Oberhausen. Mehr mitreden sollen die Bürger in der Politik. Dazu gibt es Leitlinien. Rat hat sich selbst entmachtet. Arbeitskreis entscheidet im Zweifel.

Ein kompliziertes Regelwerk hat die Stadt sich Ende 2016 gegeben, als der Rat der Stadt die Leitlinien zur Bürgerbeteiligung verabschiedet hat. Damit wollte man der Politikverdrossenheit begegnen. Ein Stück weit hat der Rat sich damit sogar selbst entmachtet. Denn in bestimmten Fällen entscheidet ein Gremium, der sogenannte Arbeitskreis Bürgerbeteiligung. Darin sind Ratsmitglieder sogar in der Minderheit, obwohl für Eingaben normalerweise der Hauptausschuss zuständig ist.

Die Leitlinien regeln genau, wie zu verfahren ist, wenn Bürger bei der Stadt anregen, ihnen ein Thema doch mal vorzustellen und sie darüber zu informieren, sie gar mitreden zu lassen. Sieben Akteure und ihre Aufgaben dabei benennt das Regelwerk: die Bürger, den Oberbürgermeister (OB), den Verwaltungsvorstand, die jeweilige Fachverwaltung, die neue Fachstelle für Bürgerbeteiligung, den Arbeitskreis und den Rat.

Angenommen, ein Bürger regt eine solche Bürgerbeteiligung (form­los) bei der Stadt an, dann gelangt sie zur neuen Fachstelle im Rathaus. Die leitet sie der jeweiligen Fachverwaltung zu. Dort wird eine Stellungnahme dazu erarbeitet. Fällt sie positiv aus, leitet die Fachstelle sie an den Verwaltungsvorstand weiter, das sind der OB und seine Dezernenten. Die setzen die Anregung förmlich auf die sogenannte Vorhabenliste für künftige Bürgerbeteiligungsprojekte. Und diese Vorhabenliste legt der OB dann zwei Mal im Jahr dem Rat zur Entscheidung vor und um sie zu aktualisieren.

Von Information bis Mitbestimmung

Sinn der Prozedur ist es, genauer zu bestimmen, was denn Ziel einer solchen Bürgerbeteiligung sein soll. Das kann von bloßer Information über Anhörung und Beratung bis hin zur Mitbestimmung gehen. In jedem Fall muss konkret bestimmt werden, was genau man damit verfolgt, die Bürger zu beteiligen, und wie man dabei vorgeht. Ob man nur einen Flyer zur Information in einem Stadtviertel verteilt, eine Umfrage macht, zu einer Bürgerversammlung einlädt oder gar konkrete Ideen in Workshops erarbeiten lässt. Immer ist es die jeweilige Fachverwaltung, die diese Aktion dann durchführen muss.

Für den Fall, dass die Fachverwaltung einer Anregung ablehnend gegenübersteht, kommt der Arbeitskreis ins Spiel. Er besteht aus vier Bürgern, die sich um die Mitarbeit darin beworben haben und ausgelost wurden. Außerdem wirken zwei vom OB benannte Mitarbeiter der Verwaltung und zwei Stadtverordnete, jeweils von SPD und CDU, darin mit. Wenn sie der Anregung aus der Bürgerschaft mehrheitlich folgen, wird sie auf die Vorhabenliste gesetzt und die entsprechende Bürgerbeteiligung kann durchgeführt werden.

Geloste Mitglieder ersetzen Stadtverordnete

Problematisch wird es, wenn auch der Arbeitskreis die Anregung ei­nes Bürgers zu einer Bürgerbeteiligung ablehnt, denn dann gilt sie als endgültig abgelehnt. Das aber wirft die Frage auf, ob ein zu mehr als der Hälfte aus ausgelosten Mitgliedern und Mitarbeitern der Stadtverwaltung zusammengesetztes Gremium solches Gewicht haben darf.

„Ja“, sagt dazu der Münsteraner Professor für Kommunalwissenschaften Janbernd Oebbecke. „Allerdings nur, wenn die jeweiligen Antragsteller damit einverstanden sind.“ Denn nach der Hauptsatzung der Stadt ist der Hauptausschuss für die Erledigung von Eingaben zuständig. Er ist eine Art verkleinerter Stadtrat, ist genauso zusammengesetzt wie dieser. Auch die kleineren politischen Gruppierungen wie FDP, Grüne und Linke sowie Nachfolger des früheren BOB haben darin Sitz und Stimme, anders als im Arbeitskreis, und könnten bei Abstimmungen den Ausschlag geben.

Udo Sommer und fünf Mitstreiter waren unter den ersten Bürgern, die sich vom Arbeitskreis Bürgerbeteiligung im Frühjahr 2017 Hilfe erhofften. Sie hatten dort angeregt, die noch beabsichtigte weitere Bürgerbeteiligung zum John-Lennon-Platz nach den neuen Leitlinien zur Bürgerbeteiligung durchzuführen.

Es sollte nach ihren Vorstellungen also genau bestimmt werden, welches weitere Ziel eine solche Bürgerbeteiligung haben soll und auf welchem Weg es erreicht werden kann. Sie wollten damit verhindern, dass zwar, wie sie es in der Vergangenheit wahrgenommen hatten, Bürgerbeteiligung stattfindet, ihre Ergebnisse aber unkonkret bleiben.

Sommer rieb sich die Augen, als er eine Absage bekam und las, dass es dafür im Arbeitskreis nicht eine einzige Stimme gab. Einstimmig war das Gremium den Argumenten von Planungsdezernentin Sabine Lauxen gefolgt, die Anregung zurückzuweisen und ihr in Sachen Bürgerbeteiligung völlig freie Hand zu lassen.

Das gehe aber in Ordnung, sagt dazu Professor Oebbecke. Denn Udo Sommer habe sich ja mit seiner Eingabe an den Arbeitskreis selbst da­mit einverstanden erklärt, ihn statt des eigentlich zuständigen Hauptausschusses in seiner Angelegenheit die Entscheidung treffen zu lassen.