Oberhausen. Das wird viele überraschen: Die vor allem durch heftigen Streit der ersten Ratsjahre in Erinnerung gebliebene Ratsgruppe BOB plant einen Coup.
Sie haben sich gestritten wie die sprichwörtlichen Kesselflicker, sie ereiferten sich, wer wie viel Geld beansprucht und wer welches Amt bekommt, sie konnten sich inhaltlich schon sehr schnell nicht auf eine Linie einigen: Das Anfang 2014 aus der Taufe gehobene „Bündnis Oberhausener Bürger“ (BOB) ist zwar mit einem sensationellen Ergebnis noch nicht einmal ein halbes Jahr nach ihrer Gründung in den Rat gezogen, doch danach spaltete sich die fünfköpfige Fraktion gleich mehrmals.
Sie wurde zu Einzelkämpfern, Bürgerliste, Offen für Bürger – nur die beiden Ratsherren und Gründer der Wählergemeinschaft, Karl-Heinz Mellis und Peter Bruckhoff, blieben auf ihren Posten. Sie bilden noch heute zu zweit die Gruppe „BOB im Rat“ – und greifen nun mit ihrer Wählergemeinschaft BOB nach den Sternen. „Wir wollen zweitstärkste politische Kraft werden“, verlautbart das Bürgerbündnis BOB offiziell – und stellt auf Nachfrage klar: „Wir rechnen damit, dass die CDU stärkste Fraktion wird – und wir direkt dahinter liegen.“
Sie wollen also mehr Wähler in Oberhausen auf sich vereinen als die seit den 50er Jahren in Oberhausen dominierende Sozialdemokratie. Sie wollen noch mehr Stimmen holen als die derzeit durch die Klimawandel-Diskussion so sehr im Aufwind befindlichen Grünen. Man könnte das aufgerufene Ziel nach all den Schlammschlachten mutig nennen oder wie BOB selbst „ein ambitioniertes, ehrgeiziges Ziel“. Politische Akteure außerhalb der BOB-Szene könnten allerdings solche Vorstellungen mit dem Wort „größenwahnsinnig“ abtun.
Aber man weiß bei den heute so schwankenden Wählerschichten nie, wie am Ende eine Kommunalwahl tatsächlich ausgeht. Vor sechs Jahren jedenfalls entstand BOB aus den Protesten gegen den über Nacht vollzogenen Abriss des Traditionsjugendzentrums „Haus der Jugend“ am John-Lennon-Platz und wegen des Unmuts vieler Osterfelder Bürger über den so empfundenen Niedergang ihres Stadtbezirks. Die Bürger dieser Initiativen rieben sich vor allem an der SPD, den jahrzehntelangen Machthabern, warfen den Politikern Arroganz vor und nannten die SPD ziemlich böse „Spezialdemokratische Filzpartei“.
Eine ziemlich bunte Truppe
Damals rechnete kaum jemand damit, dass die bunte Truppe aus ziemlich Linken (Andrea-Cora Walther), einigermaßen bürgerlichen (Karl-Heinz Mellis) und schwankenden Politikgestalten (Albert Karschti, einst Grüner, Pirat, später Bürgerliste und Offen für Bürger) auf Anhieb drittstärkste Kraft in Oberhausen bei der Kommunalwahl im Juni 2014 werden würde. Tatsächlich konnte BOB über 6000 Wähler (8,6 Prozent) überzeugen, ihr Kreuz bei ihrem Kürzel zu machen. Die Grünen erhielten 51 Stimmen weniger, die Linken sogar 500.
Das Bürgerbündnis mit derzeit 32 Mitgliedern motiviert sich für den diesjährigen Wahlkampf jedenfalls damit, dass es den Coup von damals nicht nur einholen, sondern sogar übertreffen will. Woher kommt diese erstaunliche Zuversicht, dass die Bürger die jahrelangen Querelen um Geld und Inhalte verziehen haben und sich nicht mit Abscheu abwenden? Peter Bruckhoff, Vorsitzender der Wählergemeinschaft und Geschäftsführer der Ratsgruppe, ist der Auffassung, dass die Wähler erstens „diese Uraltgeschichten“ weitgehend aus ihrem Gedächtnis gestrichen haben und zweitens „genau darauf schauen, was wir inhaltlich geleistet haben“. Und das sei eben eine ganze Menge.
BOB schreibt sich auf die Fahne, als einzige im 2014er-Wahlprogramm die Rekommunalisierung der Stadttochter Oberhausener Gebäudemanagement (OGM) gefordert zu haben, die nun realisiert worden sei. Zudem habe man sich erfolgreich für Fahrradwege, mehr aktive Bürgerbeteiligung, mehr Sauberkeit in der Stadt und Bergleute-Symbole als Ampelmännchen eingesetzt.
„Im Gegensatz zur SPD, zu den Grünen oder den Linken sind wir nicht ideologisch getrieben, sondern behandeln alle Themen rein sachlich“, beteuert Bruckhoff. Ein Beispiel sei der nun gescheiterte spontane Radweg („Pop-up-Bike-Lane“) auf der Mülheimer Straße: Man sei zwar für Radwege, aber will diese nicht mit der Brechstange wie die Grünen erreichen, sondern auch die Verkehrssicherheit beachten.
Anwohner sollen über Straßenrenovierungen mitbestimmen
Zudem kündigt BOB folgende Ziele im Fall eines Einzugs in den Rat an: Die Anwohner sollen bei Straßenrenovierungen mehr mitentscheiden, die Seniorenbelange sollen durch einen eigenen Rats-Fachausschuss besser berücksichtigt, die Straßen sollen verstärkt nach den Interessen von Radfahrern und Fußgängern ausgerichtet werden – und Oberhausen soll eine Hochschule erhalten. Alles in allem sei es also realistisch, dass man „mehr Ratsmandate erreichen kann als noch bei den letzten Kommunalwahlen 2014“.
Bruckhoff auf Spitzenplatz 1
Die kleineren Parteien und Wählergemeinschaften haben bei der Kommunalwahl üblicherweise nicht besonders große Chancen, in den 29 Wahlkreisen per Mehrheit Direktkandidaten durchzubekommen. Wichtiger für diese ist das gesamte Stadtergebnis, das sie erzielen. Danach richtet sich die Zahl der erreichten Ratssitze. Diese werden durch die von jeder Partei erstellten Reserveliste besetzt – nach Rangfolge.
Auf Platz 1 der BOB-Reserveliste steht Ratsherr Peter Bruckhoff, auf Platz 2 folgt Ulrich Lütte. Danach sind Lydia Preißler, Paul Willershausen, Ursula Pechner-Gorissen, Harald Adam, Hans Dieter Büschken, Monika Domberger-Acht, Ulf Exner und Jörg Mathias Winkler gesetzt. Nicht mehr auf der Liste ist BOB-Gründer Karl-Heinz Mellis, der seit 2014 im Rat sitzt.
Allerdings hat BOB im Gegensatz zu anderen kleinen Gruppierungen wie „Offen für Bürger“ (OfB), die Violetten oder die AfD keinen eigenen Oberbürgermeister-Kandidaten aufgestellt. „Wir haben keinen geeigneten Kandidaten gefunden“, sagt Bruckhoff entwaffnend offen. „Zudem halten wir es nicht für realistisch, gegen den amtierenden Oberbürgermeister Daniel Schranz zu gewinnen. Der hat die vergangenen fünf Jahre viel bewegt – und wird wohl als Sieger aus der Wahl hervorgehen.“ Sehr wahrscheinlich sei, dass BOB ihre Wähler auffordert, bei der Oberbürgermeister-Wahl Schranz (CDU) zu wählen – und keinen anderen OB-Kandidaten der anderen.