Bochum. Die Kritik an der schlechten Versorgung von Schwangeren wird lauter. Eine NRW-weite Studie zeigt: Hebammen arbeiten am Limit und schlagen Alarm.

Kliniken müssen Frauen in den Wehen abweisen – Hebammen schlagen Alarm: Eine landesweite Untersuchung zur Hebammenversorgung in NRW zeigt Missstände auf. Die Situation sei „besorgniserregend“ sagt Nicola Bauer, Leiterin des Studienbereichs Hebammenwissenschaft an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Die Hochschule für Gesundheit hat Tausende Mütter und Hebammen zur Teilnahme aufgerufen. Antworten von 1783 Müttern sowie 1924 Hebammen flossen in die Untersuchung ein. Der Hebammenverband NRW warnte bereits vor einigen Tagen, dass die Versorgung von Schwangeren unzureichend sei.

Jede vierte der befragten Hebammen gab in der Bochumer Studie an, dass ihr Kreißsaal in den vergangenen vier Wochen vorübergehend geschlossen werden musste, weil Personal fehlte oder kein Platz da war. Jede siebte befragte Mutter hätte sich während der Geburt mehr Betreuung durch die Hebamme gewünscht – eine Mehrheit von 78,3 Prozent war jedoch zufrieden.

Studie: Hebammen haben zu wenig Zeit – das sorgt für Stress

„Eine gut betreute Geburt ist eine wichtige Weichenstellung für die Gesundheit des Kindes und der Mutter“, sagt die Hebammenwissenschaftlerin Bauer. Vorschnelle Kaiserschnitte oder traumatisierende Geburtsverläufe für die Mutter könnten die Folge eines mangelhaften Versorgungssystems sein.

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„Bis zu einer an den Bedürfnissen der Familie orientierten Geburtshilfe ist es noch ein weiter Weg“, kritisiert auch Katharina Desery, Sprecherin der Elterninitiative Mother Hood. Übervolle Geburtsstationen und Hebammen, die zu wenig Zeit haben: „Das sorgt für enormen Stress, der den Geburtsverlauf hemmen kann und so eine Spirale unnötiger medizinischer Eingriffe in Gang setzt“, kritisiert Desery.

Studie: Jede zweite Hebamme ist für ein halbes Jahr ausgebucht

Auch bei Schwangeren- und Wochenbettbetreuung offenbart die Befragung Engpässe: Im Schnitt mussten Schwangere vier Hebammen kontaktieren, um eine Betreuung für das Wochenbett sicherzustellen. „Vor allem müssen Schwangere frühzeitig daran denken: Fast jede zweite Hebamme gibt an, für die nächsten sechs Monate ausgebucht zu sein“, sagt Bauer. „Eine Hebamme, die in der Wochenbettzeit nach Hause kommt, ist keineswegs nur ein Wellness-Faktor, sondern eine Kassenleistung.“

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Bauer kritisiert zudem, dass es kein geordnetes Vorgehen für Frauen gebe, eine Hebamme zu finden. Im Gegenteil: „Häufig wissen Frauen nur von Freundinnen oder anderen informellen Quellen, was ihnen alles zusteht“, sagt Bauer. Das benachteilige Frauen bildungsferner und sozialbenachteiligter Schichten oder Migrantinnen mit mangelnden Deutschkenntnissen.

Schlechte Zustände: Hebammen schlagen Alarm

Die Studie legt außerdem eine sehr hohe Arbeitsbelastung vieler Hebammen in den Kliniken offen, betont Bauer: Mit 43 Prozent gab fast die Hälfte aller im Krankenhaus tätigen Geburtshelferinnen an, in den vergangenen vier Wochen per sogenannter „Gefahrenanzeige“ Alarm über die Zustände geschlagen zu haben.

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Nur wenige der angestellten Hebammen haben keine Überstunden und jede zweite gibt an, einmal oder mehrmals die Woche angefragt zu werden, ob sie einspringen könne. „Die Hebammen arbeiten, was sie können und können trotzdem nicht den Bedarf erfüllen“, sagt Bauer.

„Hohe Arbeitsbelastung der Hebammen ist nicht ihr Privatproblem“

Auch der Hebammenverband NRW kritisiert die Situation: „Die hohe Arbeitsbelastung von Hebammen ist ja nicht kein Privatproblem der Kolleginnen. Das hat konkrete Auswirkungen auf die Frauen und Kinder, wenn kommunikative und psychosoziale Aspekte der Betreuung einfach zu kurz kommen“, betonte Daniela Erdmann, Vizevorsitzende des Berufsverbandes.

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Viele erfahrene Kräfte kehrten den Kreißsälen daher den Rücken, weiß Bauer. Die Folge sei sich verstärkender Fachkräftemangel. „Wir müssen darüber nachdenken, wie im Hebammenberuf – auch angesichts von einem Durchschnittsalter von über 40 Jahren – alternsgerechtes Arbeiten möglich ist, etwa mit neuen Schichtmodellen oder einer Rotation zwischen Geburtshilfe und Wochenbettstation“, sagte Bauer.

Gesundheitsminister Laumann will Hebammensuche erleichtern

Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte auf Anfrage die gute Erreichbarkeit der Geburtskliniken: So hatte die Mütterbefragung gezeigt, dass die Stationen im Durchschnitt binnen 24 Minuten zu erreichen waren. In Nordrhein-Westfalen liege man damit deutlich unter dem vorgegeben Richtwert.

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Handlungsbedarf sieht der Minister dagegen bei der schwierigen Hebammensuche. Er wolle daher die Einrichtung einer digitalen Vermittlungsplattform für Hebammen unterstützen. Um zunehmender Belastung von Hebammen in Kliniken entgegenzuwirken, setzt Laumann unter anderem auf qualifizierten Nachwuchs durch genügend Studienkapazitäten. (dpa)

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