Oberhausen. Bürger im Oberhausener Norden sehen Grünflächen bedroht und damit das Stadtklima in Gefahr. Die Stadt solle sich nicht dem Bebauungsdruck beugen.
Nebel liegt wie ein Teppich über der grünen Wiese, die Sonne scheint durchs herbstliche Blattwerk, im Hintergrund ist hinter Bäumen ein Haus zu erkennen: Diese idyllische Landschaftsszene ist nicht irgendwo am Niederrhein aufgenommen, sondern in Oberhausen nördlich des Rhein-Herne-Kanals. Das Foto ziert Flugblatt und Internetseite einer Initiative von Bürgern aus dem Oberhausener Norden, die sich um die Zerstörung dieser Landschaft Sorgen machen.
Grüne Lunge der Stadt
Die „Interessengemeinschaft Oberhausener – Norden“ fürchtet um die „Grüne Lunge“ der Stadt: Die Grünflächen in Schmachtendorf, Walsumermark oder Königshardt seien wichtige Belüftungsstrecken für das gesamte Stadtgebiet, böten Verdunstungs- und Versickerungsflächen, seien Lebensraum für Insekten und Pflanzen, führt Jochen Anderheide aus. Der 54-Jährige ist Mitglied der Interessengemeinschaft, die diese für den Klimaschutz so relevanten, teils noch zusammenhängenden Grüngebiete bedroht sieht. „Wir sind ganz normale Bürger aus dem Oberhausener Norden, von Schmachtendorf bis Königshardt“, beschreibt Anderheide den Bezug der Anwohner zu dem Thema. Die Interessengemeinschaft habe sich 2017 zusammengefunden und sei überparteilich.
Investorenwünschen nicht in den Vordergrund stellen
Was die Bürger umtreibt: „Wir beobachten mit Sorge, dass unsere Stadt im Norden zersiedelt und zerfasert wird. Viele Grünflächen fallen dem Wohnungsneubau zum Opfer“, heißt es in dem Flugblatt der IG. Die Bauprojekte (Zum Steinacker, Am Tüsselbeck, Im Mattensfeld, Emmericher Straße) „zerstören nachhaltig wichtige Verbund- und Ausgleichsflächen“, so hat es die IG in einem Bürgerantrag an die Stadtverwaltung 2019 formuliert. Diplom-Ingenieur Anderheide und die anderen aus der Interessengemeinschaft werfen dem Oberhausener Rathaus vor, sich bei der Grundstücksnutzung und Stadtplanung zu sehr Investorenwünschen zu beugen, beides sollte nicht „der Spekulation und der Vermarktung“ überlassen werden. Statt kurzfristig auf Bebauungsdruck zu reagieren, sollte es eine „weitsichtige und langfristige“ Planung geben, fordert die Interessengemeinschaft.
Höchste Einwohnerdichte
Dass Oberhausen eine der drei Städte mit dem höchsten Anteil an Siedlungs- und Verkehrsflächen im Ruhrgebiet ist, bestätigt die Stadt. „Oberhausen ist eine der zehn Städte im RVR-Verbandsgebiet mit der höchsten Einwohnerdichte“, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt zum Thema. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung werde auch für Oberhausen ein Neubaubedarf prognostiziert. Allerdings könne die Kommune den Immobilienmarkt nur am Rande beeinflussen, „da sich nur ein geringer Anteil der Flächenreserven im Besitz der Stadt Oberhausen befindet“.
Vor Versiegelung schützen
Umso wichtiger findet es die Interessengemeinschaft, die vorhandenen Flächen, auch die im Privatbesitz befindlichen und für Bebauung in Frage kommenden (Felder, große Gärten) vor Versiegelung zu schützen. Die IG stört besonders, dass bei Planungen und Entscheidungen zu aktuellen Bauvorhaben veraltete Grundlagen und Daten herangezogen würden, so der Vorwurf der Bürger. So basierten Stadtentwicklungskonzepte und der Leitfaden Klimaschutz auf dem Landschaftsplan, der Schutzgebiete definiert, aber von 1996 stammt. 2019 hat Umweltdezernentin Sabine Lauxen bestätigt, dass dieses zentrale Planungsinstrument für den Natur- und Landschaftsschutz tatsächlich „dringend der Überarbeitung“ bedürfe.
Bedeutung von Grünflächen neu bewerten
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Die IG fordert nun „tatsächlich keine weiteren Bauprojekte zuzulassen und keine neuen Baugebiete auszuweisen, bevor nicht ein neuer Landschaftsplan entsteht“, sagt Jochen Anderheide für seine Mitstreiter. „Es sollte nichts gebaut werden, bevor die Grünflächen und ihre Bedeutung fürs Stadtklima nicht neu bewertet wurden.“
Podiumsdiskussion abgesagt
Die Interessengemeinschaft Oberhausen-Norden wollte am Donnerstag, 19. März, eine Podiumsdiskussion im Evangelischen Gemeindehaus an der Forststraße 71 veranstalten.
Zu der Veranstaltung hatten die Bürger Vertreter der Fraktionen und Gruppen im Oberhausener Rat eingeladen. An dem Abend sollte es um die Themenschwerpunkte der Interessengemeinschaft gehen und wie sich die Parteien dazu stellen: Flächenverbrauch durch neue Baugebiete und Bauprojekte, Schutzwürdigkeit von Grünflächen sowie Stadtplanung.
Wegen der Einschränkungen rund um die Corona-Pandemie ist die Veranstaltung abgesagt worden, einen Nachholtermin gibt es wahrscheinlich Anfang September 2020.
Weitere Informationen und Kontakt über die Homepage ig-on.com.
Die IG hat bereits Gespräche mit Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) und Sabine Lauxen geführt, hat im April 2019 einen Bürgerantrag zum „Erhalt der Natur im Oberhausener Norden“ eingereicht, der in einer Sitzung des Hauptausschusses im Juli 2019 behandelt wurde. Ein weiterer Schritt ist nun eine Podiumsdiskussion mit Ratsvertretern, zu der die IG am 19. März 2020 einlädt. „Wir wollen wissen, was die Politiker dazu sagen“, so Jochen Anderheide.
Aktueller Hinweis (17. März): Die angekündigte Podiumsdiskussion ist wegen der Einschränkungen rund um die Corona-Pandemie abgesagt worden, einen Nachholtermin gibt es wahrscheinlich Anfang September 2020.