Oberhausen. Das Coronavirus stellt auch Blinde und Menschen mit Sehbehinderung vor ungeahnte Einschränkungen. Wie eine Oberhausenerin ihren Alltag meistert.
Die meisten von uns haben derzeit ihre Augen im öffentlichen Raum überall: Neue Hinweisschilder in Geschäften oder Bussen, Abstandsmarker auf dem Boden. Aber wie ist es, als Mensch mit Sehbehinderung in Zeiten von Corona in Oberhausen zu leben?
Birgitt Weigmann ist seit ihrem 40. Lebensjahr vollständig erblindet. Die 56-Jährige ist es gewohnt, sich in Oberhausen zu bewegen. „Ich bin die meiste Zeit allerdings auf Assistenz angewiesen, in meinem Fall ist das oft meine Tochter oder mein Schwiegersohn.“ Die sogenannten „Führenden“ begleiten Blinde zum Einkaufen, beim Spazieren oder sonstigen Aktivitäten, die abseits der eigenen vier Wände stattfinden. „In der jetzigen Situation geht allerdings gar nichts mehr ohne Assistenz“, erzählt die Oberhausenerin. „Ich möchte natürlich auch niemanden irgendwo versehentlich anrempeln.“
Abstandsmarker auf dem Boden sind für Blinde nicht ertastbar
Und dann sind da auch noch die vielen neuen Abstandsmarker, die in Läden oder auf dem Wochenmarkt auf dem Boden angebracht sind – mal in Form von Stickern, mal nur mit Kreide auf die Erde gemalt. „Auch mit einem Blindenstock können wir diese nicht fühlen, dafür sind sie nicht tastbar genug“, erklärt Weigmann. Sie hofft allerdings, dass es auch gar nicht nötig wird, darauf Rücksicht zu nehmen und die Markierungen fühlbar zu machen. „Wir wollen ja alle nur, dass diese Krise bald vorbei ist.“
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Auch zwischen Blindem und Führendem gelten besondere Maßnahmen. „Wir laufen immer eingehakt, da müssen wir jetzt natürlich noch mehr aufeinander aufpassen.“ Mund-Nase-Schutz und Handschuhe sind für beide Pflicht, auch Niesen oder Husten wird zum Balanceakt, um den anderen nicht zu gefährden. Mehr als Einkaufen ist für Birgitt Weigmann momentan nicht machbar. „Normalerweise hat die Gemeinschaft in Oberhausen einen Fahrdienst des Arbeiter-Samariter-Bundes, mit dem wir zusammenarbeiten. So können wir noch mobil unterwegs sein. Dieser Dienst ist seit Wochen komplett eingestellt. Darunter leiden wir sehr.“
Veranstaltungen und Ausflüge für die Gemeinschaft in Oberhausen abgesagt
Große Probleme sieht sie auch in der Isolation der Gemeinschaft in der Stadt. Weigmann ist Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins Oberhausen (BSVO) und weiß, wie wichtig das Vereinsleben für die Mitglieder ist. „Wir haben auch viele ältere Menschen im Verein, die sehr von den Kontaktbeschränkungen betroffen sind.“ Die Mitglieder treffen sich normalerweise im Haus Union, dort findet monatlich ein Info-Café für Betroffene und Angehörige statt, sowie weitere Veranstaltungen.
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„Das ist tatsächlich schlimm. Blinde und Sehbehinderte leben oft isolierter als andere Menschen. Deshalb ist die Zeit wertvoll, die wir gemeinsam verbringen können. Dass das jetzt wegfällt, belastet.“ Gemeinsam war ein Grillfest im Juni und ein großer Ausflug im August geplant – die Pläne liegen dank Corona auf Eis.
„Man lernt, Kompromisse einzugehen“
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Trotz allem versucht Birgitt Weigmann, positiv zu bleiben. „Als ein Mensch mit Behinderung lernt man, Kompromisse einzugehen. Ich versuche, mich mit der Situation zu arrangieren. Außerdem telefoniere ich jetzt viel mehr als früher. Ich habe schon zwei lange Ohren, aber so kann ich mit der Außenwelt verbunden bleiben.“
Blinden- und Sehbehindertenverein
Wer an dem Vereinsleben des Blinden- und Sehbehindertenvereins Oberhausen interessiert ist, kann sich auf der Internetseite www.bsvo.de informieren. Das Info-Café, das in normalen Zeiten stattfindet, ist nicht nur für Betroffene, sondern auch für Angehörige ein beliebter Anlaufpunkt.
Dort berät auch Birgitt Weigmann. Informationen unter 0208 99 11 92 11, bsv.oberhausen@t-online.de.