Oberhausen. Das Evangelische Krankenhaus Oberhausen eröffnet einen Hebammenkreißsaal. Dort wird auf Ärzte bei der Geburt verzichtet.

Als erste Großstadt im Ruhrgebiet wird Oberhausen einen Hebammenkreißsaal bekommen. Das Evangelische Krankenhaus (EKO) will Schwangeren so künftig ermöglichen, ihr Kind ausschließlich mit Unterstützung von Hebammen auf die Welt zu bringen – der Kerngedanke des Konzepts.

Denn das ist der Hebammenkreißsaal vor allem: ein Konzept, kein neuer Raum. „Die Geburten finden weiterhin in unserem normalen Kreißsaal statt“, erläutert die leitende Hebamme Carolin Buttke. Nur kümmert sich eine von drei oder vier diensthabenden Geburtshelferinnen künftig schwerpunktmäßig um Schwangere, die auf medikamentöse Weheneinleitung oder vaginale Untersuchungen durch Ärzte verzichten wollen.

Hebammenkreißsaal startet im August

Der Hebammenkreißsaal ist kein neuer Raum, eher ein Konzept: Die natürlichen Geburten finden im normalen Kreißsaal statt.
Der Hebammenkreißsaal ist kein neuer Raum, eher ein Konzept: Die natürlichen Geburten finden im normalen Kreißsaal statt. © EKO

„Es geht also um eine möglichst natürliche Geburt“, sagt die Chef-Hebamme. „Wir wollen die Frau nicht unnötig zu einem Patienten machen – sie ist ja nicht krank, sondern schwanger.“ Ab der ersten Augustwoche können Schwangere den Hebammenkreißsaal nun als Option auswählen, wenn sie zur Geburtsanmeldung ins EKO kommen.

Falls Komplikationen auftreten oder eine Schwangere aufgrund zu starker Schmerzen doch nach einer PDA verlangt, also einer Betäubung der Wirbelsäule durch eine Spritze, dann stehe schnell ein Fachmediziner bereit, betont Raphael Canitz, leitender Oberarzt der Geburtshilfe: „Wir können die Medizin bewusst zurückstellen, sind aber bei Bedarf in direkter Nähe.“ Erfahrungen aus Kliniken mit vergleichbaren Angeboten würden zeigen, dass etwa 30 Prozent der Frauen, die für den Hebammenkreißsaal angemeldet sind, letztendlich doch Hilfe eines Arztes benötigen.

Arbeitszufriedenheit der Hebammen soll wachsen

Geschaffen worden sei das neue Konzept nicht nur, um eine Angebotslücke im Ruhrgebiet zu schließen und eine Möglichkeit für Frauen zu schaffen, die eine natürliche Geburt bevorzugen. Auch mache man den Job für Hebammen so attraktiver. „Sie arbeiten selbstständiger, die Arbeitszufriedenheit wächst“, sagt Bernhard Uhl, Chefarzt der Klinik für Geburtshilfe.

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Im Hebammenkreißsaal eingesetzt würden deshalb auch nur Frauen mit mehrjähriger Berufserfahrung, ergänzt Carolin Buttke. Überhaupt anbieten kann das Krankenhaus der Ategris-Gruppe den neuen Kreißsaal nur, weil es nicht vom allgemeinen Hebammenmangel in NRW betroffen ist. Erst kürzlich habe man vier neue Hebammenstellen besetzten können, sagt Buttke.

Steigerung der Geburtenzahlen durch neues Angebot möglich

Für wen sich die Geburt im Hebammenkreißsaal überhaupt eignet, wird laut Buttke anhand eines Kriterienkatalogs festgelegt. Entscheidend seien etwa die Gesundheit der Frau, der Verlauf der Schwangerschaft, die Position des Kindes im Mutterleib, aber auch die Situation von Kind und Mutter nach der Geburt. Denn wer im Hebammenkreißsaal gebärt, lässt auch die Nach- und Entlassungsuntersuchung ausschließlich von der Hebamme durchführen.

Termin vereinbaren

Wer sich für eine Geburt im Hebammenkreißsaal interessiert, kann zwischen der 24. und 30. Schwangerschaftswoche unter 0208 - 881-4200 einen Termin für die Hebammensprechstunde im EKO vereinbaren. Das Angebot startet am 3. August. Infos auch per Mail an carolin.buttke@eko.de

Das EKO hat sich auf die Geburts- und Kindermedizin spezialisiert. Das dortige Perinatalzentrum samt Kinderchirurgie kann die höchste erreichbare Versorgungsstufe zur Betreuung von Früh- und Neugeborenen vorweisen (Level 1).

Derzeit finden im EKO jährlich rund 1730 Geburten statt. Aus anderen Kliniken mit einem Hebammenkreißsaal sei zu hören, dass die Zahl durch so ein Angebot um 15 bis 20 Prozent gesteigert werden könne, heißt es vom Team der Geburtsmedizin. Wirtschaftliche Kennzahlen seien für den neuen Kreißsaal aber sekundär, beteuert Chefarzt Bernhard Uhl. „Ressourcenschonend ist das neue Angebot nicht. Wir müssen durch den größeren Personalbedarf eher noch draufzahlen.“ Offenbar ein gern zu zahlender Preis für ein Alleinstellungsmerkmal in der Region.