. Außerdem stehe die Stadt im Wettbewerb mit anderen Städten. „Wir brauchen attraktive Bauflächen. Sonst können wir einpacken.“ Allerdings gebe es ja da den planerischen Grundsatz, Innenflächen vor Außenflächen zuzubauen.
Für Lühr Koch liegt das Problem im System. „Solange man nur auf Wachstum und Konkurrenz setzt, muss die Natur das Nachsehen haben“, erklärte er. Er erteilte sowohl einer Bebauung des ehemaligen Geländes der Zeche Sterkrade an der Von-Trotha-Straße wie auch dem Ausbau des Autobahnkreuzes Oberhausen im Sterkrader Wald eine Absage. Das neue Großlager von Edeka in der Weierheide lehnte er ab, weil es weder Sonnenenergie noch Windkraft nutze, nicht begrünt sei und auch von der Lebensmittelversorgung her falsch liege.
Dauerstau belastet die Umwelt auch
Das sahen Manfred Flore und Frank Bandel anders. „Wir sind beim Autobahnkreuz dafür, dass es dort nicht mehr zu Staus kommt. Die sind nämlich auch belastend“, sagte Flore. Und dafür sei man zusammen mit der CDU bereit, einige Bäume zu fällen. Bandel verteidigte die Edeka-Ansiedlung: „Edeka hat alles versucht, eine Dachbegrünung zu machen. Es geht technisch nicht.“ Dafür sei die Energieversorgung des Lagers vorbildlich. „Die heizen mit der Abwärme der Kühlhäuser.“ In Sachen Autobahnkreuz setzte er sich von Flore ab: Dessen Ausbau sei nicht zu verhindern. „Aber bitte nicht so!“ Es gehe nicht an, dass die teuren, Umwelt und Menschen schonenden Ausbauten nur in Süddeutschland möglich sind.
Lühr Koch blieb bei seiner Ablehnung. Man hätte in der Weierheide besser eine Hochschule ansiedeln sollen, die sich um die Lösung der aufgeworfenen Umwelt- und Transportprobleme kümmert, sagte er. Damit hätte Oberhausen etwas Besonderes vorzuweisen.
Industrie will ihre Altflächen verwerten
Hubert Filarsky, einer der rund 30 Zuhörer, die wegen Corona in großen Abständen sitzen mussten, lenkte die Diskussion wieder auf das Thema Zersiedelung. Er vertritt die Kreisjägerschaft im Naturschutzbeirat der Stadt. Dort werde um jede Bebauung von Freiflächen gerungen. „Die Stadt hat sich noch nie über den Beirat hinweggesetzt“, erklärte er. Viele entsprechende private Interessen seien dabei nicht zum Zuge kommen. Anders sehe es freilich bei den Eigentümern der früheren Industrieflächen aus. „Diese Interessenlagen kriegen sie nicht vom Tisch.“
Nur ist das nach Ansicht von Manfred Flore doch gar nicht das Problem des Nordens. „Hier käme es ja erst zum Schwur, wenn ein Investor hierhin kommen würde.“ Deshalb riet er der IG, sich stärker auf Themen wie Radwege und den öffentlichen Nahverkehr zu konzentrieren. „Es ist ein Riesenfehler gewesen, die Straßenbahn seinerzeit nicht von Sterkrade weiter nach Norden zu verlängern“, sagte er.
Landschaftsplan bietet letztlich keinen Schutz
Bei ihrer Vorbereitung war Jochen Anderheide und Jörg Weichert von der IG Oberhausener Norden übel aufgestoßen, dass ausgerechnet jenes Instrument der Stadtplanung, das die Freiflächen schützen soll, in Oberhausen völlig veraltet ist: der Landschaftsplan. Er wurde zuletzt 1996 aufgelegt. Dass es aber auch seit 2008 ein Stadtentwicklungskonzept für die Zeit bis 2020 gibt, tröstete sie nicht. Denn es bezieht sich auf diesen Landschaftsplan.
Alle Politiker unterstützen die Forderung, den Landschaftsplan zügig neu aufzulegen. Ulrich Lütte (BOB) gab aber zu bedenken, dass der Verbrauch von Freiflächen letztlich im Flächennutzungsplan geregelt wird. Ihn erstellt der Regionalverband Ruhr (RVR) nach Vorgaben des Oberhausener Stadtrates. Frank Bandel (CDU) ergänzte aber, dass dessen Neuauflage wegen eines anderen Kartenmaßstabs gar nicht mehr die Möglichkeit biete, kleinere Flächen zu schützen.
Die Bebauung, an der man sich bei der IG besonders reibt, ist die im Bereich Waldhuckstraße/Am Mattenshof. Dafür wurde schon 2002 mit einem Bebauungsplan mit Bürgerbeteiligung grünes Licht gegeben. Der Landschaftsplan wurde insoweit außer Kraft gesetzt.